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Wenn Frauen reisen

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Frauen unterwegs, sei es als Forschungsreisende oder Singles auf Selbsterfahrungstrip, kommen an -und das im doppelten Sinne: Ein erstes Ziel ist schon erreicht, wenn den Reisen von Frauen auch auf dem Buchmarkt Rechnung getragen wird, denn jahrelang wurde uns das Reisen als Männerdomäne verkauft. Gewiß, es gab Pioniere wie Vita Sackville-West oder Isabelle Eberhardt, aber das sind nur zwei bekannte Namen. Es bleibt eine Vielzahl von Frauen, die unerkannt oder vergessen in ferne Länder aufgebrochen sind, um sich selbst und ihre Welt mit eigenen, eben weiblichen Augen zu entdecken.

Reiseliteratur ist am boomen, Frauenliteratur ohnehin, und wenn jetzt die Verlage auch mit Reiseberichten von Frauen Geld verdienen, weil diese beim Publikum ankommen, so ist angesichts des großen Nachholbedarfs gar nichts dagegen zu sagen. Denn es ist viel zu wenig bekannt, weil eben in der Männerwelt allzugern totgeschwiegen, was Frauen als Entdeckerinnen geleistet haben.

Mary Russell zeichnet in „Frauen-Reisen" eindrucksvolle Porträts mutiger, zielstrebiger Frauen (von wegen schwaches Geschlecht!), die sich auf Entdeckungsfahrt in die Sand- und Eiswüsten dieser Welt begaben. Bleibt die Frage, was Frauen wie Annie Taylor, Hester Stanhope, Gertrude Bell oder Lady Franklin („mann" kennt sie aus Sten Nadolnys „Entdeckung der Langsamkeit") antreibt, in unwirtliche Gebiete vorzudringen. Abenteuerlust, Neugier, Demonstration der eigenen Stärke? Auf keinen Fall sind sie als bewußte Feministinnen angetreten, viel eher handelt es sich um individuelle Odysseen, freilich am weiblichen Kompaß orientiert.

Susi Piroue dagegen schreibt aus heutiger feministischer Sicht. Ihr Bericht über das „Vergnügen, mit sich selbst zu reisen" stellt ein lesenswertes Stück Lebenshilfe für Single-Frauen dar, die sich auf einen Solo-Trip begeben. Dem Reisebericht sind jeweils kurze Intermezzi dazwischen-geschaltet, in denen die Autorin konkrete Tips und Ratschläge gibt, die Mut machen sollen, manchmal aber leider banal sind: „Das Loslassen gehört zum Freisein".

Eine großartige Sammlung mit Texten von Frauen „on the road" hat Lisa St. Aubin de Teran zusammengestellt, die vor allem durch ihre Vielfalt besticht. „Leichtfertige Reisen" versam-

melt 26 autobiografische und fiktive Geschichten aus zwei Jahrhunderten. Man findet darin den legendären Frau-en-Hobo Box-Car Bertha (ihre Auto-biografie hat Martin Scorsese verfilmt), die Frau der Straße, spricht: Großkurtisane Harriette Wilson, weiter Isabelle Eberhardt, Colette, Kathe-rine Mansfield, Edith Wharton und viele andere. Die Herausgeberin hat ein kompaktes, gescheites Nachwort zu der Anthologie beigesteuert, der man viele Leserinnen wünscht.

Reise nach Australien

Zugegeben, Barbara Woods Riesenschmöker „Traumzeit" habe ich nur gelesen, weil er in Australien spielt und die verschwindende Kultur der Aborigines als zentrales Thema hat. Die philosophische Tiefe und die literarische Qualität von Bruce Chatwins „Traumpfade" erreicht Barbara Woods Familiensaga um das Schicksal Joan-na Westbrooks nicht. Mit diesem Ehrgeiz ist die auf historische Panoramen spezialisierte Autorin sicher auch nicht angetreten. Der dicke Wälzer erzählt vor dem Hintergrund der Mythen der australischen Ureinwohner Joannas Suche nach ihrer Identität, bis sie zuletzt auf den Traumpfaden der Aborigines das Geheimnis ihres Lebens entdeckt. Zum Glück mißbraucht der konventionell, fast viktorianisch erzählte Roman die Aborigineskultur nicht, um der Familiensaga aus dem 19. Jahrhundert ein bißchen mythisches Hokuspokus beizumischen. Barbara Wood gelingt es, etwas von der Faszination dieser Kultur zu vermitteln und die schwierigen Lebensbedingungen der Pionierfrauen eindrucksvoll zu schildern. Ein weit ausholender, abernie langweiliger Unterhaltungsroman, der die Geschichte der Kolonisation Australiens aus weiblicher Sicht erzählt.

Alle diese Bücher ergänzen einander, es finden sich viele Anregungen zur weiteren Lektüre darin. Wer sagt denn, daß die Welt schon entdeckt ist? Es- gibt noch vieles zu finden, wenn Frauen zeigen, wo's lang geht. FRAUENREISEN. Vom Segen eines guten festen Rocks. Die Lebensgeschichte weiblicher Abenteurer und Entdecker. Von Mary Russell. Goldmann Verlag, München 1991. 286 Seiten. öS 99.80.

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