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Wer glaubt, ist „abnorm”

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Die vagen Hoffnungen auf verbesserte Beziehungen zwischen Kirche und Staat in der CSSR sind erneut zerronnen. Das belegen einige, zum Teil dramatische, Vorgänge in unserem Nachbarland.

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Die vagen Hoffnungen auf verbesserte Beziehungen zwischen Kirche und Staat in der CSSR sind erneut zerronnen. Das belegen einige, zum Teil dramatische, Vorgänge in unserem Nachbarland.

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Die Geheimpolizei erschien am Arbeitsplatz und in den Wohnungen der bekennenden Katholiken: Fünf wurden in Prag festgenommen, zwei in Preßburg. Die Hausdurchsuchung und die Verhöre „rechtfertigten” das Vorgehen der Behörden — es wurden Vervielfältigungsmaschinen, Matrizen, Papier und religiöse Literatur sowie eine bestimmte Summe an ausländischen Devisen gefunden.

Damit hatten sich die Gläubigen, von denen vier freigelassen wurden, drei noch festgehalten werden, eines „schweren Verbrechens” für schuldig gemacht: Der Verbreitung und des Besitzes religiöser Literatur.

Dabei hatte Staats- und Parteichef Husak in einem Briefwechsel zum Neujahr an den Prager Kardinal Tomaäek wörtlich folgendes versprochen: „In Ubereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen des Landes werden wir auch weiterhin die Freiheit der Religion und des religiösen Bekenntnisses garantieren.”

Und in der Praxis sah das dann so aus:

O InLipovnikwurdediereligiöse Literatur des Pfarrers Metej Ne-meth konfisziert, er selbst der „Vorbereitung zur Aufwiegelung” beschuldigt.

# In Liberec (Reichenberg) wurden drei Gläubige in Untersuchungshaft genommen, weü sie sich der „Staatsaufsicht über religiöse Gemeinschaften” durch geheime Mitgliedschaft im Franziskaner-Orden entzogen hatten.

# In Preßburg wurden die drei jungen Katholiken Bronislav Bo-rovsky, Tomasz Konc und Aloizij Gabaj zu unbedingten Freiheitsstrafen bis zu eineinhalb Jahren verurteilt. Sie hatten versucht,

Devotionalien, religiöse Bücher und Tonbandkassetten mit Messen und meditativen Texten über die polnisch-tschechische Grenze zu bringen.

• Der21jährigeKatholikJanPu-kalik aus der südmährischen Ortschaft Lazansky bei Brünn hatte aus religiöser Uberzeugung Unterschriften gegen die Aufstellung neuer sowjetischer Atom-Kurzstreckenraketen gesammelt. Er wurde von einem Bezirkssenat für „geistig abnorm” erklärt.

• Pater Josef Kajnek aus Aussig an der Orl (Ostböhmen) wurde mit Berufsverbot belegt, weil er vor Kindern einen Dia-Vortrag religiösen Inhalts gehalten hatte.

• Die größte Groteske ereignete sich jedoch rund um die Feiern zum 1100. Todestag des Slawenapostels, des heiligen Method. Kardinal Tomasek protestierte beim Leiter des staatlichen Kirchenamtes, Vladimir Janku, und beim theoretischen KP-Organ „Tribuna”. Ja, er richtete sogar ein Schreiben an Staatspräsident Husak. Der Prager Oberhirte protestierte gegen die Instruktion, die an Behörden und Parteiorgane geheim ergangen war und die zum „Kampf” gegen die kirchlichen Method-Feiern aufrief. Tomasek wörtlich: „Es wurde Alarm geschlagen, als wäre die Republik bedroht.”

Und er stellte fest: „Alle bisherigen kirchlichen Initiativen und Feierlichkeiten haben und werden niemals die Einheit und Sicherheit unserer Republik bedrohen. Deshalb sind auch die Sicherheitsmaßnahmen, wie sie die Instruktion verlangt, völlig unbegründet. Das Programm der Feierlichkeiten hat einen rein geistlichen und religiösen Charakter.”

Daß die Method-Feiern in Ve-lehrad Mitte April zu einem großen und würdigen kirchlichen Fest wurden, zu dem Zehntausende CSSR-Katholiken strömten, daß dabei in einer Botschaft des Papstes den Gläubigen zugerufen wurde, sie mögen „trotz vieler Widrigkeiten” so wie der heilige Method „niemals den Mut verlieren” — das alles war für die CSSR-Kom-munisten nur „ideologischer Terrorismus”.

Anders als in Bulgarien

Die CSSR weist sich damit erneut als eines der ideologisch am meisten verkrusteten Regime in Osteuropa, im „sozialistischen” Lager, aus.

In Bulgarien z. B. fanden die Method-Feiern unter der Patro-nanz von Staats- und Parteichef Todor Schiwkoff statt, und in der bulgarischen Presse wurde der Heilige gar zum „Vorkämpfer gegen Faschismus und Kapitalismus” hochstilisiert. In der CSSR rüttelten die Gebeine des Toten angeblich an den „Grundfesten des Sozialismus”.

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