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Wer fühlt sich hier eigentlich nicht bedroht?

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In ihrer Blütezeit hatten die Mazedonier rund zwei Millionen Angehörige. Dies ist seit der Verfolgung der Mazedonier in Griechenland längst vorbei. Ob die Mazedonier eine eigene Nation sind oder nicht, darüber streiten die Wissenschaftler. Jedenfalls rechnen sie sie heute zu den Volksgruppen in Süd-Osteuropa, die auch eigene Organisationen geschaffen haben.

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In ihrer Blütezeit hatten die Mazedonier rund zwei Millionen Angehörige. Dies ist seit der Verfolgung der Mazedonier in Griechenland längst vorbei. Ob die Mazedonier eine eigene Nation sind oder nicht, darüber streiten die Wissenschaftler. Jedenfalls rechnen sie sie heute zu den Volksgruppen in Süd-Osteuropa, die auch eigene Organisationen geschaffen haben.

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Das politische und das geographische Mazedonien ist nicht identisch. Die Nationalitätenrechte der Mazedonier sind sehr unterschiedlich, je nachdem in welchem Staat sie leben. Die Republik Mazedonien, in Jugoslawien auch Vardar-Mazedonien genannt, in Griechenland aber nur Republik Skopje, ist von Tito im Jahre 1944 als eigener Gliedstaat Jugoslawiens eingerichtet worden.

In der Geschichte wird Mazedonien nicht selten mit Alexander dem Großen in Verbindung gebracht, aber jene Mazedonier waren keineswegs ein slawisches Volk, was die Mazedonier heute im wesentlichen sind. Im siebenten Jahrhundert drangen die Slawomazedonier bis zum Pelopon-nes vor, wurden aber von Byzanz unterworfen, ohne einen eigenen Staat

gegründet zu haben. Erst durch die Einwanderung der Protobulgaren, die sich mit den Slawen verbanden und als Führungsschicht schließlich im bulgarischen Volk aufgingen, entstand 661 nach Christus das erste bulgarische Reich, das unter Simenon dem Großen (893/927) von der Schwarzmeerküste bis zur Ägäis reichte.

Der Ausdruck Ägäis-Mazedonien stammt aus der Zeit, als die Slawomazedonier im Rahmen des bulgarischen Reiches die heutigen Nordprovinzen von Griechenland erreichten und besiedelten. Dieses Griechischmazedonien war lange Zeit das Kernland Mazedoniens mit slawischem Charakter und es ist bemerkenswert, daß die Slawen-Apostel Kyrill und Method Mazedonier waren. In der Antike wurde das Gebiet rings um das antike Pella in Nord-Griechenland nebst dem heutigen Saloniki Zentrum des grie-chisch-ägäischen Mazedonien, deswegen sind die Slawomazedonier aber keineswegs Griechen.

Objekt gnadenloser Verfolgung

Interessant ist es, was der Verfasser selbst getan hat, die Ausgrabungen bei Neas Pella zu studieren, die keine slawisierten Griechen waren. Die internationale Wissenschaft vertritt die Meinung, daß die antiken Mazedonier zwar ein den Griechen verwandtes Volk waren, aber eine andere Spra-

che sprachen, was man vor allem bei den griechischen Dichtern bestätigt findet. Die alteingesessene Bevölkerung von Ägäisch-Mazedonien teilt die offizielle griechische Auffassung nicht, wonach die Slawomazedonier eigentlich Griechen seien, wer eine solche Meinung vertritt, gilt als Volksverräter. Tatsächlich haben sich die Slawomazedonier in Griechenland unter der türkischen Herrschaft lange Zeit halten können. Erst mit der Entstehung des Staates Griechenland sind sie Objekt einer gnadenlosen Verfolgung geworden.

Die Republik Mazedonien in Jugoslawien liegt heute gewissermaßen in der Luft, während die Mohammedaner in Bosnien-Herzegowina ebenso wie die Kroaten ihren eigenen Staat bejahen, sind die antiken Mazedonier von den anderen Balkanvölkern vorwiegend absorbiert worden, sie verstehen sich als Repräsentanten der heutigen Mazedonier im ehemaligen Jugoslawien, ohne aber einen eigenen Staat anzustreben. Sie fühlen sich auch von Griechenland bedroht, das gegen eine internationale Anerkennung des selbständigen Staates Mazedonien ist und keine Anerkennung einer eigenständigen Republik Mazedonien wünscht. Die stärkste politische Kraft in Mazedonien ist pro bulgarisch. Der dritte Teil von Mazedonien, Pirin genannt, gehört zu Bul-

garien, ist aber relativ klein.

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und dem zweitem Balkankrieg standen die Slawomazedonier den Bulgaren nahe, sie wurden von den Türken und von den europäischen Reisenden beiläufig auch als Bulgaren bezeichnet. Aber die Befreiungskriege gegen die Osmanen, 1878-1912, sahen die Mazedonier auf Seiten der Bulgaren, und als sie zwischen den beiden Weltkriegen zum serbischen neuen Jugoslawien kamen, was nur unter Zwang geschah, wurden sie Südserben genannt, sodaß die bulgarische Armee auf der Seite Hitlers im jugoslawischen Mazedonien einmarschierte und von der Mehrheit dort wohl als Befreier begrüßt wurde.

Griechisches Geheimdokument

1989 wurden alle politischen Akten in Griechenland vernichtet, mit Ausnahme derer, die sich mit den sozialen, kulturellen und ethnischen Minderheiten befassen. Es wurde nunmehr ein Geheimdokument bekannt, das sich der mit angeblichen Republik Skopje als Teil Griechenlands befaßt, mit dem Titel „Griechische Demokratie". Dieses Dokument stammt vom griechischen Staatssicherheitsdienst, Abteilung B/Amt 2, und daraus geht hervor, daß den grä-zisierten Mazedoniern vor allem der Vorwurf gemacht wird, daß sie sich

nach dem zweiten Weltkrieg der kommunistischen Partei anschlössen, die dann im Bürgerkrieg unterlag. Einige dieser aus Nordgriechenland stammenden Kommunisten haben heute in Polen eine zweite Heimat gefunden.

Die Regierung in Bulgarien ist nach wie vor gegenüber den Mazedoniern in Bulgarien sehr zurückhaltend, weil sie angeblich die Sicherheit des Staates bedrohen und die Mitglieder eine falsche Geschichtsauffassung hätten. Von Bulgarien wird aber den Mazedoniern territoriale Autonomie angeboten, aber ob das Angebot real zu sehen ist, ist eine andere Frage.

Das Mazedonierproblem wurde noch komplizierter durch den Zerfall Jugoslawiens, durch Ansiedlung griechischer Flüchtlinge und Vertriebener aus Kleinasien ausgerechnet im Siedlungsgebiet in Nordgriechenland, wo die Slawomazedonier ihren Wohnsitz hatten, die großteils enteignet wurden, um den aus der Türkei geflüchteten Griechen die entsprechenden Ländereien zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Komplikation ergibt sich dadurch, daß im mazedonischen Siedlungsgebiet auch andere Minderheiten ihren Wohnsitz haben und wiederum von den Mazedoniern diskriminiert werden, vor allem die Aromunen, ein Volk, das vom Untergang bedroht ist, und die Pomaken.

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