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Wenn Rabatt-Käufe zur Falle werden ...

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Kann es verboten sein, beim Autokauf über den Preis zu handeln? Mit Hörerscheinen billig Bücher zu kaufen? Hinweise wie „Kinder zahlen die Hälfte" für seriös zu halten?

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Kann es verboten sein, beim Autokauf über den Preis zu handeln? Mit Hörerscheinen billig Bücher zu kaufen? Hinweise wie „Kinder zahlen die Hälfte" für seriös zu halten?

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Wenn im alljährlichen Einkaufsrummel zur Ausverkaufszeit ein Kunde ein Sportgeschäft betritt und mit dem Hinweis auf seine Mitgliedschaft bei einem Tennis-Club unter Vorlage seines Mitgliedsausweises einen Tennisschläger mit zehn Prozent Rabatt erwerben will, ist für den Sportartikelhändler Vorsicht geboten.

Nicht etwa, daß die Diebstahlsgefahr größer wäre als sonst. Wäre es nur das, könnte der Händler den — bedauerlichen — wirtschaftlichen Verlust vermutlich leichter ertragen, ohne sich noch lange darüber zu ärgern. Die wirtschaftliche Gefahr für den Händler ist

aber viel größer, und sie liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Es könnte durchaus sein, daß der Kunde in Wahrheit ein Testkäufer ist, entsandt von einem jener vielen Vereine, die in den letzten Jahren wie Schwammerln aus dem (leicht sumpfigen) Boden gewachsen sind und deren offizielle Zielsetzung die Wahrung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ist. Was steckt wirklich dahinter? Nicht selten die Absicht der den Verein sponsernden Anwälte, Rabattverstöße zu provozieren (wozu sie gerne ihre Konzi-pienten einteilen), um dann die Unterlassungsklage gegen den überraschten Händler einzubringen. Die hohen Streitwerte (üblicherweise 300.000 bis 500.000 Schilling) lassen das Interesse an der Klagsführung verständlich erscheinen.

Zeitungsmeldungenüber gerichtliche Auseinandersetzungen dieser Art lösen beim unbefangenen Leser oftmals nur verständnisloses Kopfschütteln aus. Kann es dem Sportartikelhändler denn verboten sein, einem Vereinsmitglied eines Tennisvereins auf Schläger und Bälle einen Nachlaß zu geben? Kann es verboten sein, sich als Mitglied eines Großbetriebes auszuweisen, um mit Hilfe eines vom Betriebsrat ausgestellten Einkaufsscheines Fernseher, Radioapparat, Kamera, Autoreifen und -batterien, Campingartikel, Möbel, Teppichböden und ähnliches zu einem ermäßigten Preis zu beziehen? Kann es ernstlich verboten sein, beim Kauf eines f a-

briksneuen Mittelklasse-PKW mit dem Händler über den Preis zu verhandeln?

Die Antwort lautet - absurderweise - ja. Alles das und noch viel mehr ist verboten. Der Grund liegt in einer gesetzlichen Vorschrift, von der schon manche bezweifelt haben, ob sie überhaupt noch gültig ist. Das Rabattgesetz vom 25. November 1933, eingeführt in Österreich durch Verordnung vom 16. Februar 1940, verbietet generell jeden Preisnachlaß beim Verkauf von Waren des täglichen Bedarfs an den letzten Ver-

braucher und läßt von dieser Regel nur drei Ausnahmen zu:

• den Barzahlungsrabatt bis zu drei Prozent;

• den Mengenrabatt beim Kauf einer größeren Warenmenge in einer Lieferung und

• Sondernachlässe für Verwerter, Großverbraucher und die eigenen Angestellten.

