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Wer zahlt für wen?

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Als der Kanzler der Minderheitsregierung im Frühjahr 1970 in seiner Regierungserklärung betonte, die Regierung werde Maßnahmen zur Förderung des österreichischen Films ergreifen, gab es neben der Freude bei jenen, die nun auf Geld hofften, ernsthafte Überlegungen bei allen, denen die Materie national und international bekannt ist.

Auf den Tischen des Unterrichtsund des Handelsministers fanden sich schließlich nicht nur die seit Jahren kursierenden Vorschläge für eine gesetzliche Fassung der Filmförderung aus Schreibtischschubladen wieder, sondern auch diverse neue Entwürfe. Die meisten davon können keinen Anspruch darauf erheben, Entwürfe genannt zu werden, sie sind vielmehr Wunschkataloge, Pendel zwischen der Forderung nach Subvention, Förderung, Unterstützung und dem Wunsch, wer aller nicht zur Kasse gebeten werden soll.

Die ÖVP hat sich sowohl in der Zeit der Koalition als auch in jener der Alleinregierung bemüht, eine Filmförderung zustande zu bringen. Es gelang ihr nicht, weil die Interessen zu divergierend waren. Es mag sein, daß es der SPÖ-Alleinregie-rung gelingt, nicht etwa weil sich an der Interessenkollision etwas geändert hätte, aber immerhin rückt der Zeitpunkt näher, an dem es ein Arrangement mit der EWG geben wird. Weil aber eben diese EWG in all ihren Mitgliedstaaten Filmförderungsmaßnahmen kennt, wird auch Österreich gleichziehen müssen, will es nicht die Produkte der anderen Nationen im eigenen Land diskriminieren oder den Absatz der eigenen Produkte von sich aus bremsen.

Wenn es heute darum geht, den Film zu fördern, möge man zum ersten das Wort „Idealismus“ ausklammern. Die Showbranche, zu der auch der Film zählt, ist eine der härtesten, die es gibt. Zu sagen, man müsse aus nationalen und internationalen Gründen die Produkte dieser Industrie fördern, ist richtig, wenn man Vergleiche zu den Staaten in West- und Osteuropa zieht. Der Film hat nicht nur völkerverbindenden Charakter, ihm fällt auch die unterschwellige Werbung für Land und Leute, für Waren und Ideologien zu. Deshalb und nur aus diesen Gründen hält man sich im Ostblock einen kostspieligen Staatsfilm und im Westen Organisationen, die als Filmförderungsanstalt, Filmfonds oder dergleichen firmieren, um unter dem Mantel kulturpolitischer Leistung die eigenen Ideen verkaufen zu können.

Im kulturpolitischen Niemandsland zwischen diesen beiden Fronten befindet sich Österreich, jenes kleine Filmland, das in den frühen zwanziger Jahren ebenso wie in der Mitte der dreißiger Jahre, ja sogar in der NS-Zeit und dann in den guten fünfziger Jahren international von sich reden machte. Jenes Land, das so viel auf seine Vermittlerfunktion zwischen West und Ost hält, die zentrale Position des Films aber total vernachlässigt hat.

Österreich hätte heute allerdings den Vorteil, mit einer Filmförderungsdebatte dort zu beginnen, wo es aus den Erfahrungen der anderen schon gelernt haben könnte. Wenn man sich jedoch die bislang halbwegs konkretisierten Vorschläge ansieht, haben die Österreicher nicht sehr viel gelernt. Einen Beamten durch eine beratende Jury zü ersetzen, ist ebenso läppisch wie zu glauben, daß man die sündteuren Premierenkinos der Kiba ebenso mit einem linearen Zuschlag pro Eintrittskarte belegen kann wie etwa das einmal wöchentlich spielende Kleinkino in einer Bundesländergemeinde. Vom Fernsehen pro ausgestrahlten Kinofilm vierzigtausend Schilling zu verlangen, könnte als diskutabel angesehen werden — nur ist die Bereitschaft des ORF gering. Angenommen aber, man hätte das Geld für eine breite Filmförderung beisammen; wer soll gefördert werden? Der Produzent, der Autor, Regisseur, das Produkt — immer von der Annahme ausgehend, jeder Filmschaffende sei bestrebt, sein Bestes zu geben — oder soll jeder, der eine Idee und ein wenig Eigenkapital hat, im Zuge der neuen Gewerbeordnung völlig frei Filme produzieren können? Sollen jene Menschen, die sich einen sie ansprechenden amerikanischen, englischen oder französischen Film ansehen, eine Abgabe zahlen, damit ein österreichischer „Jungfilmer“ Fingerübungen nachholen kann, die man versäumte, ihn an der Filmakademie zu lehren? Oder sollen mit einer Abgabe jene „Altfilmer“ gefördert werden, deren Versagen nicht zuletzt sehr maßgeblich zum Niedergang des österreichischen Films beitrug? Oder sollen vielleicht Beiträge dazu genützt werden, die Fehler der Finanzminister in ihrer Eigenschaft als Eigentümer der staatseigenen Wien-Film zu bemänteln?

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