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Wettbewerb beim Strom

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Osterreich will Mitglied der EG werden, und das möglichst rasch. Zu vielen Fragen wurden Studien über die zu erwartendenden Auswirkungen erstellt. Der Bereich der Energiewirtschaft, insbesondere die Elektrizitätswirtschaft, blieb dabei stark unterbelichtet.

Ein Grund dürfte darin liegen, daß die Integration der Energiemärkte innerhalb der EG lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Erst im Mai 1988 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaft im Dokument „Der Binnenmarkt für Energie” eine Reihe von Empfehlungen über die Integration der Energiemärkte in Europa vorgestellt.

Durch einen besser integrierten europäischen Energiemarkt sollen die Kosten des Zugangs zur Energie zum Nutzen von Industrie und Verbrauchern gesenkt werden. Die Kosten der Nicht-Verwirklichung des Binnenmarktes für Energie werden von der Kommission der EG auf fast 280 Milliarden Schilling jährlich geschätzt.

Die positive Auswirkungen eines großräumigen Binnenmarktes für Energie sieht die Komission der EG

• in niedrigeren Verbraucherpreisen und in einer Erhöhung der Versorgungssicherheit,

• in einer Rationalisierung des Energietransports und der Energieverteilung und in einer verbesserten Struktur der Energiewirtschaft der Gemeinschaft,

• in einer stärkeren energiewirtschaftlichen Vernetzung, durch welche die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten und die Flexibilität auf der Unternehmerseite erhöht werden könnte,

• in der Option des gegenseitigen Beistandes im Krisenfall und in der Möglichkeit für mehr Handel.

Diese positiven Auswirkungen sollen mit den Mitteln des Marktes, also durch Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Marktes erreicht werden. Wie der Wettbewerb in der Elektrizitätswirtschaft garantiert werden soll, ist indes noch Theorie, denn in der Praxis ist die Elektrizitätswirtschaft ein Bereich, in dem es in den Staaten der EG (und nicht nur dort) einen brancheninternen Wettbwerb größtenteils nicht gibt.

Die Elektrizitätswirtschaft war aufgrund der folgenden technischen Bedingungen für die Erzeugung und den Transport von Strom von vornherein ein wettbewerbspolitischer Ausnahmebereich: wegen der Nichtspeicherbarkeit elektrischer Energie, der Leitungsgebundenheit des Energietransports, der wachsenden Skalenerträge bei der Erzeugung elektrischer Energie und der hohen Fixkosten für die Erzeu-gungs- und Transportanlagen. In vielen Staaten hat sich daher eine Form von öffentlich kontrollierten Regionalmonopolen entwickelt.

Der Status der Elektrizitätsversorgungsunternehmen als Versorgungsmonopol war aus den angeführten Gründen ursprünglich ökonomisch sinnvoll. Innerhalb der EG hat sich in der jüngeren Vergangenheit aufgrund von technisch determinierten Veränderungen ein neuer Konsens bei der Betrachtung dieses Ausnahmebereiches gebildet, der auf den Nenner gebracht lautet:

• In der Stromerzeugung können Großbetriebsvorteile nur mehr bedingt realisisert werden. Dieser Bereich sollte deshalb der Konkurrenz ausgesetzt werden.

• In der Stromverteilung ist nach wie vor das Gegenteil der Fall. Hier hat das Monopol seine Berechtigung.

Vorsichtig und zurückhaltend spricht die EG-Kommission des-halbdavon, daß eine „gewisseTren-nung” überlegenswert wäre: „Es wäre (...) zu überlegen, ob Änderungen im Betriebssystem (im Gegensatz zur Eigentumsstruktur) zu einer weiteren Öffnung des Binnenmarktes beitragen würden. Dies würde eine gewisse Trennung zwischen den operationellen Produktionsaspekten und den Verbundaspekten beinhalten.”

An anderer Stelle ist von einer „gewissen 'Vergemeinschaftung' der vorhandenen Netze” die Rede: „In der Elektrizitätswirtschaft (...) ist eine optimale Nutzung der Infrastruktur anzustreben, indem (...) eine gewisse „Vergemeinschaftung” der vorhandenen Netze und gegebenenfalls eine angemessene Kapazitätsausweitung angestrebt wird. Damit ließe sich die Handhabung der innerge'meinschaftlichen Stromlieferungen verbessern, indem der Transport und/oder Transit erleichtert werden.”

Dem Wesen nach kommen die Vorschläge einer Trennung von Stromverteilung und Stromerzeugung gleich. Im Falle des „common carriage” ist darunter ein System zu verstehen, das es jedem Stromerzeuger erlaubt, unter bestimmten Bedingungen ein bestehendes Übertragungsnetz gegen Vergütung der Kosten an den Netzbetreiber zu benutzen, um „seinen Strom direkt an bestimmte Endabnehmer zu liefern”.

Die Folgen für Österreich sind zur Zeit schwierig abzuschätzen, da von der EG für die Elektrizitätswirtschaft bislang noch keine rechtsverbindlichen Aussagen vorgelegt wurden. Für die einschneidendste Änderung bezogen auf den bestehenden ordnungspolitischen Rahmen, nämlich die Gewährung von Durchleitungsrechten (common carriage), besteht derzeit nur eine Absichtserklärung.

Was das „common carriage” betrifft, so würde dies laut Verbund-Generaldirektor Walter Fremuth „das völlige Gegenteil der bisherigen, sehr erfolgreichen österreichischen Energiepolitik mit Arbeitsteilung und Gebietsschutz” bedeuten. Mit Sicherheit wären damit einschneidende Veränderungen in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft verbunden. Das bestehende Stromimport- und Exportmonopol der Verbundgesellschaft wäre nicht mehr zu halten. Der Gebietsschutz, nach dem ein bestimmtes Gebiet nur von einem E VU beliefert werden darf, wäre in die-'ser strengen Auslegung ebenfalls nicht mehr aufrecht zu erhalten. Großstromabnehmer könnten dann direkt mit dem Stromerzeugern ihrer Wahl über Lieferbedingungen verhandeln, der Netzbetreiber müßte die „Durchleitung” gegen Kostenersatz vornehmen.

So vielversprechend das Konzept des „common carriage” inderTheo-rie ist, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß mit der konkreten Umsetzung einer Reihe schwerwiegender technischer und rechtlicher Probleme verbunden ist, die noch gelöst werden müssen. Hinzu kommen die mannigfaltigen Inter-essenskonflikte.

Zieht man dies in Betracht, dann darf vermutet werden, daß noch einige Zeit vergehen wird, bis die EG-Kommission die „gewisse 'Vergemeinschaftung' der vorhandenen Netze” zur Garantie des Wettbewerbes durchgesetzt hat.

Der Autor ist Mitarbeiter der Energieverwer-tungsagenrur in Wien. In diesem Beitrag kommt seine persönliche Meinung zum Ausdruck.

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