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Wer fürchtet sich vorm Engelwerk?

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Während Rom das Thema „Opus Angelorum" auf die lange Bank schiebt, mehren sich die Anzeichen dafür, daß die fragwürdigen Theorien dieses „Engelwerkes" in der Praxis höchst gefährliche Auswirkungen haben.

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Während Rom das Thema „Opus Angelorum" auf die lange Bank schiebt, mehren sich die Anzeichen dafür, daß die fragwürdigen Theorien dieses „Engelwerkes" in der Praxis höchst gefährliche Auswirkungen haben.

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Für Menschen in einer psychischen Krise (und gerade an solche macht sich das Engel werk gerne heran) kann die Konfrontation mit der Engel- und Dämonenlehre des Opus Angelorum offensichtlich sehr schlimme Folgen haben. Das ist keine neue Erkenntnis, und deutsche und österreichische Bischöfe haben das Engel werk schon wiederholt aufgefordert, zu seinen „Offenbarungen" (die bis zur Dämonisierung bestimmter Personengruppen und gewisser Tiere reichen) auf Distanz zu gehen. Aber solange die Glaubenskongregation in Rom schweigt, machen das Engelwerk und der Engelwerk-Orden der „Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz" offenbar ungehemmt weiter.

21 „geschädigte" Familien

Dabei sollte der Fall der 26jährigen Elisabeth H., die von 27. August bis 3. September abgängig war, ernsthaft zu denken geben. Sie hatte mit ihrer Freundin an einer religiösen „Bergwoche" in Tirol teilgenommen, dort Einzelgespräche mit einem Engelwerk-Pater geführt und plötzlich aufgehört, ihre Medikamente (Antidepressiva) zu nehmen. Nach Abschluß dieser Woche drehte sie bei einem Besuch in der Engel werk-Klosterburg St. Petersberg durch, warf ihre Auto-schlüssel weg und lief in panischer Angst davon. Einen Tag später tauchte sie wieder auf, wurde vom Sprengelarzt für gesund erklärt und von der Gendarmerie mit ihrem Gepäck zum Bahnhof gebracht, um heim zu ihren Verwandten zu fahren.

Doch dort kam sie nie an, eine große Suchaktion wurde gestartet, und erst genau eine Woche später, am 3. September, wurde sie gefunden: abgemagert, erschöpft, verstört. Sie hatte sich eine Woche in der Gegend versteckt gehalten, ihre Papiere und Sparbücher in winzige Stücke zerrissen und vergraben. Warum? Aus Angst vor dem Engelwerk, dessen Verbündete sie überall zu sehen glaubte; niemand sollte ihr oder ihrer Familie auf die Spur kommen. Die genaue Ursache dieser Angst liegt noch im Dunkel, das Engelwerk schweigt. War es nur das Absetzen der Medikamente, oder kam ein Schockerlebnis dazu?

Ein bedauerlicher Einzelfall scheint es nicht zu sein, denn es gibt eine Initiative von 21 „Engelwerk geschädigten" Familien. Kontaktperson ist die Münchnerin Marianne Poppenwimmer. Sie weiß von mehreren jungen Leuten zu berichten, die nach Erfahrungen mit der sektiererischen Gruppe „psychisch kaputt" sind, und von Ehen, die durch das übergroße Engelwerk-Engagement eines Ehepartners zerbrochen sind.

Das Engelwerk hat sich in solchen Fällen oft schlecht informiert gegeben oder doppelzüngig geäußert. Schon in den siebziger Jahren ist einem Mitarbeiter der Tiroler Zeitung „Blickpunkt" aufgefallen, daß in St. Petersberg rund zehn junge Mädchen lebten, die beim Auftauchen von Fremden sofort in der Burg verschwanden, während der damalige Engelwerk-Leiter auf Anfrage behauptete, es gebe gar keine jungen Mädchen dort.

Den mysteriösen Tod der jungen Südamerikanerin Annemarie Lagos vor etwa 20 Jahren - sie verschwand nach einer Selbstmorddrohung gegenüber der Engel werk-„Mutter" Gabriele Bitterlich aus der Burg, ihre Leiche wurde neben einer Giftphiole in einem Bach gefunden, die Gendarmerie stellte Selbstmord fest - nannten noch im April 1990 im „Club 2" Engelwerk-Vertreter einen „Unfall". Da war das Engelwerk in einem „Blickpunkt-Interview 1974 ein bißchen ehrlicher: „Eine junge nervenkranke Südamerikanerin, welche mit unserer Gemeinschaft selbst nichts zu tun hatte, nahm sich in den Waldungen oberhalb Petersberg das Leben."

Daß das Engelwerk mit solchen tragischen Fällen ,nichts zu tun" haben will, ist verständlich. Weniger verständlich ist, warum der Vatikan -trotz mehrfachen Urgierens, zuletzt wieder aus Innsbruck - sich nicht zu der Erklärung aufraffen kann, daß die katholische Kirche mit den Angstmachern des Engelwerks nichts zu tun haben will.

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