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Wer wird Landesvater?

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Das Burgenland ist ein Sonderfall unter den neun österreichischen Bundesländern: Im Gegensatz zu allen anderen Ländern, in denen seit 1945 gewissermaßen stabile politische Verhältnisse herrschen und der Sessel des Landeshauptmannes immer von Politikern der selben Landtagsfraktion erklommen wurde, haben sich im Burgenland schon einmal — im Jahre 1964 — die Machtverhältnisse geändert. Nach einer 19jährigen schwarzen Herrschaft konnte die SPÖ erstmals mandatsstärkste Partei werden und Hans Bögl zum Landesvater machen. Schon 1966 folgte Theodor Kery nach, der im folgenden Jahr bereits zum drittenmal Landtagswahlen bestreiten wird.

Schon jetzt lassen die burgenländi-schen Sozialisten ihre Wahlkampflokomotive Kery langsam warmlaufen. Der Landeshauptmann blickt, ein Kind in den Armen haltend, treuherzig von der Plakatwand auf seine Landsleute herunter. Der Slogan: „In gutej Hand.“ Hinter den Kulissen macht sich bereits die wohlbekannte Wahlkampfhektik breit. Der ganze Wirbel rund um die im Frühjahr im Landtag mit der Stimme des FPÖ-Abgeordneten Dkfm. Richard Rezar über die Bühne gebrachten Wahlrechtsreform ist nur Ausdruck der Unsicherheit bezüglich des Wahlausganges und des *Wahlter-mines. Mit der Wahlreform, die von der ÖVP-Fraktion unter Parteiobmann Landeshauptmannstellvertreter Franz Soronics heftigst bekämpft wurde, haben sich die Sozialisten die Mehrheitschancen auf Jahre hinaus gründlich verbessert. Die Wahlarithmetik nach der Reform sieht nämlich vor, daß stets ein Restmandat übrigbleibt, das der stimmenstärksten Partei, auch wenn die Mehrheit nur eine Stimme ausmacht, zufällt.

Hand in Hand mit der Wahlreform hat der Landtag des Burgenlandes die Zahl der Abgeordnetensitze auch von 32 auf 36 aufgestockt. Legt man das Wahlergebnis des Jahres 1972 (16 SPÖ; 15 ÖVP; 1 FPÖ) auf die erhöhte Sitzanzahl um, so stünde es bereits heute 18 :17 :1. Geht man nun in den Spekulationen noch weiter und berücksichtigt neben der erhöhten Sitzanzahl auch das neue Wahlrecht, das eindeutig die stärkste Partei bevorzugt, so würde das Mandatsverhältnis (immer noch ausgehend vom Ergebnis der letzten Landtagswahlen) bereits 19 :16 :1 lauten. Die Bestrebungen der SPÖ in diesem Zusammenhang gehen sogar noch weiter. Kery wollte auch in der Landesregierung, der drei SPÖ-Mitglie-der und drei ÖVP-Leute angehören, klare Mehrheitsverhältnisse schaffen, was ihm vorerst aber nicht gelungen ist.

Die burgenländische ÖVP und ihr Obmann Soronics sind recht zuversichtlich. Im Frühjahr hat die Landesparteileitung der ÖVP beim Fessl-Institut eine Umfrage in Auftrag gegeben, deren Resultate-nun auf dem Tisch liegen. Insgesamt zwölf taxa-tiv aufgezählte Politiker-Eigenschaften konnten die Befragten für jede Partei mit Schulnoten bewerten. Das für die ÖVP erfreuliche Ergebnis: Sie brachte es auf eine Notensumme von 28,24, während sich die SPÖ mit der schlechteren Summe von 30,84 bescheiden mußte. Was die Bekanntheit der Spitzenpolitiker des Burgenlandes betrifft, stellte sich heraus, daß Soronics mit 96 Prozent nur knapp hinter Kery rangiert, den 99 Prozent der Landesbewohner kennen. Beide haben also fast den Plafond erreicht, was man von Soronics bei der letzten Wahl nicht behaupten konnte: Damals kannten ihn trotz seiner Tätigkeit als Minister in der Regierung Klaus nur spärliche 71 Prozent.

Die Volkspartei möchte in der Gestaltung des Wahlprogrammes den mühsamen Weg „von unten nach oben“ gehen. Alle Haushalte des Landes werden Befragungslisten erhalten, auf denen sie die Probleme des Landes nach Prioritäten ordnen können. Gleichzeitig sollen auch Gemeinde-Angelegenheiten erforscht werden, denn wenige Wochen nach der Landtagswahl, die aller Voraussicht nach im Herbst 1977 stattfinden wird (eine Vorverlegung könnte sich nur ergeben, wenn die Budgetverhandlungen platzen), stehen Gemeinderatswahlen auf dem Programm. Aus der Haushaltsbefragung möchte die ÖVP die wichtigsten Wünsche der Landesbewohner herauslesen und dementsprechend die Schwerpunkte im Wahlprogramm setzen.

Alte Themen im Wahlkampf werden die Grenzlandförderung sowie die Wirtschaftspolitik sein. Was das Durchschnittseinkommen betrifft, ist das Burgenland Schlußlicht Österreichs. Die Kroatenfrage, so hört man aus den Reihen beider Großparteien, soll nicht aufgeschaukelt werden, hier will man eher Einigkeit demonstrieren.

Um mandatsstärkste Partei zu werden, fehlen der ÖVP rund 3800 Stimmen, was Landesparteisekretär Dr. Schmall für erreichbar hält: „Das ist ja nur ein Fußballfeld voll mit Leuten, die werden wir doch überzeugen können...“

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