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Wenn es sicher ein Bub ist...

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Die Weltbevölkerung, derzeit 5,3 Milliarden, wächst jede Sekunde um drei Menschen, jeden Tag um rund eine Viertelmillion, um 90 bis 100 Millionen pro Jahr. Bis zur Jahrtausendwende wird es um eine Milliarde Menschen mehr geben.

Im Jahr 1984 hatte es kurz so ausgesehen, als hätte sich das Bevölkerungswachstum (ausgenommen Afrika und Teile Südasiens) deutlich verlangsamt und eine Stabilisierung der Weltbevölkerung um die zehn Milliarden im Jahr 2100 schien realistisch. Die Aussicht trog. Das Wachstum hat neuerlich zugenommen, vor allem in den ärmeren Ländern. Von den 5,3 Milliarden heutiger Erdbewohner lebt eine Milliarde in Armut.

Diese Milliarde wächst am allerraschesten. Sie trägt gleichzeitig am stärksten zur Umweltbelastung bei. Zu ihr gehören auch die meisten der 500 Millionen Menschen, die an Unterernährung leiden. Ja, natürlich: Auf der Erde werden genug Nahrungsmittel erzeugt, um alle Menschen zu nähren. Das Problem liegt nicht in der Produktion und auch nicht in der Verteilung, sondern in den Einkommensverhältnissen. Die Menschen hungern, weil sie sich ein Minimum an Nahrung nicht leisten können.

Die Menschheit wird es sich nicht lange mehr leisten können, das alles zu wissen und zuwenig dagegen zu tun. Die katholische Kirche wird es sich nicht mehr lange leisten können, den Emst dieses Problems herunterzuspielen und die Notwendigkeit einer weltweiten Geburtenregelung zu bestreiten. Kirchenintern geht es dabei einerseits um das Thema Empfängnisregelung. Aber reden wir heute einmal nicht davon. Reden wir von einem anderen Aspekt, der gleichfalls mit der Lehre von der angeblichen Unzulässigkeit des Einwirkens auf die menschliche Natur in diesem heiklen Bereich zu tun hat: die Vorausbestimmung des Geschlechtes schon bei der Zeugung. Von einer sicheren Methode ist die Wissenschaft noch ziemlich weit entfernt. Aber die Forschung ist diesem Ziel jüngst wieder ein gutes Stück nähergekommen. Was bedeutet das für die Praxis?

Es bedeutet, daß auch in Kulturkreisen mit einer ganz anderen als der westlichen Einstellung zur Geburtenregelung ein wichtigter Zeugungsgrund wegfallen könnte: das „es” ein Knabe sein muß. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß Millionen Mädchen als „verfehlte Buben” gezeugt und zur Welt gebracht werden. Was es bedeuten wird, wenn man solche „Fehlentscheidungen” vermeiden und das Geschlecht im voraus bestimmen kann, ist offen. Viele Folgen, auch sehr negative, sind vorstellbar. Aber vielleicht wird sich menschliches Handeln auch dann als ganz anders als erwartet erweisen. Sicher ist nur, daß diese Möglichkeit kommen wird - und daß die Kirche gut daran täte, sich schon jetzt verantwortungsbewußt und wirklichkeitsnah darauf einzustellen.

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