Die wirtschaftspolitische Zielsetzung des Rabattgesetzes ist klar: Es sollte Auswüchse im Rabattwesen verhindern und den Rabatt als Wettbewerbsmittel im Interesse der kleineren Betriebe und der mittelständischen Wirtschaft auf ein erträgliches Maß beschränken. Dazu wählte der Gesetzgeber den Weg des Diskriminierungsverbots. Der Unternehmer, der an Letztverbraucher liefert, darf keinen seiner Kunden unterschiedlich behandeln. Und zwar weder einzelne Kunden noch ganze Kundengruppen (zum Beispiel Studenten, Militär, Einheimische, Stammkunden). Ausgenommen sind in sachlicher Hinsicht die Luxusgüter, in persönlicher Hinsicht die Wiederverkäufer, die die erworbenen Waren weiterveräußern.

Dagegen sind die „letzten Verbraucher" des Rabattgesetzes keineswegs identisch mit dem „Konsumenten" im üblichen Sprachgebrauch: Auch die VOEST als größter österreichischer Unternehmer ist „letzter Verbraucher" im Hinblick auf jene Waren, die sie nicht mehr weiterverkauft. Hier einige praktische Beispiele, zu welchen wirklichkeitsfremden Konsequenzen dieses Gesetz führt (siehe auch Kästen):

Ein Sportartikelhändler stellte seinen Kunden sogenannte „Stammkundenkarten" aus, die den Kunden berechtigen, einen Rabatt in Anspruch zu nehmen, dessen Höhe sich aus der Summe der Einkäufe in diesem Jahr ergab. Die Einkäufe wurden addiert (alle Familienmitglieder mitein-

gerechnet) und mit Rabatten zwischen drei und fünf Prozent abgerechnet.

Die Entscheidung, mit der der Oberste Gerichtshof (OGH) diese Werbemaßnahme verbot, verdient deshalb besondere Beachtung, weil darin eine weit über den Anlaßfall hinausgehende Aussage getroffen wurde: Das Diskriminierungsverbot des Rabattgesetzes gelte auch für den (erlaubten) Barzahlungsrabatt und für den (ebenso erlaubten) Mengenrabatt (Entscheid des OGH vom 22. März 1983 - 4 Ob 310/83).

Hält man sich vor Augen, welche Konsequenzen diese Entscheidung hat, so kann man nur mehr den Kopf schütteln. Es steht dem Unternehmer zwar frei, einen Barzahlungsrabatt bis zu drei Prozent zu geben oder nicht zu ge-

ben. Gibt er ihn aber einem Kunden, dann muß er ijpn allen gleichmäßig geben, weil sonst eine verbotene Ungleichbehandlung der Kunden vorläge.

Damit eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld für neue Testkäufer: Der erste verlangt und erhält beim Kauf einer Ware gegen Barzahlung einen dreiprozenti-gen Rabatt. Der nächste kauft die gleiche Ware, ohne den Rabatt auch nur zu erwähnen. Wird diesem zweiten Kunden dann der Rabatt nicht vom Unternehmer „aufgedrängt", liegt bereits ein Rabattverstoß vor! Unverständlicher könnte die Rechtslage nicht mehr sein.

Ärgerlich ist nur, daß die vom Testkäufer gekaufte Ware auch bezahlt werden muß. Mit dem Einsatz beschränkt Entmündigter als Testkäufer wurde bereits versucht, auch dieses unliebsame Ergebnis zu vermeiden.

Mit all diesen Beispielsfällen soll keineswegs Kritik an der Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes geübt werden. Die Entscheidungen sind richtig. Sie entsprechen dem Gesetz. Nur entspricht das Gesetz nicht mehr den Wertvorstellungen der Gegenwart. Es wird auch in weiten Kreisen der Bevölkerung gar nicht mehr als verbindliche Vorschrift angesehen.

Wer wollte etwa Anstoß daran nehmen, wenn für „Holiday on Ice" in der Wiener Stadthalle geworben wird mit dem Hinweis: „Kinder zahlen die Hälfte!" Sind

Hörerscheine für Studenten zum ermäßigten Bezug von Büchern nicht eine Selbstverständlichkeit? Wer wollte es als unzulässig empfinden, den Einheimischen bei Schipässen, Eintrittspreisen in Thermalbäder oder bei Sportveranstaltungen Sonderpreise einzuräumen? Würde man sich nicht beinahe vor seinen Bekannten genieren, wenn man sein neues Auto nicht mit mindestens fünf Prozent Rabatt vom Listenpreis gekauft hat? Macht nicht jeder im vollen Gefühl der Berechtigung von den verbilligten Einkaufsmöglichkeiten Gebrauch, die der Betriebsrat, Lehrerhausverein schaffen?

