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Wer ist der 15. Kardinal?

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Am 30. Juni wird Papst Johannes Paul II. in einem Konsistorium seine ersten Kardinäle kreieren. 14 Namen wurden am 26. Mai im Vatikan bekanntgegeben. Sechs sind Italiener, zwei stammen aus Polen und je einer aus Vietnam, Mexiko, Japan, Frankreich, Irland und Kanada. Neun von ihnen sind residierende Bischöfe: die meisten von ihnen zudem auch Vorsitzende regionaler Bischofskonferenzen. Einer wurde nur „in pectore“ ernannt, sein Name wird vorerst nicht bekanntgegeben werden.

Uberblickt man die Liste dieser künftigen Kardinäle, dann entdeckt man keinen Namen, der Überraschungen auslöst. Alle hatten mit der Kardinalswürde rechnen können, sei es wegen ihrer Ämter, wie Erzbischof Casaroli als (pro-)Staatssekretär und Erzbischof Caprio als (Pro-)Präfekt der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls, sei es wegen ihrer Bischofssitze, die gewöhnlich mit der Kardinalswürde verbunden sind, wie Venedig, Mexiko, Turin, Armaghu und Krakau, oder sei es weil bestimmte Länder eine Kardinalsernennung erwarten durften wie Japan, Vietnam und Frankreich.

Daß die Wahl in Frankreich auf Roger Etchegaray fiel, lag nahe. Echega-ray ist nicht nur Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz, sondern auch einer der profiliertesten Persönlichkeiten im französischen Episkopat. Seine nicht ganz konfliktfreie Beziehung zum Vatikan scheint der Grund zu sein, weswegen er nicht schon unter Paul VI. Kardinal wurde. Auch Erzbischof Egano Righi Lambertini, hatte als Nuntius von Paris mit seiner Abberufung die Kardinalswürde erwarten können, da dies in den „großen Nuntiaturen“ Tradition ist.

Ebenfalls Tradition ist, daß der Sekretär des Konklave - es ist in der Regel der Sekretär der Kongregation für die Bischöfe - im ersten Konsistorium des neuen Papstes die Kardinalswürde erlangt. Deshalb scheint der Name vpn Erzbischof Ernesto Ci-vardi auf der Liste auf. Selbst die Verleihung der Kardinalswürde an den 62jährigen polnischen Bischof Wla-dislaw Rubin enthält nichts Uberraschendes. Rubin ist nicht nur Weihbischof von Kardinal Stefan Wys-zynski, sondern vor allem Generalsekretär der römischen Bischofssynode. Ihm hatte man schon seit Jahren eine große Karriere vorausgesagt.

Doch warum fiel die Wahl der neuen Kardinäle so wenig überraschend aus? Warum finden wir unter ihnen keine Ordensleute? Warum nicht markante Persönlichkeiten, die eine besondere Auszeichnung verdienten? Gerade von einem Papst, der sich so unkonventionell gibt, hätte man sich Überraschungen erwarten können.

Die Antwort ist in der apostolischen Konstitution Papst Pauls VI. von 1975 zu suchen. In ihr wird der Wunsch (nicht ein den Papst bindendes Gesetz) ausgesprochen, daß die Höchstzahl der wahlberechtigten Kardinäle nicht mehr als 120 betragen solle. Da die beiden letzten Konsistorien nicht weit zurückliegen (1976 und 1977), war für eine größere Zahl von neuen Kardinälen kein Platz: Derzeit hat das Kardinalskolle-gium 121 Mitglieder, von denen 107 das 80. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, also wahlberechtigt sind. Die Wahl von 14 neuen wahlberechtigten Kardinälen wird nur dadurch möglich, daß genau am 30. Juni, dem Tag des Konsistoriums, der apostolische Administrator von Prag, Kardinal Frantisek Tomäsek aus Altersgründen aus dem Wählerkollegium ausscheiden wird. Diese Beobachtung legt nahe, daß der „in pectore“ zu kreierende Kardinal das 80. Lebensjahr bereits überschritten hat.

Das alles hat zur Folge, daß die Liste der künftigen Kardinäle wenig Aufschluß über Neubesetzungen und Kongregationen, also von vatikanischen Ministerien, gibt. Wegen der Erreichung der Altersgrenze von 75 Jahren kündigt sich ein Wechsel in den Kongregationen für die Glaubenslehre, für die Heiligsprechungen und für das katholische Bildungswesen an. Sieht man die Liste der neuen Kardinäle auf Alter und Amt durch, scheint nur der polnische Bischof Wladislaw Rubin als Präfekt einer Kongregation in Frage zu kommen. Anderseits ist es auch nicht gerade ungewöhnlich, daß Erzbischöfe ohne Kardinalswürde an die Spitze solcher Kongregationen berufen werden. Sie erhalten dann den Titel „Pro-Prä-fekt“.

Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf das Kardinalskollegium selbst. Das Kirchenrecht definiert es als „Senat“ des Papstes. Die Kardinäle haben also nicht nur die Aufgabe, im Todesfall eines Papstes einen rechtmäßigen Nachfolger zu wählen, sondern auch dem Papst als erstrangige Berater und Mitarbeiter in der Leitung der Kirche zur Seite zu stehen. Zur Zeit Sixtus IV. (1471-1484) zählte das Kollegium nur 30 Mitglieder, unter Gregor XIII. (1572-1585) 76 und unter Pius VIII. (1800-1823) 98.

Paul-VI. wünschte in seiner apostolischen Konstitution „romano ponti-fici elegendo“ (1975), daß die Höchstzahl von 120 wahlberechtigten Kardinälen nicht überschritten werde, womit er erstmals in der Kirchengeschichte im Kollegium eine Trennung von Wahlberechtigten und Nicht-Wahlberechtigten einführte.

Gegenwärtig zählt das Kardinalskollegium 121 Mitglieder, von denen 107 wahlberechtigt sind. Unter Paul VI. wurden vor allem residierende Bischöfe aus allen Teilen der Welt zu Kardinälen ernannt. Das Konsistorium vom 30. Juni dokumentiert die Fortsetzung dieser Politik unter Johannes Paul II.

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