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Wer ersetzt die Glykol-Schäden ?

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Gutgläubige Händler und Endverbraucher sowie ahnungslose Produzenten sind Opfer der „Weinpanscher“. An wen können sie Forderungen und Ersatzansprüche richten?

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Gutgläubige Händler und Endverbraucher sowie ahnungslose Produzenten sind Opfer der „Weinpanscher“. An wen können sie Forderungen und Ersatzansprüche richten?

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Für etliche Freunde österreichischer Weine haben sich finanzielle Nachteile dadurch ergeben, daß sie zur Zeit des Auffliegens des Skandals einen verfälschten Wein in ihrem Besitz hatten, für den sie aus einem bestimmten Grund keine Gewährleistung beanspruchen konnten: Sei es, daß sie nicht mehr das Datum des Erwerbs oder die Identität des Verkäufers nachweisen konnten, sei es, daß

die sechsmonatige Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen war: Der Wunsch dieser Endverbraucher nach Refundierung des Kaufpreises mußte daher unerfüllt bleiben.

Unvergleichlich höher und ökonomisch bedeutsamer sind die Schäden, die gutgläubigen Händlern und Produzenten entstanden sind, weil sie ihren einwandfreien Wein mit Glykol-versetztem Wein eines „Panschers“ verschnitten. Seriöse Exporteure werden die Langzeitfolgen des Skandals besonders nachhaltig empfinden: Haben sie eine Chance, Ersatz zu verlangen, und wer sollte ihn leisten?

Der Weinskandal und seine Folgen beschäftigen bisher nur

Staatsanwaltschaft und Strafgerichte; über etwaige zivilrechtliche Schadenersatzklagen und ihre Adressaten kann gegenwärtig nur theoretisiert werden. Was aber theoretisch durchsetzbar erscheint, kann sich in der Praxis als uneinbringlich erweisen.

Natürlich kommen die Hauptsünder als Gegner eines Ersatzanspruchs in Betracht. Ihre Namen sind durch die Medien allgemein bekannt gemacht worden. Ebenso ist publik, daß die Unternehmen der Großfälscher mittlerweile zu einem Gutteil in Insolvenzverfahren verwickelt sind und deshalb als potente Schadensträger ausfallen. Auch die Chemiker, deren oft apostrophierte „Superhirne“ die fatale Behandlungsmethode der Glykolbeigabe erfanden, dürften nicht in der Lage sein, Ersatzansprüche zu befriedigen.

Rein faktische Gründe legen es daher schon nahe, sich bei der Suche nach „Schadenstragunskapa-zität“, nach dem „deep pocket“, an den Staat zu halten. Konkreter an den Bund, der als für die Vollziehung des Weingesetzes funktional zuständiger „Rechtsträger“ im Sinn des Amtshaftungsgesetzes für ein allfälliges Fehlverhalten

seiner in der. Vollziehung des Weingesetzes eingesetzten Organe verantwortlich sein müßte.

Wie in allen Systemen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit für Schadenszufügung ist auch im österreichischen Schadenersatzrecht nicht jeder Schaden ersatzfähig. Unproblematisch ist regelmäßig nur ein Anspruch, der sich auf den Ersatz von Schäden an absolut geschützten Gütern — wie Leben, Gesundheit oder Eigentum - richtet. Ein Schaden, der sich lediglich als ein rechnerisches Minus im Vermögen des Opfers niederschlägt, - ein sogenannter „reiner“ oder „primärer Vermögensschaden“ — wird dagegen außerhalb vertraglicher Beziehungen unersetzt bleiben müssen, wenn nicht ein Gesetz verletzt wurde, das den Schutz vor derartigen Schäden bezweckt.

Um solche „primäre Vermögensschäden“ handelt es sich beim Weinskandal aber vor allem. War nun der „Panscher“ unmittelbar Vertragspartner eines geschädigten Händlers, kann dieser (theoretisch) seinen „primären Vermögensschaden“ von jenem fordern, da ihm die Verletzung vertraglicher Pflichten, die auch den Schutz des Partners vor Vermögenseinbußen bezwecken, anzulasten ist. Allerdings kann fraglich sein, ob der Verlust, der einem Händler dadurch entsteht, daß ihm Kunden das Vertrauen entziehen, vom Lieferanten verfälschter Weine auch wirklich ersetzt werden muß. Es könnte ein unzureichender Zusammenhang bestehen.

