7046287-1990_34_13.jpg
Digital In Arbeit

Werbesprüche aus dem Irrenhaus

Werbung
Werbung
Werbung

Ff rof is der Werbebranche haben an „Crazy People" wenig Freu- de. Es ist ein satirischer Film, den man sehen muß, wenn man von oder für die Werbung lebt. Werbemuffel in aller Welt lachen sich krumm, obgleich sich nicht jede Pointe treff- sicher übersetzen läßt. Der Film regt aber auch zum Nachdenken an.

Die Geschichte ist denkbar ein- fach. Dudley Moore spielt einen kreativen Werbefritzen, dem im ständigen Hochdruck der Kragen platzt. Eines schönen Tages hat er die Schaumschlägerei satt und will nur mehr wahrheitsgetreue Texte verfassen. Hut ab vor solchem Mut, der sich in Hollywood selten findet.

Drehbuchautor und Associate Producer Mitch Markowitz erfan-

den Slogans, die auf in den USA bestens bekannte Marken zielen. Nur die krassesten Werbesprüche wurden fiktiven Firmen angedich- tet, wohl um kostspielige Prozesse zu vermeiden.

So entwirft etwa der Wahrheits- fanatiker Emory Leeson (Dudley Moore) für Amalfi-Zigaretten den zugkräftigen Text: „Lungenkrebs? Vielleicht. Geschmack? Gewiß!" Die entsetzten Kollegen halten ihn für verrückt und lassen ihn prompt in ein Sanatorium in idyllischer Ein- samkeit einweisen, wo er die schö- ne Kathy Burgess (Daryl Hannah) kennen und lieben lernt. Mittler- weile gelangen die anstößigen Wer- betexte aber versehentlich in Druck.

Das Publikum reagiert begeistert. Umsatzrekorde stempeln den Tex- ter zum Genie. Charles F. Drucker & Associates, seine (fiktive) Agen- tur, will ihn um jeden Preis nach

New York zurücklocken. Aber so verrückt ist er denn doch nicht.

Im entlegenen Bennigton errich- tet die Agentur nun eine Filiale, in der Leeson neben seiner Kathy auch alle neuen Freunde aus der Nerven- heilanstalt beschäftigt. Die beruf- liche Anerkennung nützt den gei-

stig und psychisch Gestörten mehr als ihre lächerlichen Therapien, denen sie bislang unterworfen wur- den. Das psychiatrische Establish- ment protestierte prompt gegen die herzlose Darstellung von Geistes- gestörten als Dorftrotteln. Sicherlich darf man in diese Far-

ce nicht zuviel hineinlesen, der Film illustriert die These, daß nackte Wahrheit beim Publikum besser ankommt als das Gaukelspiel der Werbung. Der Slogan „Boxy, but good" etwa beschreibt den Volvo vortrefflich, aber macht ihn kei- neswegs sexy. Das widerspricht zwar traditionellen Werbegrund- sätzen in den USA, macht aber nichts aus, da die akute AIDS- Hysterie Prioritäten verschob.

„Wir wissen, daß Sie ihn lieben, aber wenn er sterben sollte, geben wir Ihnen zwei Mercedes und ein Ferienhaus obendrein." Dieser Slo- gan drückt das Lebensversiche- rungsprinzip so beinhart aus, daß der Spruch auch bei einem euro- päischen Publikum ankommen soll- te, das von der John Hancock Mutu- al Life Insurance Co. noch nie ge- hört hat. (Sie bewegt sich größen- ordnungsmäßig zwischen der Win- terthur- und Allianz-Versicherung.)

Keine Fluglinie hätte Freude, wenn ihr der Werbeschlager „Most of our passengers get there alive" zugeschrieben wird. United Airli- nes fühlte sich besonders betroffen, weil sie in jüngster Zeit bei einigen Flugzeugkatastrophen Menschen- leben einbüßte, was hier jeder weiß. " Zur Ehre der produzierenden Paramount Film sei gesagt, daß sie

sich sogar selbst karikieren läßt. Im übrigen zahlen die großen Konzer- ne stolze Summen für „product placement". So heißt im Klartext Schleichwerbung in Spielfilmen. Von den Marken-Anbietern, die „Crazy People" aufs Korn nimmt, bekam Paramount jedoch keinen Penny. Die Firmen hätten wohl eher dafür bezahlt, daßsie nicht erwähnt werden. Dafür zu kassieren, ver- bietet freilich das Strafgesetz.

Mehr als ein Dutzend marktgän- giger Markenbegriffe werden hu- morig mißbraucht und die meisten werden wahrscheinlich davon pro- fitieren. Oder können Sie sich eine wirksamere Werbung für ein Ab- führmittel vorstellen, als „Es hilft Ihrem Stoffwechsel. Wenn Sie's nicht verwenden, bekommen Sie Krebs und sterben"?

Procter & Gamble verwahrte sich natürlich gegen eine solche Dar- stellung ihres Produkts. Aber wenn der Film erst einige Monate gelau- fen ist, wird das Präparat sicher von Zehntausenden Zeitgenossen erprobt, die bislang auf die Kon- kurrenzprodukte schworen.

Paramount sagte Firmenvertre- tern bei der branchenüblichen Pres- sevorschau, daß sie in jedem belie- bigen Lichtspieltheater für den Eintritt zahlen müßten wie andere auch. Führende Fernseh-Netze scheuen sich, für diesen Film zu werben, um ihre Sponsoren nicht zu vergrämen.

Wahrscheinlich wurde die Mani- pulation der Massen zu Kauf orgien nie wirksamer dargestellt. Das aber ist Grund genug, um die Verbrei- tung dieses Films durch kritische Verzerrung und durch Boykott sei- ner Werbung zu erschweren. Denn in der kapitalistischen Gesellschaft verhindert man die Durchleuchtung von Mißständen am besten, in dem man sie unwirtschaftlich macht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung