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Wertsicherung für Familienförderung

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„In Österreich leben 103.000 Familien mit 200.000 Kindern unter der Armutsgrenze, und trotz der verschiedenen Förderungen steigen diese Zahlen." Mit dieser Feststellung bekräftigt Gerhard Lueg-hammer, Präsident des Wiener Ka-tholischen Familienverbandes, seine Forderung nach einer „Dynamisierung" (ständigen Inflationsindex-Anpassung) von Maßnahmen zur Familienförderung.

Einer „familienpolitischen Nagelprobe" unterzog der Wiener Familienverband dieser Tage die Spitzenkandidaten für die Wiener Gemeinderatswahl mit folgenden Fragen:

1. Treten Sie für eine Dynamisierung (Wertsicherung) der Familienbeihilfe sowie des Bundes-Fa-milienzuschlages samt Einkommensgrenzen ein?

2. Treten Sie für eine Dynamisierung (Wertsicherung) des Wiener Familienzuschusses und der entsprechenden Einkommensgrenzen ein?

FPÖ und ÖVP reagierten prompt und zustimmend, was der Familienverband auf einer Pressekonferenz bekanntgab. Das trug ihm von den Grün-Alternativen den Vorwurf der Wahlwerbung für diese Parteien ein, während Spitzenkandidat Peter Pilz mündlich Einverständnis mit dem Dynami-sierungswunsch signalisierte und eine schriftliche Stellungnahme ankündigte. Außerdem wartet der Familienverband noch auf einen Text, der angeblich seit Tagen unterschriftsreif auf dem Tisch des SPÖ-Spitzenkandidaten und Bürgermeisters Helmut Zilk liegt.

Wien hat als letztes Bundesland einen Familienzuschuß eingeführt. Er wird ab 1. Juli 1992 auf Antrag und unter gewissen Bedingungen (sehr niedriges Einkommen, die Eltern müssen drei Jahre vor Geburt des Kindes ihren ordentlichen Wohnsitz in Wien gehabt haben) für Kinder, die nach dem 30. Juni 1991 geboren wurden, gewährt. Lueghammer anerkennend: „Dieser Zuschuß wurde dank Zilk gegen den Widerstand gewisser Kreise in der SPÖ durchgesetzt."

Positiv merkt man im Familienverband an, daß als Förderung? • maßstab das „gewichtete ProKopf-Einkommen" (über die Obergrenze 6.500 Schilling netto pro Monat zwölfmal im Jahr, inklusive Familienbeihilfe und Karenzurlaubsgeld, aber ohne erhöhte Familienbeihilfe, läßt sich streiten) mit den Gewichtungsfaktoren 1 (erster Erwachsener), 0,8 (zweiter Erwachsener), 0,5 (Kind) und 1,35 (Alleinerzieher) genommen wurde. Das bedeutet zum Beispiel, daß eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bis zu einem Familieneinkommen von 18.200 Schilling (6.500x2,8) Anspruch auf den Wiener Familienzuschuß (der zwischen 700 und 2.100 Schilling beträgt) hat.

Daß die materielle Not von Familien - „Familien schaffen die Voraussetzungen für die Zahlung der Pensionen", betont Lueghammer -„teilweise alarmierend" ist, meinte auch die niederösterreichische ÖVP-Landesrätin Liese Prokop bei der Vorstellung der jüngsten NÖ-Fa-milienstudie. Der Entwurf des Familienministeriums zu einer Veränderung des Familienlaste-nausgleichsgesetzes 1967 sieht immerhin eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 100 Schilling ab 1. Jänner 1992 und um weitere 50 Schilling ab 1. Juli 1992 vor.

Was Gerhard Lueghammer besonders empört: Derzeit werden die Mittel aus dem Familienlastenausgleich gar nicht alle für Familienförderung ausgeschöpft, sondern teils stopft der Finanzminister damit Budgetlöcher. Das liegt daran, daß die Grenzen für den Familienzuschlag (unter diesem Titel erhalten bedürftige Familien eine erhöhte Familienbeihilfe) sehr niedrig angesetzt sind, nämlich bei einem Jahreseinkommen von 96.000 Schilling für eine Familie (auch Alleinerzieher) mit einem Kind sowie 18.000 Schilling für jedes weitere Kind.

Der Entwurf von Ministerin Ruth Feldgrill-Zankel sieht hier Grenzen von 113.000 Schilling für die Ein-Kind-Familie und jeweils 28.000 Schilling pro weiterem Kind und eine Erhöhung des Familienzuschlages von 200 auf 300 Schilling pro Monat vor, aber gegen diese Vorstellungen hat man sich in der SPÖ angeblich schon quergelegt. Womit die Zahl der Familien im Bereich der Armutsgrenze steigen dürfte. Fragen Sie die SPÖ-Politikerlnnen warum?

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