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Wer zu spät kommt...

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Die frustrierende Antwort aus Brüssel auf die Wünsche der Landwirtschaft läßt befürchten: Der Schrumpfungsprozeß wird 1994 weitergehen.

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Die frustrierende Antwort aus Brüssel auf die Wünsche der Landwirtschaft läßt befürchten: Der Schrumpfungsprozeß wird 1994 weitergehen.

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Die Erkenntnis kommt zu spät. Angesichts der Unterschiede, die es nun mit der EG im Zuge vor einem möglichen Beitritt wegzu-verhandeln gilt, blicken Österreichs Agrarier beinahe mit Wehmut in die Vergangenheit: „Das höhere Preisniveau in Österreich ist die Folge bestimmter agrarpolitischer Weichenstellungen, die in Österreich Mitte der achtziger Jahre erfolgten”, heißt es blauäugig im Positionspapier des Landwirtschaftsministeriums. Und weiter: „Wir wären in einer ganz anderen Ausgangsposition, wenn es schon 1972 gelungen wäre, die Landwirtschaft im Freihandelsabkommen mit der EG zu verankern”. Was verschwiegen wird ist die Tatsache, daß die Agrarpolitiker an der Abschottung und damit an der fehlenden Strukturanpassung jahrelang eifrig mitgebastelt haben.

Dabei hat sich selbst im inzüchtigen österreichischen Markt die bäuerliche Struktur ohnehin mehr als gewandelt. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe etwa sank von 342.000 im Jahr 1970 auf 278.000 bei der letzten Betriebszählung 1990, bei den Vollerwerbsbauern ist der Rückgang noch dramatischer. Selbst der Präsident der Landwirtschaftskammer, Rudolf Schwarzböck, muß zugeben: „Noch keiner Volkswirtschaft ist es gelungen, den Rückgang der Bauern zu stabilisieren.” Und er fügt beinahe schon resignativ dazu: „Auch bei uns wird der Strukturwandel weitergehen”. Noch dazu, wo Brüssel dem ersten Augenschein nach wenig Verständnis für Übergangswünsche hat. „Wir haben kein Verständnis für die Verhandlungsstrategie der EG”, beklagt Schwarzböck im Gegenzug ein „Abrücken von bereits gemachten Zusagen”.

Biblische sieben Jahre lang sollten sich die Bauern nach den Vorstellungen der Landwirtschaftskammer an die Preisunterschiede und geänderten Fördermodalitäten in der EG gewöhnen dürfen. Gut die Hälfte dieser Differenz (Getreideprodukte sind in Österreich etwa bis zu 40 Prozent teurer) sollten in den ersten vier Jahren abgebaut werden.

Doch was den Bauern als überlebensnotwendig erscheint, ist für den Handel und die produzierende Industrie tödlich. Sie wären der EG-Produktkonkurrenz ausgesetzt, ohne die dort billigen Einkaufsmöglichkeiten nützen zu können. Der Salzburger Süßwarenhersteller Mirabell (Suchard) hat bereits gedroht, seine Produktion nach Belgien zu verlagern, sollten sich die Einkaufspreise etwa für Milchprodukte nicht rasch ändern.

Selbst die Landwirtschaft an sich läßt sich gar nicht über einen Kamm scheren. Ein Teil der großen Raiffei-sen-Genossenschaft etwa, die Lagerhäuser, hofft nicht auf Übergangsfristen, sondern zwingt sich bereits ab 1. Jänner 1994 zur Entschlackungskur: Die drei größten Genossenschaften Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich werden zur „Raiffeisen Ware Austria AG” fusionieren. „Wir müssen eine Dezimierung unseres Umsatzes im Gegensatz zu den Bauern ohne jeden Ausgleich verkraften” begründet Wolfgang Werner, Sprecher der größten Lagerhausgenossenschaft VLG, die Flucht nach vorne. Klar: Verlieren die bäuerlichen Produkte wie Milch, Getreide oder Fleisch aus Österreich ihre Marktanteile, bekommen die Bauern Ausgleichszahlungen. Die Händler dieser Produkte - und das sind in vielen Fällen die Lagerhäuser in einer monopolartigen Marktpräsenz — schauen durch die Finger.

Voraussetzung für die Lukrierung der EG-Ausgleichszahlungen allerdings ist die Bereitstellung von Landesmitteln. Das hat zur Folge, daß im nächsten Jahr die Förderhöhen an die mögliche Höhe der Fördermittel aus Brüssel angeglichen werden müssen. Das stellen sich zumindest die Bauernvertreter vor. Und zwar nicht nur für die Bauern selbst.

Ein Schwerpunkt der Forderungen liegt nämlich auch bei der Unterstützung für die Lebensmittelbetriebe. Schlachthöfe, Molkereien werden in der EG - im Unterschied zu uns - mit bis zu 70 Prozent der Investitionskosten subventioniert. Sie können damit trotz annehmbarer Bauernpreise relativ günstig anbieten. Das kommt indirekt natürlich wieder der Einkommenssicherung der zuliefernden Bauern zugute..

Über die Unterschiede bei den Subventionen läßt sich streiten. Das sogenannte Produzenten-Subventionsäquivalent, eine Kennzahl über das Förderungsausmaß, liegt in Österreich mit 52 Prozent geringfügig über dem EG-Durchschnitt (49 Prozent).

Die Form der Zuwendung ist eindeutig unterschiedlich. Der EG-Trend geht zu Direktzahlungen an die Bauern. In Österreich jedoch werden etwa die Rinderexporteure subventioniert, damit sie den Bauern bessere Preise zahlen können.

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