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Wer küßt die ÖIAG wach ?

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„Die ÖIAG hat in ihrem Bauchladen eine Reihe kleiner Dornröschen, die sich von geeigneten Prinzen herrlich wachküssen lassen“, sagte einmal Klaus Woltron, damals noch Chef der S immering Graz-Pauker AG. Wach sind derzeit nur die beiden Großparteien, die vehement um die Besetzung der Prinzenrolle kämpfen. Soll das ein Großkonzern in Händen des Staates sein, wie die SPÖ das verlangt? Sollen es private Aktionäre sein, wie die ÖVP fordert? Wie soll aus dem „Faß ohne Boden“ verstaatlichte Industrie endgültig das werden, woran ÖIAG-Chef Hugo Michael Sekyra nicht zuletzt dank eines wolkenlosen Konjunkturhimmels so eisern und mit Erfolg bastelt: ein moderner, leistungsfähiger Industriebetrieb.Dazu hat er den Moloch Verstaatlichte in kleine überschaubare Einheiten auseinanderdividiert und in sieben Branchenholdings zusammengefaßt: Bergbauholding AG, Austria Metall AG, Elektrotechnik und Elektronik Industrieholding AG, Voest-Alpine Stahl AG, österreichische Maschinen- und Anlagenbau AG, Chemie Holding AG und die österreichische Mineralölverwaltung AG (ÖMV).

Jetzt tobt ein wilder Streit über den zukünftigen Weg der Verstaatlichten. Die SPÖ will keine Privatisierung bei den Branchenholdings, um sich Entscheidungsspielräume offen zu halten. Wenn Privatisierung, dann nur bei den Gesellschaften darunter. Und in der ÖMV-Holding, wo es „leider schon passiert“ ist, will Rudolf Streicher nicht über 25 Prozent gehen. Die ÖVP hingegen pocht auf eine weitere ÜMV-Veräußerung. Mindestens bis zu 49 Prozent; auch die anderen Branchenholdings sollen kein Tabu sein.

Befürchtet nun die ÖVP zu Recht, daß die SPÖ die gute Entwicklung bei der Sanierung benutzt, um den „Wasserkopf ÖIAG“ (Josef Riegler) zu stärken, um sich Macht und Einfluß in einer Säule sozialistischer Wirtschaftspolitik zu erhalten? Und ist es tatsächlich so, daß „Überfremdung“ (Franz Vranitzky) droht, weil sich ausländische Kauf er auf lukrative Branchenholdings stürzen würden? (Sekyra: „...dann kann irgendeine große Stahlfirma kommen, wie etwa Thyssen, und 26 Prozent der Stahlholding erwerben“.)

Die Argumente klingen plausibel. Trotzdem geht e“B hier eigentlich nur um einen Dogmenstreit. Denn niemand kann ausschließen, daß nach gelungener Sanierung die SPÖ die Verstaatlichte wieder in altbekannter Manier für soziale Experimente einsetzt und jetzt nur eine Oberwinterungsstrategie verfolgt (trotz des Cap-Bekenntnisses, Seite 5). Da genügt ein Blick ins Ausland. Die Arbeiterkammer hat kürzlich die ÖIAG mit der staatlichen italienischen IRI-Gruppe (Istituto per la Ricostruzione industriale) vergleichen lassen. Diese zählt zu den größten Konzernen der Welt (Umsatz 1987:535MmiardenSchilling). Auch dieser Gigant schlitterte in die Krise, er war Spielball der Politik, wurde als Auffangbecken für marode Betriebe und für Arbeitsplätzebenutzt. 2 5 Milliarden Schilling Verlust erschreckten allein 1982 die Italiener. Danach wurde rigoros saniert, abgespeckt, die Branchen zusammengefaßt, vieles (teil-)priva-tisiert. Jetzt allerdings, wo der Konzern wieder Gewinne macht, ist er erneut Ziel begehrlicher Politikeraugen. Verlangt wird eine Besinnung auf die ursprünglichen, sozialen und gemeinwirtschaftlichen Aufgaben (Gegensteuerung der reinen Profitorientierung beispielsweise durch vorbildliche soziale Maßnahmen, die auch andere Unternehmen nachvollziehen müssen.)

Ahnliches könnte in Österreich passieren, wenn die Dogmatiker in der SPÖ wieder Oberhand gewinnen oder sich die Machtverhältnisse beispielsweise zugunsten einer rotgrünen Koalition verschieben. Immerhin haben auch die Grünen die Haltung der ÖVP kritisiert.:.

Ob wirklich auch der Ausverkauf der heimischen Industrie bei weiteren Privatisierungen droht, wie das so oft jetzt beschworen wird? Nicht unbedingt. Auch andere europäische Länder schützen sich wirksam gegen unliebsame Aufkäufe. Die Industrieexperten der Bun-deswirtschafts- und der Arbeiterkammer haben das in Untersuchungen durch einen Bück über die Grenzen auch nachgewiesen. Auch der schwedische sozialdemokratische Abgeordnete Lennart Peters-son bekräftigte: „Wenn Volvo BMW kaufen will, so ist das Volvos Angelegenheit. Es wird jedoch nie zugelassen, daß BMW Volvo kauft Die zehn bis 15 größten schwedischen Firmen werden für ausländische Kauf er nicht zugänglich sein!“ Fressen, aber nicht gefressen werden.

Solche Barrieren gegen ausländische Kaufwut hat Schweden in Form von besonderen Aktienstrukturen oder gesetzüchen Schranken wie eine staatliche Genehmigungspflicht. Diese ist an Bedingungen geknüpft Zum Beispiel an die Beibehaltung der bisherigen Lieferanten und des Beschäftigtenstandes, Modernisierung und Investitionen in Anlagen sowie die Errichtung der Konzernleitung in Schweden (so war denn auch die Fusion ASEABrown-Boveri mit neuem Sitz in Zürich ein „einmaliges Ereignis“).

Auch die Schweiz wehrt sich in Form van Sicherheitsklauseln im nationalen Aktienrecht. Die ander Börse von Amsterdam notierten Gesellschaften wiederum haben Schutzkonstruktionen geschaffen, die Aufkäufe verhindern sollen.

Österreich kann sich also entsprechende Strategien aussuchen. Aber möglichst sehne IL Denn auch das österreichische Eisen muß man schmieden, solange es heiß ist

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