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WICHTIGER AUFTRAG IN SCHWIERIGER ZEIT

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Nicht nur um die Zukunft des religiösen Buches, sondern der ganzen Branche geht es vom 10. bis 13. Juni beim Dreiländertreffen des deutschsprachigen katholischen Buchhandels in St. Wolfga'ng (Salzkammergut)

Die Wurzeln des katholischen Verlagswesens und Buchhandels reichen ins 19. Jahrhundert. Im Aufbruch der Moderne der damaligen Zeit ging es darum, christliche Wertvorstellungen in einem durch den liberalen Freisinn geprägten Milieu zu vertreten. Zusammen mit dem damals entstandenen Verbandskatholizismus und dem Politischen Katholizismus (Zentrumspartei in Deutschland, Christlichsoziale in Österreich) ging es auch darum, die publizistische Basis im Rahmen des in Folge der bürgerlichen Revolution des Jahres 1848 entstandenen Verfassungsstaates für die „katholische Sache" zu liefern. Verlegerische Einzelpersönlichkeiten und katholische Preßvereine haben lange vor der durch das Zweite Vatikanum formulierten Laienmitverantwortung in diesem Sinne gehandelt. In Eigenverantwortung haben Laien ihre christlichen Grundsätze als Unternehmer oder in Vereinen in die Tat umgesetzt. Sie waren es, die in den Kulturkampfzeiten Deutschlands und Österreichs vor 1914 ihrem publizistischen Auftrag nachgekommen sind. Die Kirchen- und Religionsfeindlichkeit dieses Kulturkampfes, im Zuge dessen Bischöfe verhaftet wurden, ist heute schwer nachvollziehbar.

Gegenwärtige kritische Äußerungen gegenüber amtskirchlichen Maßnahmen können in keinen terminologischen Zusammenhang mit diesem Kulturkampf des 19. Jahrhunderts gebracht werden, wie dies leider geschieht. Für diese ihre Haltung mußten katholische Verleger und Verlage ab 1933 beziehungsweise 1938 im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hinhalten.

Der katholische Verlags- und Sortimentsbuchhandel wird heute mehr denn je vor zwei Anforderungen gestellt. Es ist einmal die Loyalität gegenüber der Kirche, zum anderen sind es die Notwendigkeiten der markt- und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten, an denen man nicht vorbei kann, will man nicht die wirtschaftliche Existenz des Unterneh-

mens aufs Spiel setzen.

Der „rein" religiöse Verlag, die „rein" religiöse Buchhandlung wird immer mehr zur Seltenheit. Wo dies noch möglich ist, sollten wir froh darüber sein. Es wäre aber verfehlt, dies zum Maßstab machen zu wollen.

Aber ist es nicht notwendig, daß katholisch fundierte Verlage und Buchhandlungen durch ihr Programm und Sortiment das Gespräch mit der Welt suchen und so ihrem selbst gestellten Auftrag eher gerecht werden? Leistet ein Verlag, der literarische, historische und profan-wissenschaftliche Werke herausbringt, und eine Buchhandlung, die aufgrund von Größe und Lage ein breites allgemeihesfybr-timent unterhält, eigentlich nicht mehr für die ursprüngliche Intention?

Im April 1993 veröffentlichte das Branchenorgan „Buchreport" die Liste der 100 größten Buchhandlungen des deutschen Sprachraums. Diese machten zusammen fast 3,1 Milliarden DM (über 22 Milliarden Schilling) Umsatz. Unter diesen 100 befin-

den sich zehn Firmen, die einem der drei VKB's angehören. Die wiederum machen zusammen über 420 Millionen DM (fast drei Milliarden Schilling) Umsatz und liegen damit über dem Durchschnitt. Die Firmen Herder, Pustet, Tyrolia, Styria, zum

Beispiel, unterhalten eine Reihe von Buchhandlungen, die oft die „ersten Häuser am Platz" sind. Das zeigt, welche Präsenz der katholische Sortimentsbuchhandel hat, ein Umstand, der vielleicht bei mancher kurialer Entscheidung der letzten Zeit nicht präsent gewesen zu sein scheint.

