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Digital In Arbeit

Werbung: ein böses Ding?

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Als Nichtfachmann in Ihrėm Metier kann ich mir denken, daß Sie leben müssen mit dem ausgesprochenen oder geflüsterten Vorwurf, die Werbung sei eigentlich eine sehr böse Sache, und diejenigen, die sich damit befassen, hätten keine Skrupel.

Doch ich glaube, daß Ihnen sehr viel Unrecht getan wird. Und daß die Werbung — wie immer sie aus- sehen mag - eigentlich auch so etwas wie ein Hymnus auf die Talente des Menschen ist, der etwas zu leisten vermag, und nicht nur ein materielles Interesse haben muß, diese Leistung anzubringen.

Er besitzt vielmehr auch ein Recht auf die Bestätigung seiner Leistung, seiner Erfindergabe.

Und diese Bestätigung wird eben auch durch das Interesse von Käufern ausgedrückt.

Ich weiß, daß dieses Geschäft sehr hart ist, aber dennoch möchte ich nicht den Charme und das Pathos südländischer Händler vermissen, die ihre Ware anpreisen, und ein Hauch von diesem Charme und diesem Pathos ist doch auch hinter den Polstertüren ernsthafter Werbeunternehmungen zu spüren.

Die heutige Konsumgesellschaft braucht ihre Kultur, und sie entwickelt diese auch ohne Zutun. Mir will scheinen, daß die Werbung die sehr schwierige und wichtige Aufgabe hat, doch etwas zu dieser Kultur der Konsumgesellschaft beizutragen. Haselden schreibt einmal, bevor die Kinder die Zehn Gebote Gottes kennen, würden die drei Gebote der Werber ihr bewußtes und unbewußtes Leben besetzen: „Du sollst begehren; du sollst kaufen; du sollst verbrauchen.”

Hier rücken nach meiner laienhaften Meinung jedoch Probleme heran, die diesen Beruf bedrük- kend und faszinierend zugleich machen können. Etwa: Was heißt es, wenn wir in der Werbung Problemlösungen verheißen, die in

Wirklichkeit nur Problembeseitigungen sind?

Was heißt es, wenn wir mit dem Bild eines synthetischen Menschen werben, den es als Gattung etwa der Hausfrau, der Mutter, des Alten gar nicht gibt, vielleicht in seiner Makellosigkeit gar nicht geben soll?

Was heißt es — etwa in Hinsicht auf die Entwicklungsländer —, die Gefahr zu vermeiden, daß wir ihnen durch Werbung eine Überzeugung einhämmern, „Fortschritt zu suchen durch Befriedigung von künstlich erzeugtem Bedürfnis? Das Ergebnis wäre, daß diese Völker ihre Mittel verschleudern, ihre wirklichen Bedürfnisse vernachlässigen und ihre genuine Entwicklung verfehlen.” (Pastoralinstruktion Com- munio et progressio 61)

In diesen Tagen gibt es in Österreich den Friedensstreit. Er ist meines Erachtens die notwendige Folge, wenn man von einem Wort und einer Hoffnung fasziniert ist und darüber versäumt, den, der das gleiche Wort gebraucht, zu fragen und auch sich selbst hinreichend zu fragen, was denn damit genau gemeint sei. Ich denke, dazu gibt es auch im Werbegeschäft Parallelen, z. B. das Wort Freiheit.

Der Glaube wird zunächst kaum oder selten Gegenstand Ihrer Bemühungen sein; Dennoch sollte man bedenken, daß der Mensch Antwort haben möchte, mit Zähigkeit und Leidenschaft. Er gleicht einem Mann, der ahnt, daß er’ mit dem Rücken zu einem Abgrund steht, sich nicht um schauen darf, wie weit es noch bis dorthin ist, aber bedrängt wird, doch noch einen Schritt zurück zu tun.

Der Optimist hofft, daß hinter ihm eine Brücke ist. Der Christ aber setzt sich über das Verbot hinweg, weil er von jenseits der Brücke eine Stimme gehört hat, die ihn ruft. Er betritt die Brücke und erkennt den Vater, der auf ihn wartet wie auf den verlorenen Sohn.

Das sind sicher keine Werbetexte, aber Kontexte für den Menschen, den Sie mit Recht für etwas gewinnen wollen, der aber nicht darauf verzichtet, für sich und für die Welt Zukunft zu gewinnen. Sexuelle Anziehung als Höchstwert ist zu wenig.

Beim Katholikentag hat das Zeichen des Kreuzes die größte Rolle gespielt. Es mag unpassend klingen, es in diesem Zusammenhang ein „Werbemittel” zu nennen. Am Heldenplatz wurde bei der Europavesper ein Kreuz errichtet, das nun stehenbleiben soll. 500.000 kleine Kreuze wurden im Zuge des Katholikentages verteilt. Sie hängen irgendwo in Wohnungen, finden sich in Handtaschen und werden immer wieder Menschen, die auf der Bahre liegen, auf die Reise mitgegeben.

Dies alles ist wohl eine Anfrage auch an Sie, ob es möglich ist, herzhaft zu werben und doch immer wieder eine kleine Rücknahme zu machen mit dem Eingeständnis, daß nichts von dem, was wir haben, alle Probleme löst.

Auszug aus einem Vortrag vor der International Advertising Association in Wien am 10. Oktober 1983.

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