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Werben um Verständnis

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Fehlendes Wissen der Österreicher über die Volksgruppenproblematik verhindert oft auch ein besseres Verständnis. Ein Informationszentrum will dagegen ankämpfen.

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Fehlendes Wissen der Österreicher über die Volksgruppenproblematik verhindert oft auch ein besseres Verständnis. Ein Informationszentrum will dagegen ankämpfen.

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Auf eine Vertrauensfrage lasse sich am Ende das ganze Verhältnis zwischen der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung und den ethnischen Minderheiten reduzieren. Und eben dieses Vertrauen fehle vor allem auf der Seite der Mehrheit. Eindringlich appellierten daher Vertreter der slowenischen, der kroatischen und der ungarischen Minderheiten an das Verständnis der deutschsprachigen Österreicher.

Anlaß für den Appell war die Pressepräsentation der Räumlichkeiten des Slowenischen Centers Wien am Tag vor dem Nationalfeiertag. Feierlich eröffnet soll dieses Zentrum in der Wiener Teinfaltstraße dann am 15. Mai nächsten Jahres werden. Ganz Österreich wird an diesem Tag das 40-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung des Staatsvertrages feiern. Festliche Stimmung wird aber bei den österreichischen Slowenen, Kroaten und Ungarn nicht so recht aufkommen.

Denn seit vierzig Jahren pochen sie vergeblich auf die vollständige Erfüllung ihrer Rechte, wie sie im Artikel 7 des Staatsvertrages festgelegt sind. Die Situation der Minderheiten wird nicht zuletzt deshalb Jahr für Jahr prekärer.

Die Minderheitenvertreter klagen über die Hinhaltetaktik aller Bundesregierungen. Diese hätte die Volksgruppen allmählich an den Rand gedrängt. Für viele Slowenen oder Kroaten war Assimilation der letzte Ausweg aus einer an sich unbefriedigende Situation.

Die Volkszählungsergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache. Unsere Volksgruppen werden nach und nach „weggezählt" ...

Daß dies geschehen konnte, führen die Minderheitenvertreter nicht so sehr auf böse Absicht der Mehrheit der Österreicher zurück. Es sei vielmehr die weitverbreitete Unwissenheit über die Minderheit selbst und ihren Wert für die kulturelle Identität des Landes.

Die aktuelle Entwicklung in Kärnten kann wieder einmal als Musterbeispiel für die rot-weißrote Volksgruppenpolitik herhalten. Das vom Kärntner Heimatdienst (KHD) durchgeführte Volksbegehren gegen den zweisprachigen Unterricht im gemischtsprachigen Gebiet brachte kaum mehr als 30.000 Unterschriften. Dennoch fühlen sich die beiden großen Kärntner Parteien unter dem Druck der Freiheitlichen — die als einzige im Landtag vertretene Partei das KHD-Volksbe-gehren unterstützte — unter Druck gesetzt.

Die Kärntner SPÖ und die Lan-des-ÖVP basteln derzeit an einer Änderung des einschlägigen Schulgesetzes. Der Kompromiß soll zwar nicht den KHD-Forde-rungen zur Gänze entsprechen, den Geltungsbereich des zweisprachigen Unterrichts jedoch weitgehend einschränken.

Daß das alles ohne Beiziehung der Minderheitenvertreter geschieht, versteht sich von selbst. Und daß die Untiefen der Landespolitik letztendlich auch die Entscheidungen auf Bundesebene beeinflussen werden, wissen die Slowenenvertreter mittlerweile aus leidvoller Erfahrung. Denn sie selbst sind in Wien noch allemal auf breites Verständnis — zumindest verbal — gestoßen. In vielen Fällen wurde diese Gesprächsbereitschaft aber mit Erfolg durch die Landesparteien torpediert.

Daran sind bisher auch alle Vorstöße gescheitert, die sogenannten Volksgruppenbeiräte zu beschicken. Und zumindest die Kärntner Slowenen wollen ihren Beirat bis auf weiteres boykottieren, wenn weiterhin über Volksgruppenpolitik über ihre Köpfe hinweg paktiert wird.

Die burgenländischen Kroaten, der Zahl nach die stärkste Minderheit in Österreich, setzen auf Kompromiß. Obwohl den Kroaten bislang nicht einmal eine eigene höhere Schule, wie sie die Slowenen in Klagenfurt längst haben, zugestanden wurde, wollen sie ab 1985 in den Volksgruppenbeirat, war bei der Eröffnung des Slowenencenters in Wien zu erfahren.

Das neuerrichtete Slowenische Center Wien will ein Kristallisationspunkt für die Vertretung der Interessen aller Volksgruppen in Wien werden. Ohne Bewußtseinsänderung der Mehrheitsbevölkerung wird das alles aber verlorene Liebesmüh' bleiben.

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