7038314-1990_06_07.jpg
Digital In Arbeit

West & Ost nun für Süd?

19451960198020002020

Der Papst rief in Afrika zur Solidarität der reichen mit den armen Ländern, zur To­leranz gegenüber Anders­gläubigen und zu gemein­samen Anstrengungen von Christen und Moslems auf.

19451960198020002020

Der Papst rief in Afrika zur Solidarität der reichen mit den armen Ländern, zur To­leranz gegenüber Anders­gläubigen und zu gemein­samen Anstrengungen von Christen und Moslems auf.

Werbung
Werbung
Werbung

In einem Moment, in dem sich alle Blicke der westlichen Welt auf Osteuropa richten, will Papst Jo­hannes Paul II., ein Mann, der selbst aus dem kommunistischen Osten stammt, mit seiner Reise in Afrika bewirken, daß der Westen - abge­lenkt von den Umwälzungen im Osten - die Not der Dritten Welt nicht vergißt. Er trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er sagt: „Wie würde die Geschichte über eine Generation urteilen, die, obwohl sie über die Mittel verfügt, um die gesamte Erdbevölkerung zu ernäh­ren, sich mit brudermörderischer Gleichgültigkeit weigert, dies zu tun?"

Es hätte nicht klarer ausgedrückt werden können. Das zeigt, daß die Afrikareise des Heiligen Vaters im richtigen Moment angesetzt wur­de. Johannes Paul II. ist überzeugt, daß die Annäherung zwischen Ost und West eine Chance für die Län­der in der südlichen Hemisphäre darstellt, da nämlich Ost und West die „gemeinsame Verantwortung für die Probleme der Dritten Welt tragen".

Mit einer alteingesessenen Kir­che und 90 Prozent Katholiken stellte Kap Verde eine eigene Etap­pe der Pontifikalreise dar. Dieses Land, das als ärmstes an Boden­schätzen gilt - was auch die Aus­wirkungen der Trockenperioden verschärft -, erhält eine Hilfe, die 60 Prozent seines Bruttonational-Produktes entspricht. In diesem Sinne hat es Johannes Paul nicht versäumt, die Capverdier daran zu erinnern, ein Solidaritätsgefühl zu entwickeln (es gibt nämlich mehr Capverdier in den USA als in Cap Verde selbst, und sie sind zahlreich von überall her gekommen, um den Papst zu treffen). Er hat von ihnen verlangt, daß sie Initiative bewei­sen, daß sie an ihrem Schicksal der Armut mit anderen zusammenar­beiten und daß sie nicht auf die rei-chen.privilegierten Länder warten.

Der Papst wies eindringlich auf die Not und Armut in der Sahelzo­ne und das Volk hin, das durch die Unterentwicklung gezeichnet ist. Er hat übrigens in Guinea Bissau, der zweiten Etappe seiner Reise, er­klärt, daß die Unterentwicklung der Dritten Welt eine ebenso große Bedrohung für die Freiheit darstellt wie die Tyrannei.

Aufs neue hat sich der Papst gegen die Unterdrückung der Frau und gegen die Polygamie ausgespro­chen. Den letzten Punkt betreffend gehört es zu den Pflichten des Hei­ligen Vaters, sich dagegen zu wen­den. Ohne jetzt der Polygamie das Wort reden zu wollen, sollte der westliche Leser begreifen, daß sie bestimmte ökonomische Ursachen hat und daher aus einer Verände­rung der wirtschaftlichen Gegeben-heiten langsam im Verschwinden begriffen ist.

Tatsächlich geben im städtischen Bereich Umstände wie Arbeitslo­sigkeit, Verteuerung der Lebens­haltungskosten, wirtschaftliche Engpässe et cetera Anlaß für die Afrikaner, es sich genau zu überle­gen, bevor sie sich zum ehelichen „Pluralismus" bekennen.

Die Ansprache in Ouagadougou in Burkina Faso, an die armen Länder Afrikas war ein Meilenstein auf dieser Reise, eine Ansprache, die durch die Vorwarnung an die Führungsschicht übertroffen wur­de. Hat der Papst nicht betont, daß die internationale Hilfe gelingen werde, wenn sie selbst an die Ent­wicklung ihres eigenen Volkes glau­ben, wenn der Korruption Einhalt geboten wird, wenn sie auf lange Sicht voraus planen, kurz ,wenn sie sich bemühen einen Staat des Rechts und nicht bloß des äußeren Anscheins zu pflegen?

Während seiner ganzen Reise hat Johannes Paul zu mehr Toleranz in diesen Ländern zwischen Christen, die sich hauptsächlich in der Mino­rität befinden (in Mali ein Prozent), und Moslems aufgerufen. Diese Toleranz sollte verstärkt werden um sich besser kennen- und daher bes­ser schätzen und respektieren zu lernen.

Der Papst bestätigte, daß er sol­che Reisen unternehme, um auch Anhänger anderer christlicher Gemeinschaften, Vertreter traditio­nell afrikanischer Religionen, aber auch Anhänger des Islam zu tref­fen, und er äußerte den Wunsch, es „mögen ihre unterschiedlichen re­ligiösen Überzeugungen zum na­tionalen Frieden beitragen".

Wenn auch der nationale Friede in der Sahelzone durch das Aufein­andertreffen verschiedener Religio­nen >nicht gefährdet ist, so gibt es nichtsdestoweniger gewisse Phäno­mene, um die man sich bekümmert zeigen müßte. Im Norden des Sa­heis in Nigerien, wo eine moslemi­sche Mehrheit lebt, sind vergange­nen Jänner die Christen auf die Straße gegangen, um gegen die zunehmende Macht der Moslems im Staat zu demonstrieren. Tat­sächlich treten in manchen Län­dern des Saheis Anzeichen einer Islamisierung auf, die sich zwar nicht offen manifestiert, aber um nichts weniger reell vorhanden ist.

Am Ende seiner Reise huldigte der Papst - ganz im Zeichen seines Engagements für die nächste Afri­kasynode - einer Kirche, die die Erziehung der Erzieher in die Hand genommen hat, damit sie den Lo­kalgemeinschaften in ihren Verant­wortungen beistehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung