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Wer fördert die Kunst?

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Werden finanzielle Mittel von Privatpersonen die staatliche Kunstförderung entlasten können? Drei Modelle stehen zur Diskussion, aber der Finanzminister hat derzeit andere Sorgen.

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Werden finanzielle Mittel von Privatpersonen die staatliche Kunstförderung entlasten können? Drei Modelle stehen zur Diskussion, aber der Finanzminister hat derzeit andere Sorgen.

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Unterrichtsminister Herbert Moritz steht dem Vorschlag der Künstler, Beiträge zur privaten Kulturförderung steuerlich zu begünstigen (jährlich bis zu 10.000 Schilling), positiv gegenüber. ÖVP-Kultursprecher Erhard Bu-sek verkündet eine „Kulturoffensive" und fordert, Aufwendungen bis 50.000 Schilling jährlich als Sonderausgaben für Kunstgegen-

stände steuerfrei zu machen und zudem den Musikunterricht neu zu organisieren.

Eine jahrelang vergeblich erhobene Forderung von Künstlerverbänden rückt nun in den Vordergrund. Für diese Entwicklung ist nicht die einfache Erkenntnis maßgeblich, daß in Österreich die Kulturförderung nicht ausschließlich durch staatliche Institutionen gesichert werden kann. Die wachsende Zahl von Künstlern (und jenen, die sich künstlerisch entwickeln möchten) ist mit abnehmenden finanziellen Möglichkeiten des Staates nicht zu vereinbaren.

Es bleiben freilich immer noch genug Schwierigkeiten zu überwinden. Die Vorstellungen des Unterrichts- und Kunst-Ministers, die auch durch neue französische Gesetzesregelungen angeregt erscheinen, verwies Finanzminister Franz Vranitzky in das Gebiet der künstlerischen Phantasie sowie in den Zuständigkeitsbereich der entsprechenden Abteilung seines Amtes — zur Prüfung bis auf weiteres.

Inzwischen sind allerdings nicht nur die Organisationen produzierender Künstler, sondern auch soziale, kirchliche und par-

teinahe Einrichtungen sowie die Urheberrechtsgesellschaften auf die Diskussion aufmerksam geworden. Und der jährliche Beitrag der Urheberrechtsindustrien beträgt immerhin (auch international) um 3 Prozent des Bruttosozialprodukts, bei steigender Tendenz, was doch auf eine handfeste Fähigkeit zum Kalkulieren hinweisen dürfte. Daß diese expandierende Branche „Kultur" ihr „Kapital" zum überwiegenden Teil aus Werken der Vergangenheit bezieht und lebende Urheber - zum Beispiel im Bereich der Musik — kaum mehr benötigt, ist mehr als eine Randerscheinung.

Umso schwieriger wird die Lage der produzierenden Künstler. Privatpersonen als Kulturförderer — so lautet die Parole. Soll nun jedermann ermöglicht werden, was einst Privileg und Bürde weniger Adeliger war? Eine Aufgabe, die heute von staatlichen Kunstbeiräten gründlich geprüft werden müßte, kann nicht ohne weiteres von weniger geschulten Mäzenen einfach übernommen werden. Auch wenn die geforderten Regelungen — aus Gründen der Finanzierbarkeit — nur eine Frage der Zeit sein dürften: Wie können sie sich in der Praxis auswirken? Soll Kunst als verfassungsrechtlich geschütztes „ungewöhnliches Verhalten" definiert werden, außerhalb gesellschaftlicher Normen, gefördert durch private Zuwendungen, die zudem steuerlich begünstigt sind?

Die Absurdität solcher Regelungen zwingt zur Feststellung: Es geht vor allem nicht um die Kunst im allgemeinen, sondern um lebende Menschen. Die vollendeten Werke aus Vergangenheit und Gegenwart sind — zumindest der gesetzlichen Intention

nach — ohnehin weitgend geschützt. Was zunehmend gefährdet erscheint, ist jedoch die lebendige, produktive Beschäftigung mit Kultur.

Drei Modelle der privaten Kulturförderung sind grundsätzlich zu erwägen:

• Ein sozial ausgerichtetes Modell, das steuerbegünstigte Beiträge ganz bestimmten zweckgebundenen Fonds und Stiftungen zukommen läßt, die für Kranken-und Pensionsversicherung sowie regelmäßiges Einkommen kultureller Berufe sorgen.

• Ein projektbezogenes Modell zur Unterstützung von Arbeitsvorhaben (wie sie bisher durch Subventionen ermöglicht werden).

Beide Modelle sind zentral zu verwalten entsprechend regionalen Gegebenheiten und stellen eine Entlastung des Staatshaushaltes dar.

• Ein drittes, dezentralisiert wirkendes Modell: jeder Steuerpflichtige entscheidet selbst, was er für Kultur hält, und fördert (steuerlich begünstigt) diejenigen Künstler, die er schätzt.

Vorformen und Erprobungsstadien der genannten Modelle gibt es bereits auch in Österreich. Was fehlt, ist eine gesetzliche Zusammenfassung auf der Basis der Steuerbegünstigung. Staatliche Zuschüsse und Pflichtbeiträge in Form von Leerkassettenabgabe, Bibliotheksgroschen, Reprographieabgabe etc. erscheinen als notwendig. Das dritte Modell scheint demgegenüber noch nicht allgemein konsensfähig zu sein — hier muß eine breitere Diskussion einsetzen.

Zwei wesentliche Fragen sollten jedoch allgemein und mit Nachdruck erörtert werden, be-

vor Änderungen durchgeführt werden: Was ist Kultur? Und welchen Stellenwert nimmt die Kunst in diesem Zusammenhang ein? Denn in nur wenigen gesellschaftlichen Gruppen ist die innere Differenziertheit so groß wie bei Künstlern. Die vorgeschlagenen Regelungen sind Entwürfe von Künstler-Funktionären — und diese sind, schon aus Gründen des Zeitaufwandes, meistens selbst keine Künstler. Vorsorge muß auch für jene getroffen werden, die sich selbst nicht entsprechend artikulieren können.

Neue Maßnahmen erfordern daher große Aufmerksamkeit aller verantwortlich Beteiligten. Kulturelle Entwicklungen zu fördern, sobald sie erkennbar werden, ist eine der subtilsten und größten Aufgaben einer Gesellschaft - ihre Erfüllung verdient durchaus auch den Dank der Ge-

förderten. Ohne die Absicht zum Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte in einem höheren Sinne könnte jede Erweiterung der Kunstförderung gefährlich werden - auch für die Geförderten selbst.

Diese Problematik ist es, die es der Regierung ermöglicht, unter Hinweis auf angeblich dringendere Probleme die brennend aktuelle Diskussion weiterhin zu vertagen. Der Betroffene (und dies ist vor allem der junge, schaffende Künstler) ist daher auch weiterhin darauf angewiesen, vorwiegend staatliche Stellen mit seinen Projekten und Sorgen zu belasten und im Falle des vorübergehenden Scheiterns seine Kollegen aus ihren zumeist pädagogischen Berufen zu verdrängen oder in mehreren Berufen tätig zu werden, wie es in der Nachkriegszeit üblich war.

Der Autor, Jahrgang 1954, ist Komponist

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