Allerdings wäre möglich, daß sich ein Weinproduzent oder -händler bemüht, mit Hilfe der Ersatzregeln des Rechts des unlauteren Wettbewerbs einen Ausgleich seiner Nachteile zu erlangen. Schließlich haben jene Produzenten und Händler, die mit Hilfe von Glykol aus Qualitätsweinen Prädikatsweine oder aus minderen Prädikatsweinen höher-klassige gemacht und zu „unschlagbaren Preisen“ vermarktet haben, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Beschaffenheit ihrer Waren „zur Irreführung geeignete Angaben“ gemacht. Wie jeder wettbewerbsrechtliche Ersatzanspruch, hängt jedoch ein auf der Grundlage des Paragraphen zwei („Irreführung“) erhobenes Begehren auf Schadenersatz davon ab, daß der Kläger den sogenannten „Beweis des ersten Schil-

lings“ (Schaden) erbringt. An diesem zumeist schwierigen Unterfangen drohen Ersatzansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bekanntlich zumeist zu scheitern.

Ersatzansprüche scheinen indessen im Lichte der jüngeren Judikatur des Ersten Senats des Obersten Gerichtshofes auf der Grundlage des Amtshaftungsgesetzes gegen den Bund durchsetzbar zu sein, sofern sich rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen der Weinaufsicht nachweisen läßt. .

In einer Entscheidung aus dem Jahre 1979 hat der Amtshaftungssenat das Höchstgericht die Haftung der beklagten Republik Österreich für die Folgen der Verletzung der Aufsichtspflicht des Finanzministeriums nach dem Kreditwesengesetz bejaht: Der Kläger erhielt damals für den Verlust von Spareinlagen bei

einer in Konkurs gegangenen Bank Entschädigung, weil ihm der Beweis gelang, daß die Organe des Bundes ihre Aufsichtspflicht nach dem Kreditwesengesetz schuldhaft und rechtswidrig verletzt haben.

Das Weingesetz 1961 hat in der bis vor kurzem geltenden Fassung eine Reihe von Vorschriften enthalten, die Organen des Bundes Kontroll- und Uberwa-chungspflichten auferlegen, deren laxe Ausführung zu wiederholten Malen behauptet wurde. Es kam hierbei, wie im österreichischen Enthüllungsjournalismus offenbar unumgänglich und üblich, auch zur Publikation von Originaldokumenten, aus denen sich Versäumnisse ableiten ließen. Dabei waren aus politischen Gründen insbesondere Verstöße gegen solche Normen von Interesse, die an den Bundesminister für Land- und Forst-

wirtschaft adressiert waren, wie zum Beispiel die des Paragraphen 19a der Weingesetz-Novelle 1976.

Nach dieser Bestimmung hat der Landwirtschaftsminister eine Bewilligung zur Verwendung des Weingütesiegels unter bestimmten Voraussetzungen (Manipulation am Siegelwein, unrichtige Angaben über seine Beschaffenheit udgl.) zurückzuziehen und allfällige weitere Bewilligungen zu versagen. Da der Zweck der Vorschriften über das Weingütesiegel in einer Verbesserung der Kontrollierbarkeit von Quali-täts- und Prädikatsweinen und einer Sicherung der Konkurrenzfähigkeit österreichischer Weine am Auslandsmarkt zu sehen ist, könnte die Verletzung der zitierten Vorschrift zur Grundlage von Amtshaftungsansprüchen gegen den Bund werden, immer vorausgesetzt, daß sich das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Organs beweisen läßt.

Wird jedoch die Frage nach den potentiellen Haftpflichtigen gestellt, so kann an den zahlreichen Vorschriften des Weingesetzes, die an staatliche Organe gerichtet sind und verhindern sollen, daß Weinverfälschungen vorkommen, nicht vorbeigegangen werden. Insoweit bildet der erwähnte Paragraph 19a nur ein willkürliches Beispiel für eine Norm, deren (mögliche) Verletzung eine Amtshaftung nach sich zöge.

Der Autor ist derzeit Leiter der Abteilung für Internationales Privatrecht am Institut für Bürgerliches Recht der Universität Graz.

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