Und doch liegen in all diesen Fällen eindeutige Gesetzwidrigkeiten vor, die nach der absurden Vorschrift des Paragraph elf Rabattgesetz Offizialdelikt zu strafrechtlicher Verfolgung von Amts wegen Anlaß geben müßten—eine Strafvorschrift, die schon wegen der Unscharfe des Begriffs „Ware des täglichen Bedarfs" im höchsten Grad verfassungsrechtliche Bedenken erwecken muß. Was sind denn „Waren cles täglichen Bedarfs"? Gehört etwa der Ehering dazu?

Der Begriff stammt aus den Kriegsgesetzen, und so hat ihn der historische Gesetzgeber auch verstanden. Gemeint waren ursprünglich solche Waren, an denen die breite Bevölkerung jederzeit und immer wieder Bedarf hatte, wie insbesondere Lebens-

mittel und ähnliches. In der Zwischenzeit hat der Begriff einen ganz anderen Inhalt erhalten. Der OGH versteht darunter längst nicht mehr bloß lebensnotwendige Gegenstände.

Heute umfaßt dieser Begriff nach dem Verständnis des OGH alles, was für weite Kreise der Bevölkerung nach der gegenwärtigen Verkehrsauffassung zweckmäßig und kein reiner Luxusgegenstand ist. Dabei bedeutet „täglicher Bedarf" keinesfalls, daß ein solches Bedürfnis „jeden Tag" und für .oedermann" bestehen müßte. Es genügt, daß ein entsprechender Bedarf bei einem bestimmten, nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung jederzeit auftreten kann, sei es auch nur zu gewissen, mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrenden Anlässen oder bei sonstigen Gelegenheiten. Bereits die Herstellung in Serienproduktion spricht für einen solchen ständig erneuerten „täglichen" Bedarf.

Greifen wir aus den Entscheidungen des OGH willkürlich einige Beispiele heraus:

Waren des täglichen Bedarfs sind Unter- und Oberwasserpumpen, Heizungskessel, ein Mercedes 200, ein Surftrapez, ein Farbfernseher, Sportpreise — wie Po-kalej* Medaillen, Teller, Becher, Krüge, Vasen etc. —, wie sie an den Sieger in sportlichen Wettkämpfen weitergegeben werden, Spielzeugautos, eine Motorkettensäge und ein Elektromotor. Zweifellos gehört auch Schmuck der niedrigeren Preisklasse dazu. Mit der Luxussteuer (dem gespaltenen Mehrwertsteuersatz) hat der Begriff der Luxusgüter überhaupt nichts zu tun.

Daß in der Praxis die Zahl der Rabattverstöße gewaltig ist — fast ist man geneigt zu sagen, das Ra-

battgesetz wird öfter verletzt als beachtet —, beeinträchtigt nach Ansicht des OGH seine Geltung nicht. Die allerorts verbreitete Gewohnheit, prinzipiell nur mit Rabatt zu kaufen, ist schon deshalb ohne rechtliche Bedeutung, weil selbst derartige Übungen die zwingenden Bestimmungen des Rabattgesetzes nicht außer Kraft setzen können. Dagegen darf die Post nach Belieben gegen das Rabattgesetz verstoßen. Denn die Hoheitsverwaltung des Staates ist von der Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ausgenommen. Sind in Österreich wirklich alle gleich? Die wirtschaftspolitische Zielsetzung des Gesetzes ist — sofern sie jemals richtig war — überholt.

Und es wäre an der Zeit, der Normenflut einmal einen contrarius actus entgegenzusetzen. Die ersatzlose Streichung des RabG wäre ein erster Schritt in diese — .richtige — Richtung.

Der Autor ist Universitätsdozent am Institut für Handels- und Wertpapierrecht in Graz.

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