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Wer nicht feiert, kann nicht leben"

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Als lebenswichtig sollte die Bedeutung der Fähigkeit, Feste zu feiern, bewußtgemacht werden: Es geht nicht darum, das Leben zu behübschen und zu verschönern, sondern es geht um das Glück und Gelingen des Lebens. Von der Fähigkeit, Feste zu feiern, hängt das Befinden des Menschen ab. Viele Menschen verstehen es heute nicht mehr, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Das kommt weniger davon, daß sie unfähig wären zur Arbeit, sondern daß sie unfähig sind zum Fest.

Was ist ein Fest? Ein Fest ist eine Form der Muße. Das Wort „Muße" kommt in unserem Sprachgebrauch kaum mehr vor. Aus der Muße ist der Müßiggang geworden, und der ist bekanntlich aller Laster Anfang.

Muße ist nicht Müßiggang, ist nicht Untätigkeit, sondern hoch ste Aktivität. Muße ist Aktivität der Zustimmung, der Bejahung, des Einverständnisses. Wenn mehrere diese Zustimmung gemeinsam vollziehen, ist es ein Fest. Es ist die Bejahung der erlebten Stunde.

Das Fest bewahrt Vergangenes auf und macht es zur festlichen Gegenwart. Wir feiern ein Fest zum Geburtstag, zur Silbernen Hochzeit, wir feiern die glückliche Rückkehr eines Freundes. Das Fest läßt uns aber auch Unangenehmes aus der Vergangenheit vergessen oder in einem anderen Licht sehen. Es hilft über die vielen kleinen Ärgerlichkeiten hinweg, die wir täglich erleben mit uns selbst und mit anderen.

Das Fest nimmt die Zukunft vorweg. Wir feiern den Frühlingsbeginn oder das neue Jahr. Wir feiern Einstand in eine neue Wohnung, in einen neuen Betrieb. Wer feiert, ist nicht nur mit der Gegenwart und Vergangenheit ausgesöhnt; er nimmt auch seine Zukunft an.

Das Fest führt Menschen zueinander, die gemeinsam dem Leben zustimmen. Sie lächeln sich zu, sie prosten sich zu, Freundschaften werden geschlossen, Du-Worte werden ausgetauscht. Mancher reicht dem anderen die Hand zur Versöhnung, oder er braucht es gar nicht mehr zu tun.

Wir meinen hier jede Form von Fest, wenngleich der Akzent bald auf diesem, bald auf jenem Element des Festes liegt. Wir meinen die Geburtstagsfeier, wir meinen einen Kinderball, wir meinen den Faschingstanz und den Opernball, das Fest zu Ehren eines Verstorbenen, einen Empfang beim Landeshauptmann und eine Kinderjause.

Wir meinen aber auch die Feste unserer Kirche, die Sakramente. Auch für sie gilt, und für sie in besonderem Maß, was wir über jedes Fest gesagt haben: Es ist Bejahung des Daseins, Verarbeitung der Vergangenheit, Eröffnung einer neuen Zukunft und Begegnung der Menschen untereinander. Alle diese Feste helfen und heilen.

Die Tauffeier enthält eine ergreifende Zeremonie: Der Priester berührt mit der Hand die Ohren und den Mund des Täuflings und spricht dazu: „Wie der Herr dem Taubstummen die Ohren und den Mund geöffnet hat, öffne er auch dir Ohren und Mund."

Das Christentum fängt so an, wie Christus mit den Menschen angefangen hat. Er ging mit seinen Freunden zuerst auf ein Fest, auf eine Hochzeit. Deshalb mußte er sie befähigen zum Fest. Er tat dies, indem er die kranken Sinne der Menschen heilte. Er hat ihnen die Sinne geöffnet und geheilt und eingeübt, denn nur mit wachen Sinnen und mit allen Sinnen kann man ein Fest feiern.

Welches sind nun diese Fähigkeiten?

• Viele Menschen haben gute Augen, aber sie sehen nicht gut. Manche gehen jahrelang an herrlichen Gebäuden vorbei, aber sie haben nie ein Haus als ganzes in den Blick genommen. Sie haben keinen Blick für die Landschaft, für Bäume und Blumen. Sie haben keinen Blick für Menschen. Sie merken nicht, wenn einer traurig und bedrückt ist, wenn jemand sich mit Mühe beherrscht. Sie haben keinen Blick für eine Atmosphäre.

