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Wer wählt, wer vertritt das Staatsoberhaupt?

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In aller Stille, fernab jedes aktuellen Anlasses wird der Nationalrat in allernächster Zeit durch gemeinsamen Antrag aller drei Parlamentsfraktionen jene Bestimmungen der Bundesverfassung novellieren, die die längerfristige Vertretung des Bundespräsidenten regeln. Während sich der Bundespräsident derzeit nur bis zu 20 Tage generell durch den Bundeskanzler vertreten lassen kann und für längere Verhinderungen keine generelle verfässungsgesetzliche Bestimmung vorliegt, sollen in Hinkunft grundsätzlich die drei Nationalratspräsidenten als Kollegialorgan die über 20 Tage hinausgehende Vertretung des Präsidenten der Republik besorgen. Gleichzeitig mit dieser Verfassungsnovelle ist aber hinter den Kulissen neuerlich die Präsidenten-Wahl ins Gerede gekommen.

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In aller Stille, fernab jedes aktuellen Anlasses wird der Nationalrat in allernächster Zeit durch gemeinsamen Antrag aller drei Parlamentsfraktionen jene Bestimmungen der Bundesverfassung novellieren, die die längerfristige Vertretung des Bundespräsidenten regeln. Während sich der Bundespräsident derzeit nur bis zu 20 Tage generell durch den Bundeskanzler vertreten lassen kann und für längere Verhinderungen keine generelle verfässungsgesetzliche Bestimmung vorliegt, sollen in Hinkunft grundsätzlich die drei Nationalratspräsidenten als Kollegialorgan die über 20 Tage hinausgehende Vertretung des Präsidenten der Republik besorgen. Gleichzeitig mit dieser Verfassungsnovelle ist aber hinter den Kulissen neuerlich die Präsidenten-Wahl ins Gerede gekommen.

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Innerhalb der Volkspartei hat es bereits nach dem Tod von Bundespräsident Franz Jonas Strömungen gegeben, dem Präsidentschaftskandidaten Rudolf Kirchschläger keinen Gegenkandidaten entgegenzustellen. Durch das Tauziehen um die Person des ÖVP-Kandidaten (Withalm oder Lugger) wurden derlei Wünsche nur noch ausgeprägter.

Sollte Rudolf Kirchschläger 1980 ein zweites Mal für das Amt des Bundes-Präsidenten kandidieren (es spricht nur wenig dagegen), wäre es für die ÖVP ein praktisch aussichtsloses Unterfangen, einen Kandidaten aufzustellen. Sosehr sich der derzeitige zweite Nationalratspräsident Minko- ■witsch nach Aussagen seiner Parteifreunde bereits seiner Präsidentschaftskandidatur sicher wähnt, sosehr trachten einflußreiche Kreise der ÖVP, diese Pläne zu durchkreuzen: Nicht durch Forcierung eines anderen Kandidaten, sondern durch den Vorschlag, verfassungsmäßig Vorsorge zu treffen, damit ein amtierender Präsident auf Wunsch der Parteien auch mittels Zweidrittelmehrheit in der Bundesversammlung gewählt werden kann.

Amtierende Präsidenten haben einen derart unaufholbaren Startvorteiį daß die Abwicklung von Wahlkämpfen die Parteikassiere stets auf die Barrikaden ruft. Zudem könnte man auch argumentieren, daß die nicht immer zimmerreine Wahlschlacht bei aktiver Teilnahme eines amtierenden Präsidenten der Würde des höchsten Amtes im Staat eher abträglich ist. Am Prinzip der direkten Volkswahl könnte also festgehalten, nur in bestimmten Fällen zwischen den Parteien vereinbart werden, den Präsidenten in der Bundesversammlung mit qualifizierter Mehrheit in seinem Amt zu bestätigen. Freilich besteht kein Zweifel, daß jedes Rütteln an der Volkswahl des Präsidenten einen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung auslösen würde. Insbesondere in jenen Kreisen, die sich in den fünfziger jahren für die Volkswahl stark machten.

Wenn „nur wenig“ gegen eine neuerliche Kandidatur Kirchschlägers spricht, dann dürfte „das wenige“ vermutlich in der .Person Bruno Kreisky begründet sein: Gesetzt der Fall, Kreisky kandidiert bei der Nationalratswahl 1979 ein letztes Mal, um sich etwa ein Jahr darauf aus der Regierungspolitik zurückzuziehen, dann könnte sehr leicht der Fall eintreten, daß er sich für das Amt seines früheren Außenministers Kirchschläger in-teressiert. Daß es Kreisky gelingen würde, sich gegen den Willen Kirchschlägers von seiner Partei kandidieren zu lassen, darüber dürfte kein Zweifel bestehen.

Sollte also Kirchschläger ein zweites Mal kandidieren, bestünde für die Volkspartei die Möglichkeit, gar keinen Gegenkandidaten aufzustellen. Sollte die SPÖ aber Kirchschläger fallen lassen und ihren Langzeit-Kanzler Bruno Kreisky aufstellen, bestünde für die Volkspartei die Möglichkeit, die ohnehin recht guten Kontakte zu Kirchschläger zu intensivieren und den amtierenden Präsidenten gegen Kreisky als Kandidaten der Opposition aufzustellen.

Nun zur geplanten Neuregelung der Vertretung des Staatsoberhauptes: Sie sieht vor, daß der Präsident, wenn er länger als 20 Tage an der Ausübung seines Amtes verhindert ist, generell durch die drei Nationalratspräsidenten vertreten wird. In der Zeit der schweren Erkrankung des früheren Präsidenten Jonas hat der Nationalrat für diesen Einzelfall bereits ein dieser Regelung entsprechendes Gesetz beschlossen - mit dem Vorteil, daß mit den beiden Großparteien eine breitere Basis in die Verantwortung eingebunden war.

Von Politikern und Juristen wird diese Lösung aber als mangelhaft angesehen:

• Erstens sollte nicht nur die dauernde, sondern auch die kurzfristige Verhinderung des Präsidenten neu geregelt werden, da die kurzfristige Ver tretung durch den Bundeskanzler sowohl praktisch als auch vom juristischen Standpunkt fragwürdig ist (als Kirchschläger kürzlich in Finnland war, hatte er Kreisky mit der Vertretung beauftragt. Kreisky reiste aber selbst nach Amerika und beauftragte seinerseits Androsch mit der Vertretung, der somit Bundespräsident, Bundeskanzler, Vizekanzler und Finanzminister zugleich war - ganz zu schweigen von seinen Parteifunktionen).

• Zweitens ist es problematisch, ein Individualorgan (Bundespräsident) durch ein Kollegialorgan (die drei Nationalratspräsidenten) vertreten zu lassen.

• Schließlich sind weder der Bundeskanzler noch die drei Nationalratspräsidenten für die Vertretung des Bundespräsidenten Ideallösungen: Denn die Bundesregierung ist gegenüber dem Staatsoberhaupt antragsberechtigt, der Nationalrat hat gewisse Kontrollfunktionen. Nach Ansicht vieler Fachleute sollte der Bundespräsident durch ein Organ vertreten werden, bei dem diese wechselseitigen Bindungen nicht bestehen.

In Frage käme also letztlich der Vorsitzende des Bundesrates, der alle halben Jahre von Bundesland zu Bundesland abwechselt. Diese Lösung würde auch dem föderalistischen Prinzip der Bundesverfassung entsprechen. Außerdem sind die Länder Frankreich und Deutschland bereits Vorbilder für eine solche Lösung.

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