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Wettlauf in den Elysee-Palast

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Anfang Mai kommenden Jahres wählt Frankreich wieder seinen Staatspräsidenten - praktisch die wichtigste Position des Regimes. Man hatte vielfach geglaubt, daß die gegenwärtige französische Verfassung ihren Gründer General de Gaulle nicht lange überleben würde. Jedoch verstanden es beide Nachfolger Charles de Gaulles recht gut, das Präsidentenamt als wirksames politisches Machtinstrument zu handhaben.

Sowohl Georges Pompidou wie Va-lery Giscard d'Estaing haben im Elysee-Palast eine Art Nebenregierung etabliert. Das Parlament hingegen, ebenso wie die Parteien haben auch unter dem dritten Staatspräsidenten der Fünften Republik nicht allzu große Entfaltungsmöglichkeiten vorgefunden. Wo die Parteien allerdings ein wichtiges Wort mitzureden haben, ist bei der Wahl des Staatspräsidenten selber.

Nach siebenjähriger Amtstätigkeit muß Giscard d'Estaing der Nation nun also eine Bilanz seiner Politik vorlegen. Obwohl er noch nicht bekanntgegeben hat, ob er sich neuerlich um das Amt bewerben wird, zweifelt in Paris eigentlich niemand daran, daß Giscard d'Estaing sein eigener Nachfolger werden will.

Hier zeigt sich aber auch eine bedrohliche Schwäche des Regimes. Die politische Führerschicht ist auch in Frankreich relativ dünn gesät, und die wirklichen Persönlichkeiten, die für das

Amt des Staatspräsidenten in Frage kommen, lassen sich an den Fingern abzählet].

Das hindert eine Anzahl von Leuten natürlich nicht, es auch zu versuchen und ihre Anwartschaft auf das Präsidentenamt anzumelden (gegenwärtig sind es 30). Auf zwei Bewerber sei dabei besonders hingewiesen: die langjährige politische Beraterin Pompidous und Jacques Chiracs während derer Amtszeit als Ministerpräsidenten, Madame Marie-France Garaud; ein weiterer selbsterklärter Kandidat ist der Liedermacher Colouche, der mit den Stimmen zahlreicher Jugendlicher rechnen kann, die sich bei der Wahl im Mai •1981 einen Scherz erlauben wollen.

Aber es ist nicht so einfach, sich als Kandidat zu erklären. Denn dazu braucht man auch die Unterschrift von 500 gewählten Persönlichkeiten wie Gemeinde- und Regionalräte, Senatoren oder Abgeordneten. Diese Würdeträger müssen aus 30 verschiedenen Wahlkreisen stammen.

Für die großen Parteien stellt dies natürlich kein großes Problem dar. Dafür gibt es in den verschiedenen Parteien interne Mächtkämpfe um die Frage, wer letztlich die Fahne der Partei bei der Präsidentenwahl dem Fußvolk voraustragen soll.

Soweit es die kommunistische Partei Frankreichs betrifft, ist die Kandidatur von Generalsekretär Georges Marchais unbestritten. Dabei ist es der KPF klar, daß ihr Parteichef im Grunde genommen keine Chance hat, der erste Mann im Staate zu werden. Den Kommunisten geht es vielmehr darum, die Sozialisten zu überrunden und sich dem Land als die stärkere Linkspartei zu präsentieren.

Von schweren internen Kämpfen erschüttert, hat die Mehrheit der Sozialistischen Partei Frankreichs schließlich zum dritten Mal ihrem Parteichef Francois Mitterand das Mandat verliehen, sich den Franzosen als Präsidentschaftskandidat zu präsentieren und somit gegen Giscard d'Estaing anzutreten.

Vollkommen unklar ist die Situation noch bei den Gaullisten. Vorgeprescht ist bisher der erste Premier der Fünften Republik, Michel Debre. Der eigentliche Parteichef und Bürgermeister von Paris, Jacques Chirac, hat dagegen noch immer nicht definitiv verkündet, welches Ziel er ansteuert und ob er sich selbst als ein Kandidat für die Nachfolge Charles de Gaulles präsentieren wird.

Auf alle Fälle wird man noch mit etlichen Überraschungen zu rechnen haben, ehe der neue (beziehungsweise der alte) Hausherr in den Elysee-Palast einzieht, um von dort aus die politischen Geschicke Frankreichs für weitere sieben Jahre zu lenken.

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