Der katholische Verleger leistet seinen Dienst gegenüber der Kirche oft darin, daß er ein Vermittler zwischen ihr und den Menschen in dieser Zeit ist, daß er in Eigenverantwortung ein den Marktgesetzen unterworfenes Programm bietet, welches die „Sache Christi" gegenüber einer breiten Käuferöffentlichkeit zu vertreten versucht. Er muß sich dabei aber anderer Methoden als der der Katechese und der Verkündigung bedienen, um sich durchsetzen zu können. Dies wird leider oft verkannt, und das schmerzt den Verleger. Vor allem dann, wenn er Stimmen Gehör verschafft, von denen er meint, daß sie das Leben in und mit der Kirche weiterbringen.

Kritik an kirchlichen Amtsträgem, an Akten der kirchlichen Verwaltung und an zeitbedingten Erscheinungsformen der Kirche sind keine Lieblosigkeit der Kirche gegenüber und schon gar kein Ausbruch des Hasses. Viel zuwenig wird leider zwischen

dieser „systemimmanenten" Kritik und einer haßerfüllten Polemik unterschieden. Da schmerzt es auch, oft hören zu müssen, daß das Zweite Vatikanum schuld an der gegenwärtigen Glaubenskrise sei.

Ähnliches trifft auch auf den katholischen Buchhändler zu, der sich ehrlich aus seiner persönlichen Glaubensverantwortung um die Gestaltung seines Sortiments bemüht. Er ist oft einer der letzten Ansprechpartner von Leuten, die längst die Brücken zu ihrer Kirche abgebrochen haben. Suchende und Zweifelnde kommen zu ihm, und der Buchhändler muß ihnen raten. „Versuchen Sie es mit diesem Buch! Vielleicht hilft es Ihnen!"

Es schmerzt, daß gerade durch jüngste Entscheidungen sich eine Art Randspaltung in dieser Branche bemerkbar macht. Aber der Weg in eine traditionelle Enge ist eine Sackgasse. Er mag zwar Angstliche kurzzeitig befriedigen, aber an heutige Menschen und deren Fragen und Nöte kommt er nicht heran. Katholische Verlage und Buchhändler dürfen sich nicht ghet-toisieren, denn nur so wirken sie weit in die Welt hinein. Dr. Gerhard Hartmann ist Leiter der Kölner Niederlassung des Verlages Styria und Mitglied des Vorstands des Verbandes Katholischer Verleger und Buchhändler Deutschlands.

Verband katholischer Verleger und Buchhändler e.V. (VKB)

Sitz: Stuttgart Gegründet: 1906 Mitglieder: 332

davon

Verlegerkammer: 77 Firmen, 60 persönliche Mitglieder Sortimenterkammer: 137 Firmen, 58 persönliche Mitglieder Derzeitiger Vorsitzender: Josef Wagner, Geschäftsführer des Matthias-Grünewald-Verlages Mainz Geschäftsführer(in): Wolfgang Großmann (bis 31. 7. 1993), Dr. Barbara Evers (ab 1. 8. 1993)

Der VKB hat den Zweck, seine Mitglieder in ihrem Einsatz für re-

ligiös-theologische Literatur sowie entsprechender audiovisueller Medien zu unterstützen, die Zusammenarbeit mit der Kirche und ihren Einrichtungen im Sinne einer gemeinsamen Buchpastoral zu fördern, die Zusammenarbeit mit der Vereinigung des Evangelischen Buchhandels (VEB) zu suchen und sich auch für ein internationales Engagement der Vermittlung christlicher Grundwerte im Bereich der Medien einzusetzen.

Diese Zielsetzungen sollen unter anderem erreicht werden durch: □ Interessenvertretung der Mitglieder in Kirche und Gesellschaft sowie

Berufsvereinigungen und deren Institutionen.

□ Öffentlichkeitsarbeit für das religiöse Buch.

□ Planung und Durchführung spezifischer Aus- und Fortbildungsveranstaltungen.

□ Organisation von Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern sowie entsprechender informeller Berichterstattung.

□ Zusammenarbeit mit Institutionen im Bereich der Leseförderung.

□ Angebote von Werbemitteln und Werbemaßnahmen.

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