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Wenn ich Oberin eines Ordens wäre…

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Liebe Schwestern!

Nur mehr wenige Tage sim es bis zum Katholikentag.

Die österreichische Kirche fei ert ihren Glauben. Und ich meine daß Ihr in der Geschichte diese Kirche Österreichs ein Ehrenblat verdient.

Wer würde es wagen, das Uber maß an Gebet, Aushalten, Zu rücktreten, Umgehen mit schwe Erziehbaren — oft aus Wohl standshäusern — mit Armseliger mit Kranken zu beschreiben?

Eine von Euch wird in Mariazel dem Papst eine Lampe als Symbo der klugen Jungfrauen überge ben, die sich nicht harmlos in eil ungewisses Morgen hineinträu men, sondern jetzt und hier das unversiegliche öl- der Liebe zur Kirche verbrennen lassen.

Aber über Euch liegt eine dunkle unheilvolle Wolke: Es treten nur wenige in Eure Gemeinschaften ein! Ihr habt Euch selbst oft quälend befragt, Satzungen neu gefaßt, Lebensformen geändert. Und dennoch scheint sich kein neuer Frühling zu zeigen.

Ich habe auch kein Wundermittel. So gut ich kann, nehme ich teil an Euren Sorgen. Weil ich Bischof bin, muß ich das tun. Anders wäre die Kirche reduziert: Ihr dürft nicht im Nebengebäude der Diözese bleiben, die Kirche wird erst durch Euch vollständig. Ohne die geistlichen Berufe ist die Kirche nicht mehr Kirche. -

Was ich damit sagen will? Daß die Kirche hierzulande an einem Wendepunkt angelangt zu sein scheint. Die seelsorgliche Praxis hat kaum einmal so schnelle und so große Fortschritte gemacht. Der Garten Österreichs wird wahrhaftig mit seelsorglichem Wasser reichlich und phantasievoll begossen. Aber einmal wird auch das größte Reservoir leer, wenn es nicht aus unerschöpflichen Quellen gespeist wird.

Das heißt: Man mag auf diese oder jene Weise die Zahl der Priester vermehren wollen, es bringt nichts, wenn die Menschen, die in der Kirche etwas sein sollen, sich nicht aus ihren innersten Quellen erneuern.

Wir können Einflüsse in den Medien, Schulen, sogar in der Politik haben - es bringt nichts, wenn wir nicht eine Reform aus den Quellen wollen und den Menschen etwas vom unendlichen dreifältigen Gott zu sagen haben!

Wir mögen uns empören über

Querschüsse zum Papstbesuch innerhalb und außerhalb der Kirche — es bringt nichts, wenn wir nicht unser ganzes Denken über die Kirche reformieren und neu verstehen, daß sie das von Gott gesetzte Zeichen des Heiles ist, dessen Innerstes nicht in unserer Hand ist.

Das alles und noch vieles andere ist nötig.

Und nötig ist es, Euch laut zu danken, denn Ihr verwirklicht das schon auf unzählige Weisen. Ich weiß, daß Ihr vielleicht nicht alle theologischen Probleme diskutiert, daß Ihr mühsam sein könnt, oft ohne jeden Mut, daß Ihr miteinander Schwierigkeiten haben könnt und dennoch: Ihr habt die Quellen behütet, von denen wir oft weggerückt sind, und nun merken wir, daß die klügsten Strukturänderungen die Zisternen nicht mehr füllen.

Ich weiß, wie ratlos Ihr oft seid: Welche Niederlassungen sollen wir aufgeben, sollen wir neue Aufgaben übernehmen? Was machen wir mit unserer schrecklichen Überalterung? Mit der Müdigkeit vieler Schwestern, mit dem Schweigen der Priester?

Man kann nicht alles mit verstärkter Frömmigkeit, mit mehr Arbeit, mit noch größerem Einsatz überwinden. Der Organismus selbst muß gesund sein. Den richtigen Platz muß man finden. Und da meine ich, daß viele Eurer Einrichtungen bereits auf dem richtigen Platz sind. Es wird uns nur nicht bewußt.

Ihr könnt Euch noch mehr dort ansiedeln — nämlich Vorposten der Kirche sein. Das heißt: dort sein, bewußt dort sein, wo die Kirche im engeren Sinn nicht hinreicht — bei den Leuten, deren Hoffnung reduziert ist; wo geistliche Armut herrscht; wo Eucharistie aus Priestermangel nicht mehr oder nur selten gefeiert wird; wo wirkliche Jugend und nicht bloß zurechtgerichtete junge Leute sind.

Bitte, lächelt nicht über meine Anmaßung: Wäre ich Oberin eines Ordens — ich würde zum Bi-

schof gehen und ihn fragen: Wo ist Ihre Diözese am ärmsten? Dort würde ich mit meinen Schwestern hingehen, und mit aller Intensität, derer wir fähig sind, nach unseren. Gelübden und in unserer Gemeinschaft leben.

Einige Tausend von Euch wer-r den in wenigen Tagen mit dem

Papst beisammen sein. Das ist ein Ereignis, das uns allen eine große Gnade öffnen kann: Glauben an unsere Sendung, glauben an unsere Kirche, neu an uns selbst glauben. Damit tun wir das unsere, und dann können wir getrost auf einen neuen Frühling der Gnade warten.

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