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Wer stoppt Jörg Haider?

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Die österreichischen Großparteien, insbesondere die ÖVP, neigen gegenüber dem Bundespar-teiobmann der FPÖ zum Kaninchen-Verhalten. Sie erstarren, statt sich zu bewegen; und eben deshalb drohen sie, immer wieder das Opfer der Schlange zu werden.

Jörg Haider hat bewiesen, daß mit seinem Kurs die FPÖ von Erfolg zu Erfolg eilen kann. SPÖ und ÖVP haben bewiesen, daß sie mit einer Politik des Ausklam-

merns und Wegschauens diesen Siegeszug nicht verhindern können.

Mit wenigen Ausnahmen (dazu zählt, zumindest in Ansätzen, der Bundeskanzler) haben SPÖ und ÖVP bestimmte Themen gezielt und bewußt nicht angeschnitten:

• Das Thema der persönlichen Glaubwürdigkeit Jörg Haiders.

Immerhin ist Haider, als Ergebnis einer indirekten Arisierung, Besitzer eines Millionenvermögens. Zwar ist, selbstverständlich, Jörg Haider diese indirekte Arisierung nicht vorzuwerfen; doch vorzuhalten ist ihm, daß er ohne jede erkennbare Sensibilität für die Zusammenhänge, die ihn zum Millionär gemacht haben, seine Mülionen genießt; daß er, ungefährdet von einer Kritik der Großparteien, sich zum Ritter der Armen und Entrechteten aufwirft.

• Das Thema der internationalen Glaubwürdigkeit von Haiders Strategie.

SPÖ und ÖVP vermeiden zumeist ängstlich, offensiv darauf zu verweisen, daß der durchaus aufhaltsame Aufstieg des Jörg Haider dem Ansehen der österreichischen Demokratie Schaden zufügt. Während in Frankreich Jean-Marie Le Pen auf massive öffentliche Kritik stößt, neigen Teile der österreichischen Medien, neigen insbesondere die beiden Großparteien dazu, die rechtsradikalen Aspekte von Haiders Politik zu ignorieren - wie etwa sein anti-slowenisches Engagement, wie etwa seine Ausländerfeind-•lichkeit.

Die Motive der Großparteien, sich wie das berühmte Kaninchen zu verhalten, sind bekannt — sie haben Angst, durch die Thematisierung dieser Probleme eigene Wähler zu verschrecken.

Doch gegen die Kaninchen-Politik spricht eben, daß die ängstlichen Großparteien erst recht nicht den Zulauf zur Haider-FPÖ verhindern können.

Was die Großparteien jedoch durch eine offensive Politik der Abgrenzung und Ausgrenzung der Haider-FPÖ erreichen können ist, daß der inhaltliche Schaden des Aufstiegs des Jörg Haider begrenzt wird; daß der quantitative Gewinn der FPÖ nicht zu einer weiteren Belastung der Qualität österreichischer Demokratie wird.

Abgrenzung und Ausgrenzung der Haider-FPÖ zur Schadensbegrenzung im Interesse der österreichischen Demokratie verlangt von den Großparteien, auf denkmögliche kurzfristige, taktische Vorteile zu verzichten.

Dazu sind sie - siehe etwa das Werben um die Dürr-FPÖ des Bur genlandes—derzeit nicht oder nur ansatzweise bereit. Sich jedoch Jörg Haider als Machtzu-weiser in Reserve halten zu wollen, heißt, sich eben diesem Jörg Haider auszuliefern.

Es wäre ein wichtiger und überzeugender Beitrag der Großparteien, die bevorstehende Erinnerung an die Ereignisse des März 1938 zum Anlaß zu nehmen, klarzustellen, daß nicht jeder Jubel gut für Osterreich, daß nicht jeder Aufwärtstrend gut für die Demokratie ist; daß das Interesse Österreichs und der Demokratie immer wieder auch klare Trennstriche verlangt.

Es wäre an der Zeit, Jörg Haiders Rezepte beim Namen zu nennen. Seine Politik ist die Mischung aus grober Vereinfachung, inhaltlicher Beliebigkeit und dem Appell an rechtsradikale Instinkte.

Das auszusprechen, wäre doch die Pflicht einer Regierung, die sich die „Sanierung“ zum Ziel gesetzt hat. Und es wäre Vulgärmaterialismus, würde man Sanierung ausschließlich im Bereich des Finanziellen, des ökonomischen für notwendig erachten.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.

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