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Wer hat Angst vor Mogens Glistrup?

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Österreicher und Deutsche blickten, so stellten zumindest die Meinungsforscher fest, bei Jahresbeginn, trotz des Stirnrunzelns der Wirtschaftsfachleute, hoffnungsfroh in die Zukunft. In Dänemark sieht die Bevölkerung der Entwicklung vielleicht realistischer, jedenfalls aber pessimistischer entgegen. Die Dänen erwarten, daß sich ihre Lage verschlechtert.

Ihren persönlichen Lebensstandard haben Dänemarks Einwohner dabei aus ihrer Zukunftsangst ausgeklammert. Nur 21 Prozent glauben, nach den Resultaten einer Gallup-Umfrage, an eine Senkung des Lebensstandards, 15 ProZöfit an eine Verbesserung, während 58 Prozent in diesem Bereich mit keiner Änderung rechnen. Und das bedeutet in Dänemark, wo es Schwarz-Weiß-Fernsehgeräte nur mehr in Spezialgeschäften zu kaufen gibt, nicht gerade das Nagen am Hungertuch.

Aber die allgemeinen Voraussagen sind nicht eben von Optimismus geprägt. 65 Prozent erwarten stärkere Preissteigerungen als 1976, nur 14 Prozent glauben daran, daß der Preisauftrieb gebremst werden kann. 54 Prozent rechnen damit, daß Dänemarks Hauptproblem, die Arbeitslosigkeit, sich 1977 noch drückender bemerkbar machen werde. Noch im Vorjahr hatten nach ersten Erfolgen an der Beschäftigungsfront nur 38 Prozent die gleiche Frage mit Ja beantwortet. Doch im Dezember war die Arbeitslosenzahl wieder auf eine Rekordmarke geklettert.

Auch die zahlreichen Streiks des Vorjahres haben sich in den Umfrageergebnissen niedergeschlagen. 69 Prozent, also mehr als zwei Drittel der Befragten, erwarten für das neue Jahr, in dem Lohnverhandlungen in fast allen Branchen nach einem kurzfristigen Lohn-, Preis-, Mietstopp anstehen, Streiks und vermehrte Unruhe an den Arbeitsplätzen. Kommunisten und Linkssozialisten haben bereits ihren Beitrag dazu geleistet, daß sich diese Prognosen bestätigen könnten. Sie haben das „Programm 35“ als Verhandlungsziel ausgegeben: Der Mindeststundenlohn soll demnach in Zukunft 35 Kronen (das sind 102 Schilling) betragen, die wöchentliche Arbeitszeit soll mit 35 Stunden limitiert werden.

Nur 15 Prozent der Dänen sind schließlich der Überzeugung, daß sich die ökonomische Situation ihres Landes 1977 verbessern werde, 58 Prozent erwarten eine Verschlechterung. Auch dies ist eine gewaltige Vertrauenseinbuße gegenüber dem Vorjahr. Damals hatten immerhin 29 Prozent an eine Verbesserung, 40 Prozent an eine Verschlechterung geglaubt. Gleichzeitig mit den Umfrageergebnissen wurden in Kopenhagen die aktuellen Zahlen der dänischen Zahlungsbilanz veröffentlicht. Die Auslandsverschuldung beträgt gegenwär tig 37,5 Milliarden Kronen und ist damit schon fast so hoch wie die gesamten Aktiva, die diese Bilanz dem Ausland gegenüber aufweist: Aktiva von 41 Milliarden stehen Passiva von 78,5 Milliarden Kronen gegenüber.

Der Pessimismus der Dänen, der ganz im Gegensatz zu den Wünschen der Politiker steht („Was wir jetzt brauchen, ist ein gewisser Optimismus im Hinblick auf die Überwindung der Probleme“ - so Jens Möller von der Christlichen Volkspartei), ist wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, daß niemand ein Programm anzubie- ten Ijąt, das., einen Ausweg verheißt Die Aufspürung der politischen Landschaft auf zehn FolketingsParteien verhindert jede zukunftsorientierte Planung. Die Sozialdemokraten, die nicht ganz ein Drittel der Bevölkerung hinter sich versammeln, haben mit drei kleinen bürgerlichen Fraktionen eine „Aktionsgemeinschaft“ gebildet, die jedoch über keine Mehrheit verfügt. So müssen von Abstimmung zu Abstimmung neue Kombattanten „eingekauft" werden, was einerseits den Einfluß der Minifraktionen über Gebühr vergrößert - sechs der zehn Parteien haben weniger als zehn Mandate -, anderseits dazu führt, daß wichtige Probleme nicht behandelt, sondern aufgeschoben werden. Im Schnitt zweimal pro Monat, so haben Kommentatoren errechnet, droht die Zusammenarbeit in Brüche zu gehen. Doch weil jede Partei, die Wirtschaft und auch die Bevölkerung Neuwahlen fürchten, wird doch jedesmal „weitergewurstelt“.

Die mandatsmäßig größte bürgerliche Partei, die liberal-bäuerliche „Venstre“, hält sich abseits, weil sie keine Mitverantwortung am Polit-De- bakel tragen will. Sie könnte zusammen mit den Sozialdemokraten eine solide Mehrheit stellen; die einzige derzeit denkbare Mehrheit. Denn die Linke allein ist nicht stark genug; die bürgerlichen Parteien wiederum müßten eine Mehrheitsfindung mit dem Preis der Teilnahme des Steuerrebellen und Politclowns Mogens Glistrup allzu teuer bezahlen. Glistrup, der seine „Fortschrittspartei“ als einzige Alternative zur traditionellen Politik sieht, scheint’weder durch ein Verfahren wegen Steuerbetrugs noch durch Zwiste in der eigenen Partei zu bremsen zu sein. Jüngste Umfrageergebnisse weisen seine Partei als zweitstärkste des Landes aus, sie hat bereits die „Venstre“ überholt, die bei der letzten Wahl um zehn Prozent der Wählerstimmen vor der Fortschrittspartei lag. Mogens Glistrup scheint jene Früchte zu ernten, die Poul Härtling seiner „Venstre“ sichern wollte, als er keusche Zurückhaltung vor jeglicher Unterstützung der Regierung zum Programm erhob.

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