# Die meisten Menschen können hören, aber viele können nicht zuhören. Können Sie Musik anhören, nicht nur als Geräuschkulisse belassen? Können Sie zuhören, wenn jemand etwas erzählt, ohne ihm ständig ins Wort zu fallen? Können Sie hellhörig sein, Andeutungen wahrnehmen, eine ungeschickte Ausdrucksweise zurecht hören und heraushören, was ein anderer wirklich meint und sagen will?

# Man weiß von einem Menschen schon recht viel, wenn man sieht, wie er geht, wie er die Hände bewegt, wie er Platz nimmt oder aufsteht. Sind die Gebärden lok-ker und natürlich oder sind sie zwanghaft und eckig? Manche können nicht normal Spazierengehen. Wie soll einer Freude am Tanzen haben, wenn er nur gelernt hat, Zweckwege zurückzulegen und mit den Händen und dem ganzen Körper nur Zweckbewegungen auszuführen?

• Es gibt kein Fest ohne Essen und Trinken; also muß man das Essen und Trinken gelernt haben. Viele können sich nur ernähren, sie nehmen sich nicht einmal Zeit zum Essen, sie warten nicht aufeinander, sie führen kein Tischgespräch. Sie merken nicht, wie liebevoll das Essen zubereitet und angerichtet wurde. Eine Gewissensfrage: Wie essen Sie, wenn Sie ganz allein sind? Wer nicht in seiner Familie und schon im Kindergarten gelernt hat, welche Freude es ist, miteinander Mahl zu halten, der ist auch unfähig zum heiligen Abendmahl der Eucharistie.

• Es gibt kein Fest, bei dem man nicht miteinander spricht. Also muß man es gelernt haben, miteinander zu reden. Zum Fest gehört das größte Wunder unserer Sprache, das Gespräch, bei dem es nicht so sehr auf den Inhalt ankommt, sondern auf die Nähe, die man einander schenkt. Ein Gespräch braucht kein Ergebnis. Es kann offenbleiben. Es braucht keinen tiefen Gegenstand. Es kann einfach schön sein, mit einem anderen zu reden, auch über recht belanglose Dinge. Menschen, mit denen man ein Gespräch führen kann, sind eine Wohltat.

# Ein Fest ist ein großes Spiel. Ein Spiel hat keinen Zweck wie die Arbeit, aber es hat einen Sinn. Wie soll einer fähig sein zum großen Spiel des Festes, wenn er die kleinen Spiele nicht kann? Hier müssen wir von den Kindern lernen. Man kann sich fragen, ob man wenigstens die Geduld hat, beim Spiel zuzuschauen. Manche macht das Spiel geradezu nervös; es erscheint ihnen sinnlos. Sie kommen sich viel zu erhaben vor. um ihre Zeit an ein Spiel zu verschwenden.

• Ein Fest ist ein Zusammensein mit anderen Menschen. Wie soll es aber einer bei anderen aushalten, wenn er es bei sich selbst nicht aushält? Viele halten es bei sich selbst nicht aus; sie fliehen zu irgendeiner Tätigkeit oder zu Menschen. Wer für andere eine festliche Freude sein will, der muß erst einmal Freude an sich selber haben.

• Manche Menschen tun sich schwer, in Gelassenheit und Ruhe beieinander zu sein. Sie erwarten sich von jedem Beisammensein eine tiefe Begegnung und ein großes Erlebnis. Das überfordert jede Zusammenkunft. Man fühlt sich aber in der Gemeinschaft von Menschen nur wohl, wenn man Geduld hat, ihre Eigenarten erträgt und in Ruhe warten kann, bis sich ein Geplauder zum Gespräch verdichtet und ein lockeres Beisammensein zur tiefen Begegnung wird.

• Durch jedes Fest wird ein Stück Welt in Ordnung gebracht. Das kann nur gelingen, wenn jeder einzelne lernt, das Stück Welt, das ihm überlassen ist, so zu gestalten, daß es ihm selbst und anderen Freude macht.

• Interessiere ich mich überhaupt für die Welt im großen, oder habe ich mich eingesponnen in meine eigene kleine Welt? Das Fest ist eine Zustimmung zur Welt im ganzen. Wie kann einer zu dieser Zustimmung kommen, wenn er sich für die Welt nicht interessiert, wenn er nicht begreift, daß es nur diese eine Welt gibt, die unser aller Schicksal ist, und nur den einen Gott, der unser aller Vater ist?

Es geht nicht nur um das Glück des Lebens, wenn wir vom Fest reden, es geht um das Leben selbst

Der Autor ist Professor für Pa stora 1 theologie auf der Katholisch-Theologischen Hochschule Linz.

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