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Wenn die Sprache begrenzt

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Multikulturelle Ehen haben mit besonderen Herausforderungen zu rechnen. Welche das sind und wie man mit diesen zurechtkommt, beleuchtet der folgende Beitrag.

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Multikulturelle Ehen haben mit besonderen Herausforderungen zu rechnen. Welche das sind und wie man mit diesen zurechtkommt, beleuchtet der folgende Beitrag.

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Ausländer sind in aller Munde. Ob als vermeintliche Gemeindewohnungsbesitzer oder als fortpflanzungsfreudige Eltern, deren Nachwuchs angeblich zum Baumeln im heimischen Sozialnetz dient. Wie aber sieht es wirklich hinter den vier Wänden international zusammengesetzter Familien aus? Was heißt hier eigentlich „Familie”?

Zarrin Winter, Perserin und mit einem österreichischen Bankangestellten verheiratet, meint, bei der Geburt ihrer Tochter sei unbewußt das orientalische Konzept von Familie in ihr zum Durchbruch gekommen. Will sagen: Die Frau ist für Mann und Kinder da. Bis heute -das Fräulein Tochter ist mittlerweile 18 Jahre alt - ist Zarrin Hausfrau geblieben. „Ich habe erwartet, daß er das schätzt”, sagt sie von ihrem Mann. Dieser hätte es wohl lieber gesehen, wenn sie nach dem unvollendeten Medizinstudium berufstätig geworden wäre. Schon vor ihrer Hochzeit, als die verschiedenen Kulturen noch nicht so problematisch erschienen, hatte Zarrin Kontakt mit „europäischen Familien” und deren Schlüsselkindern, die ihr „sehr weh getan” hätten - im Vergleich zu ihrem eigenen wohlhabenden Elternhaus in Persien.

In den zwei Jahrzehnten Ehe lernten die Winters, die Verschiedenheit und deren Vorteile zu sehen. „Wir haben immer das Gefühl gehabt, wir sind zusammen, und es gibt Probleme. Wenn man mich aber heute fragt: ,Wen willst du heiraten?', dann will ich nur ihn - als Perser oder zumindest mit Verständnis für meine Mentalität. Oder ich als Europäerin.”

Engländerin und Tscheche

Europäische Herkunft alleine bewahrt aber nicht vor Konflikten, berichtet Petra Krzmär, tschechische Gattin eines britischen Journalisten. Sie denkt bei Familie vor allem an Liebe, Schutz und das Befinden des einzelnen, bei ihm überwiege der Aspekt des „Funktionierens”. Arbeiten im Haushalt will die freiberufliche Übersetzerin, die nach eigenen Worten „von klein auf in einer Riesensippe gelebt hat”, gemeinsam anpacken. Bei ihrem Gatten ortet sie dagegen ein kälteres Konzept: das Zusammenleben von selbständigen Individuen. An den Kindern wird der unterschiedliche Zugang manifest. „Ich sage zu meinen Kindern: ,Ich liebe euch.'”, erzählt Petra, „mein Mann sagt: ,Habt ihr die Aufgaben schon gemacht?' - Das ist eine andere Art von Liebe.” Sie erklärt sich den Unterschied mit der weniger hierarchisch geprägten, slawisch verstandenen (Groß-)Familie ihrer Kindestage im Gegensatz zur britischen, disziplinorientierten Kindheit ihres Mannes. Die drei jugendlichen Sproße der tschechisch-englischen Verbindung beschreibt die Mutter übrigens als „begeisterte Wiener”, um von Situationen zu erzählen, in denen sie selbst sich als „die Fremde” erfährt. Etwa bei der Interpretation von historischen Ereignissen.

Durch die Sprache fühlen sich alle befragten Fremden begrenzt. Trotz aller Mißverständnisse, deren Wurzeln manchmal bis in die Gestik reichten und reichen, genoß die Winter-Tochter das „orientalische” Familienmodell. So war sie etwa stolz, aus dem Kindergarten schon um 12 Uhr abgeholt zu werden. Von gelegentlichen Sprachproblemen erzählt auch die Peruanerin Denis. Die ersten zwei Jahre ihrer Ehe mit Wolfgang Veit, dem Geschäftsführer des Vereins und Cafes „Club International” in Wien, hat sie englisch gesprochen. Heute bessert Töchterchen Silvana manchmal das Deutsch der Mutter aus. Als Kind eines Airline-Direktors hat Denis schon früh eine französisch geprägte Erziehung erfahren, auf ihre peruanische Mutter wirkt sie heute „so europäisch”. Keine Spur vom lateinamerikanischen Großfamilienkonzept, das alle Verwandten umfaßt.

Wolfgang Veit sieht das ähnlich: Emotionale Nähe gehe vor verwandtschaftliche. Sehr wohl für Diskussionen im Hause Veit sorgt die Frage der richtigen Ausbildung für die beiden Töchter.

Kann und soll den zweisprachigen Töchtern in einer französischsprachigen Schule schon früh eine dritte Sprache zugemutet werden? Keine rein sprachliche Frage. Solche Debatten erklärt sich Wolfgang Veit, Sohn einer kleinen Angestellten, weniger mit kulturell, sondern mit sozial unterschiedlicher Herkunft. Sonst gelte: Wo wir anders denken, liegt's daran, daß sie eine Frau ist und ich ein Mann.”

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