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Wenn Genossen erkunden gehen

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Noch im Februar war es in den A ugen Bundeskanzler Bruno Kreiskys laut einem Bericht der Tageszeitung „Die Presse” eine „unverständliche Unvorsichtigkeit” von UN-Generalsekretär Kurt Waldheim, daß erden „verrückten Mullahs” in Iran geglaubt habe. Drei Monate später reiste Kreisky mit zwei Genossen der Sozialistischen Internationale selbst nach Teheran, redete stundenlang mit führenden Mullahs sowie Politikern und wiederholte danach vorder internationalen Presse eifrig die iranische Interpretation des Konfliktes zwischen Washington und Teheran.

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Noch im Februar war es in den A ugen Bundeskanzler Bruno Kreiskys laut einem Bericht der Tageszeitung „Die Presse” eine „unverständliche Unvorsichtigkeit” von UN-Generalsekretär Kurt Waldheim, daß erden „verrückten Mullahs” in Iran geglaubt habe. Drei Monate später reiste Kreisky mit zwei Genossen der Sozialistischen Internationale selbst nach Teheran, redete stundenlang mit führenden Mullahs sowie Politikern und wiederholte danach vorder internationalen Presse eifrig die iranische Interpretation des Konfliktes zwischen Washington und Teheran.

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Die Nachricht aus Madrid, die am 23. Mai über die Fernschreiber in die Redaktionen tickte, kam für viele überraschend: Der spanische Sozialisten-fuhrer Filipe Gonzalez reise am 24. Mai im Auftrag der Sozialistischen Internationale nach Teheran, um sich in die Vermittlungsbemühungen zwischen dem Iran und den USA in der Geiselaffäre einzuschalten! Ebenfalls mit von der Partei: Österreichs Bundeskanzler und SP-Chef Bruno Kreisky und Schwedens Sozialistenführer Olof Palme.

Gonzalez und Palme trafen tags darauf tatsächlich in Wien ein und konferierten mit dem österreichischen Regierungschef in dessen Privathaus. Und am 25. Mai waren die drei SP-Chefs in einem gecharterten Lear-Jet auch schon unterwegs in Richtung Teheran.

So überraschend die Ankündigung dieser Reise bei der Öffentlichkeit aufgenommen wurde, so verschwiegen sich der sonst so redselige österreichische Kanzler darüber gab - daß von seiner Person aus eine Iran-Initiative ausgehen könnte, war in der letzten Zeit immer öfters zu hören gewesen.

Unmittelbarer Kontaktmann auf der iranischen Seite dürfte der Präsident der iranischen Notenbank, Nobari, gewesen sein, der sich vor einigen Wochen in Wien aufgehalten hatte, um die Möglichkeiten eines Transfers iranischer Guthaben aus den EG-Staaten nach Österreich, Schweden und Spanien zu prüfen. Der iranische Notenbankpräsident soll bei diesem Besuch auch mit Kanzler Kreisky zusammengetroffen sein und dabei die Einladung nach Teheran ausgesprochen haben. Nobari gilt als ein enger Vertrauter des iranischen Präsidenten Bani-Sadr.

Konkrete Beschlüsse, mit der iranischen Führung direkt in Kontakt zu treten - und zwar im Rahmen der Sozialistischen Internationale -, dürften dann am 6. Mai im Privathaus des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt gefallen sein, wo sich anläßlich von Kreiskys BRD-Besuch auch SPD-Chef Willy Brandt, Palme und der holländische Sozialistenführer Joop den Uyl eingefunden hatten.

Zwei Tage später, am 8. Mai, erörterte Bundeskanzler Kreisky am Grabe des verstorbenen jugoslawischen Staats- und Parteichefs Joship Broz Tito mit einigen der aus der ganzen Welt zusammengekommenen Spitzenpolitiker denn auch schon die Iran-Initiative der Sozialistischen Internationale. Einer der Gesprächspartner Kreiskys dort und wahrscheinlich auch ein weiterer Kontaktmann nach Teheran war PLO-Chef Arafat, dem allgemein gute Beziehungen zur iranischen Führung nachgesagt werden (was sich nach den Meinungsverschiedenheiten und Zusammenstößen von Palästinensern und Schiiten im Libanon, - vor allem in Beirut - wieder ändern könnte).

Sicher eingeweiht in die Iran-Mission der SI wurden einige der Außenminister, die sich anläßlich der Staatsvertragsfeierlichkeiten am 15. und 16. Mai in Wien aufhielten - allen voran der neue amerikanische Außenamtschef Edmund Muskie.

Daß sich die drei sozialistischen Politiker von ihrer Iran-Mission selbst keine konkreten Ergebnisse erwarteten -etwa Zusagen der iranischen Führung bezüglich der Freilassung der seit 4. November 1979 festgehaltenen amerikanischen Geiseln - wurde deutlich, als sie ihre Reise als „Erkundungsmission” deklarierten.

