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Wer nimmt nuf die Familien Rucksicht?

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Von den beiden derzeit brisanten innenpolitischen Themen wie Scheidungsreform und Atomstrom überschattet, geht die Diskussion um eine Steuerreform weiter. Allerdings streiten sich die verantwortlichen Politiker um den geeigneten Zeitpunkt - die Familie aber scheint wieder einmal das Nachsehen zu haben. Denn die Forderungen von vielen Seiten nach einer stärker familienpolitischen Lohnsteueranpassung haben bisher keinen Widerhall gefunden. v

Daß der Finanzminister aber mit seiner familienfeindlichen Steuerpolitik vor allem die kinderreichen Familien immer mehr in eine wirtschaftliche Armut treibt, ist offensichtlich. Kinderreiche Familien - und das sind bereits jene mit drei Kindern- zählten schon immer zu den Ärmsten der Gesellschaft. Denn: Mit jeder zusätzlichen Person, die von einem Einkommen miterhalten werden muß, verringert sich selbstverständlich das pro Kopf zur Verfügung stehende Geld.

Die Regierung hatte dieser Armutsautomatik bisher nichts entgegenzusetzen. Der Ubergang zur Individual-besteuerung wurde einfach ohne ausreichende Bedachtnahme auf die familiäre Situation vollzogen.

Es kann nämlich derzeit der paradoxe, aber absolut nicht unwahrscheinliche Fall eintreten, daß ein Familienerhalter mit seinem Brutto-Einkommen, das ja als Bemessungsgrundlage für die Steuer gilt, zwar in eine höhere Einkommensschicht hineinragt, selber aber unter dem Existenzminimum, also an der Armutsgrenze leben muß. Er hat nämlich den „sträflichen“ Leichtsinn begangen, sich mehrere Kinder zu leisten, die alle von seinem Einkommen ernährt werden müssen. Das Steuerrecht nimmt aber auf derlei Belastungen keine Rücksicht.

Mit dem 2.Abgabenänderungsgesetz wurde das Einkommensteuergesetz dahingehend geändert, daß die Kinder-absetzbeträge einfach abgeschafft und die Familie praktisch aus dem Steuerrecht eliminiert wurden. Zwar wurde ;der Betrag von 4200 Schilling pro Jahr der Familienbeihilfe zugeschlagen und gleichzeitig (nach der üblichen „Loch-auf-Loch-zu-Politik“ des Finanzministers) der Familienlasten-ausgleichsfonds dazu herangezogen, die Differenz für jene zu bezahlen, die bisher vom Steuerabsetzbetrag nichts oder nur wenig bekamen. Die Familie hat in diesem Steuerrecht praktisch nur noch den Charakter einer Erinnerungsposition.

Die Kostenkomponenten einer Familie schließen aber nicht nur die laufenden und zudem ständig steigenden Kinderkosten mit ein, sondern auch den oft vergessenen Verdienstentgang der Mütter. Der lächerliche Betrag von 2400 Schilling im Jahr als Alleinver-dienerabsetzbetrag ist wahrlich ein bescheidener Ersatz für den Verdienstentgang der Frau und Mutter. Man darf nämlich die Tatsache nicht übersehen, daß in der heutigen Zeit fast immer beide Ehepartner bis zur Geburt des ersten Kindes verdienen.

Sehr ausgiebig hat sich der Katholische Familienverband Österreichs mit der steuerlichen Benachteiligung der Familien beschäftigt und ein Vorschlagspaket ausgearbeitet, dem zwei Schwerpunkte zugrunde liegen:

• Die von den Eltern abzudeckenden Kinderkosten sollen steuerfrei sein (derzeit zahlen die Eltern ja praktisch eine Kindersteuer).

• Die Mutter muß dem Gesetzgeber wenigstens das Existenzminimum wert sein.

Man ist dabei davon ausgegangen, daß bei einem niedrigen Einkommen die Kinderkosten zur Gänze von der Familienbeihilfe abgegolten werden. Mit zunehmendem Einkommen kann der Familienerhalter zwar leichter die Kinderkosten tragen, jedoch sollten diese Kosten steuerlich berücksichtigt werden, also in Form eines Steuerfreibetrages.

Der Alleinverdienerabsetzbetrag, an sich zu befürworten, hat jedoch in seiner jetzigen Form kaum wirtschaftliche Bedeutung für die Familie. Nur eine massive Erhöhung desselben bis zur Höhe des Existenzminimums, das sind 40.000 S jährlich, wäre eine echte Unterstützung und würde gleichzeitig ein Entgelt für die nichterwerbstätige Mutter darstellen. Der Mutter würde also der entgangene Verdienst in Form eines Erziehungsgeldes ausgeglichen werden.

Gespannt kann man jedenfalls auf die neue Steuerreform sein. Denn ob die Regierung die Fehler und Folgen ihrer familienfeindlichen Steuerpolitik rechtzeitig einsehen wird, bleibt abzuwarten.

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