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Werbelügen ziehen nicht

Werbung
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Werbung zu kritisieren, ist offensichtlich ebenso leicht, wie-es schwer ist, ihr zumindest Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Man kann Werbung nicht isoliert diskutieren, losgelöst von ihren sozial-ökonomischen Bedingungen. Zwei davon sind: Massenmärkte und freie Konkurrenzwirtschaft. Wer Werbung kritisiert, kritisiert immer auch die „Massenhaftigkeit" unserer Kultur, freie Konkurrenzwirtschaft und Mündigkeit der Bürger.

Die eine ist uns, geliebt oder nicht, seit Le Bon und Ortega immer wieder heftig kritisiert, historisch zugewachsen; die andere gründet auf einer Kernidee modernen gesellschaftlichen Lebens, nämlich auf der Idee der Freiheit. Um nicht mißverstanden zu werden: Ein Waschmittel-Fernsehspot ist selbstverständlich nur mehr ein höchst weitschichtiger Verwandter dieser großen Idee der Aufklärung.

Nach dem Weizsäcker'schen Prinzip der „unterscheidenden Deutlichkeit" sollte man auch einen Unterschied machen, zwischen den Produkten, die hergestellt und angeboten werden und den Werbungen, die diese Produkte betreffen. Büchele hält sich nicht an dieses Prinzip.

Produkte müssen hinsichtlich Zusammensetzung, Gebrauch oder Verbrauch selbstverständlich den gesetzlichen Vorschriften entsprechen; erfüllen sie diese Grundforderungen nicht, haben sie am Markt nichts verloren.

Eine Kritik, die solche Produkte treffen will, sollte sich an die Produktverantwortung der jeweiligen Unternehmungen halten. Macht die Kritik keinen Unterschied zwischen Produkten und Werbung, kritisiert sie gar „nur" Werbung und generalisiert sie diese ihre Werbekritik obendrein auch noch, trifft sie damit Produkte, die obige Grundforderung sehr wohl erfüllen.

Kein noch so raffinierter Wer-be-Euphemismus ist im übrigen imstande, dauerhaftere Nachfrage-Loyalitäten für wie immer problematische Produkte zu begründen. Und jedes Produkt des täglichen Bedarfes lebt nicht vom Erst- und Einmal-Kauf, es lebt vom Wieder- und Immer-wie-der-Kauf.

Als Einleitung zu dieser Buchbesprechung liest man mit Staunen: „Fakten werden so dargestellt, daß trotz richtiger Aussage mittels Suggestion eine Scheinwirklichkeit entsteht, die der Realität nicht entspricht."

Diese Aussage ist so konstruiert, wie auch Werbung gebaut ist (gebaut sein muß): Sie „lügt quot;.

Sie „lügt" in zweifacher Hinsicht: Sie „lügt", weil sie suggeriert, Fakten seien suggestionsfrei und realitätsentsprechend darstellbar. Sie „lügt", weil sie suggeriert, die Vermittlung von ScheiWirklichkeiten sei typisch für die Werbung. Beide Annahmen stimmen nicht.

„Wie wirklich ist die Wirklichkeit? quot; fragt Paul Watzlawick und gibt als Antwort: „Wirklichkeit (ist) das Ergebnis von Kommunikation." Kommunikation vollzieht sich durch den Austausch symbolischer Zeichen (Sprache, Bilder, Devotionalien etc.). Diese Zeichen tragen nicht nur Bedeutungen, sie tragen auch Zusatzbedeutungen.

Die Transaktionstheorie sagt uns, daß Akte des Verstehens grundsätzlich anders verlauf enals Akte des Aussagens. Auf Grund dieser komplexen Kommunikationsmechanismen kann die sogenannte Wirklichkeit gar nicht der Realität entsprechen. Kommunikation ist universell, sie findet immer dann statt, wenn Menschen miteinander sprechen, handeln, arbeiten.

Werbung ist nur ein Spezialfall eines universellen Phänomens des Humanen. Selbstverständlich darf dieser Befund Werbung nicht dazu verführen, kontra-f aktisch zu lügen. Tut sie es wider besseres Wissen und Gewissen trotzdem, verhält sie sich nicht nur sozial, sondern, auch wirtschaftlich gesehen, falsch.

Werbelügen enden dort, wo die beworbenen Produkte beim Gebrauch oder im Verzehr, die Versprechungen der Werbung nicht halten. Werbelügen mögen zum Einmal-Kauf überreden können, sie schaffen es mit Sicherheit nicht, zum Wieder- und Immer-wieder-Kauf anzuregen. Werbelügen haben kurze Beine.

Ich halte es für sinnlos, die absoluten Größen von Werbe- und Marketing-Aufwendungen isoliert darzustellen. Das ist, ökonomisch gesehen, ein Nonsens und hinsichtlich der aufklärenden Wirkung problematisch.

Werbeaufwendungen sind wie die Aufwendungen für die Produktqualität, für die Produktherstellung und für den Produktvertrieb wertschöpfende Investitionen, die jedoch nur im Wirkungsverbund mit den anderen Aufwendungen sinnvoll sind.

Wir haben folgendes versuchsweise ausgerechnet: Würde man den Markenartikel, als Hauptträger von Werbung, abschaffen, so könnte das einen Wertumsatz-Ausfall von 15—20% ausmachen; dieser Umsatzausfall könnte sich im Bruttonationalprodukt mit einem Minus von 5—6% nieder-' schlagen; und dieses Minus könnte eine Arbeitslosenrate von 7—8% zur Folge haben. Spätestens nach diesen Gedankengängen hört die Kritik an der Werbung auf, ein kulturkritischer Spaß zu sein.

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