Kreisky in Teheran: „Wir sind nicht hierhergekommen, um uns in irgend etwas einzumischen, sondern vielmehr, um Informationen über die islamische Revolution zu erhalten.”

Und so wurden denn Kreisky, Gonzalez und Palme in das „Wesen der iranischen Revolution” eingeführt, erläuterte ihnen Außenminister Ghotbzadeh die Haltung Irans gegenüber den Supermächten. Und mit Staatspräsident Bani-Sadr erörterten sie laut Kreisky sämtliche Aspekte der iranisch-amerikanischen Krise.

Große Bedeutung wurde dem Zusammentreffen der SI-Mission mit Ayatollah Beheschti zugemessen, dem Führer der Islamisch-Republikanischen Partei, deren Anhänger in der „Madschlis”, dem neugewählten iranischen „Parlament”, über eine Mehrheit verfügen. Beheschti gilt in der iranischen Führung als der eigentlich starke Mann im Hintergrund.

Kreiskys Auffassungen über eine effiziente Politik gegenüber dem Iran haben sich innerhalb von Monaten grundlegend geändert: Noch im November

Zoobesuch vergangenen Jahres erklärte der österreichische Regierungschef bei einer Pressekonferenz, nur mit Worten allein werde das Geiseldrama nicht zu beenden sein: „Uberreden ist jedenfalls keine Möglichkeit, da muß schon etwas Substanzielles geschehen.”

Nach seinem 24stündigen Besuch in Teheran hingegen konnte er nicht oft genug vor Sanktionen und „neuen Kraftakten” gegen Iran warnen: „Das würde nur neue Probleme bringen.”

Was besonders irritieren muß, ist, daß Kreisky die auf den Kopf gestellte Weltschau der Iraner so wiedergibt, also ob diese seinen eigenen Auffassungen entspräche: Denn was Ayatollah Beheschti der SI-Delegation erklärt („Das Geiselproblem wäre längst gere-

Karikatur: Zehentmayr gelt, wenn es nicht von den USA täglich erschwert würde”) und Außenminister Gotbzadeh ähnlich erläutert hatte („Die iranischen Bemühungen zur Beilegung der Krise sind jedes Mal durch amerikanische Initiativen ruiniert worden”), wiederholte Kanzler Kreisky vor Journalisten völlig unkritisch.

Dabei hatte US-Präsident Carter gerade in der Geiselfrage durch Monate hindruch eine Zurückhaltung und Geduld mit der iranischen Führung an den Tag gelegt, die weltweit auf Be-, aber auch Verwunderung stieß.

Während Olof Palme von den „starken demokratischen Ambitionen” sprach, die vielerorts im Iran zu verspüren seien, kamen aus Teheran Meldungen über eine neuerliche Hinrichtungswelle, bei der in der vergangenen Woche nicht weniger als 60 Personen wegen „Rauschgiftschmuggel” oder „Verschwörung” exekutiert wurden.

Und während Kreisky erklärte, die Welt könne es sich nicht leisten, Länder von der Bedeutung des Iran zu isolieren oder zu ignorieren, wies man in Teheran das Urteil des Internationalen Gerichtshofes von Den Haag, die iranische Regierung sei für die Geiselnahme von 53 Amerikanern voll verantwortlich und schadensersatzpflichtig, als „bedeutungslos” zurück. Womit auch klar sein dürfte, wer hier wen ignoriert: nämlich der Iran die höchste juristische Autorität der Vereinigten Nationen.

Abgesehen von diesen zum Teil seltsamen Dingen, die die drei sozialistischen Politiker da in Teheran „erkundet” haben und über die Massenmedien in alle Welt hinaus posaunten, kann man dieser SI-Mission aber sicherlich auch ihre guten Seiten abgewinnen: „Als Versuch, Europa in der Dritten Welt wieder afs politischen Faktor ins Spiel zu bringen, ist die Reise der drei stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale nach Teheran auf jeden Fall interessant”, meint etwa die Grazer „Kleine Zeitung;

Und wenn es stimmt, was die „Süddeutsche Zeitung” aus Kreisen um Staatspräsident Bani-Sadr aufgeschnappt hatte und am 27. Mai meldete, daß nämlich Bani-Sadr und Khomeini eine Absprache über einen Stufenplan zur Freilassung der amerikanischen Geiseln getroffen haben, werden ziemlich sicher auch Kreisky und Genossen damit in Zusammenhang gebracht werden: Und also ein Stück Ruhm miternten können - selbst wenn diese Absprache eine Woche vor ihrem Besuch erfolgt sein sollte.

Dennoch: Das Schicksal der amerikanischen Geiseln ist so ungewiß wie eh und je, zumal sich die Machtkonstellationen im revolutionären Iran teilweise ja ungewöhnlich rasch verändern: ebenso rasch - scheint's, wie Bruno Kreiskys Ansichten über eine wirksame Iran-Politik oder seine Einschätzung der iranischen religiösen Führer...

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