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Werden nun Menschen im Dutzend billiger?

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Vorige Woche ging die Nachricht um die Welt, es sei gelungen, Menschen zu duplizieren. Das Ereignis wurde ausgiebig kommentiert, sein Nutzen erörtert, Bedenken wurden laut.

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Vorige Woche ging die Nachricht um die Welt, es sei gelungen, Menschen zu duplizieren. Das Ereignis wurde ausgiebig kommentiert, sein Nutzen erörtert, Bedenken wurden laut.

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Was ist eigentlich geschehen? Zur Beschreibung verwende ich die gängige Terminologie. Sie ist sachlich, „cool": Künstlich befruchtete Eizellen wurden geteilt. Die „Teilprodukte" (alle mit derselben genetischen Information) brachte man zur weiteren Teilung. So erhielt man Kopien von den ursprünglichen Embryos.

Die Vorteile des Verfahrens: Künstliche Befruchtungen hätten größere Erfolgschancen; für jedes künstlich gezeugte Kind könnte man mehrere „Duplikate" im Embryonalstadium tiefgekühlt in Reserve (für spätere Organspenden) halten; es eröffnen sich neue Ansätze in der Heilung von Krebs. Die Technik sei in der Tierzucht üblich, versichert man. Daher sei die Neuerung minimal. Außerdem geschehe nur, was sich natürlich bei der Bildung eineiiger Zwillinge ereigne...

Hält man sich dann noch die Not der Menschen vor Augen, die ohne Nieren- oder Herztransplantation sterben müßten, ist man nahe daran, Verständnis für diese Richtung der medizinischen Forschung aufzubringen. Was ist dagegen zu sagen? Wer an diesem Geschehen nur irgendwelche Zellen beteiligt sieht, hat

kaum Gegenargumente. „Jetzt können wir endlich den Menschen definieren. Genotypisch zumindest ist er sechs Fuß einer besonderen molekularen Anordnung von Kohlen-, Wasser-, Sauer-, und Stickstoff- sowie von Phosphoratomen", stellte Nobelpreisträger Joshua Lederberg einmal fest. Warum sollte man diese Anordnung, wenn sie statt sechs Fuß nur einige Mikrometer groß ist, nicht beliebig manipulieren? Noch dazu, wenn man damit Leid lindert und Leben verlängert.

Wirtschaftliche Interessen tragen das ihre zur Fortsetzung des Weges bei. Ein milliardenschwerer Markt tut sich da auf. „Body Shopping" könnte das große Geschäft der Zukunft werden.

Mit der richtigen Brille auf der Nase marschiert man schnurstracks in die Unmenschlichkeit. Denn ethische Argumente lassen sich für jede Schandtat zusammenbasteln. Es genügt, den Greuel harmlos genug zu umschreiben (von Zellen oder, Embryos zu sprechen) und die Vorteile des Verfahrens in den buntesten Farben zu malen: Heilen von Krebs, Verlängern von Leben...

Sprechen wir es klar aus: Nur, wirklich nur, weil es sich um Experimente mit Menschen gehandelt hat, ist das, was an der Washington University geschah, eine Ungeheuerlichkeit. Nicht an Zellen wurde experimentiert (das auch), sondern da wurden Menschen zerstückelt, hilflose, schutzbedürftige Kinder! Ihr Martyrium ist der Preis für die möglichen Vorteile dieser Prozeduren.

Das Verfahren wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, daß es auf

natürliche Weise zu Zwillingsbildungen kommt. Sobald der Mensch eingreift, wird er verantwortlich für das Geschehen.

Ethik-Kommissionen werden uns nicht aus der Patsche helfen. Worauf sollte* sich ein Experte ä la Lederberg mit jemandem einigen, der an das glaubt, was der Psalm 139 von Gott sagt? Dort heißt es: „Denn du hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter... Meine Tage waren schon „—s—— gebildet, als noch keiner von ihnen da war."

Diese Sichtweisen haben keine gemeinsame Basis. Solange in Labors agiert wird, als gäbe es Gott nicht; haben letztlich auch gesetzliche Verbote keinen Sinn (so gut sie als Signal auch wären). Denn niemand kann überprüfen, womit in den Eprouvetten hantiert wird. Die einzige Chance ist ein tiefgreifender, geistiger Wandel, vor allem unter den Forschern. Sonst ist der Weg in die „Schöne neue Welt" von Aldous Huxley vorgezeichnet. Im Vorwort zur Neuauflage seines Buches nach dem Weltkrieg drückte er sein Entsetzen aus. Er habe eine ferne Zukunft vor Augen gehabt, stelle aber ■ fest, sein Szenario sei knapp vor der Verwirklichung. Halten wir daher inne. Machen wir uns bewußt, welch unsagbarer Frevel es ist, mit dem Menschen, dem Ebenbild Gottes, wie mit einem Stück Holz umzugehen, ihn nach Belieben gestalten zu wollen. Wenn die Debatte um das Klonen dazu beiträgt, das zu erkennen, könnten wir Hoffnung schöpfen.

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