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Wider alle Sperrangeln

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Hin und her wogt die Diskussion rund um die gerichtlichen Vorerhebungen gegen Siegfried Ludwig. Nur eines kann helfen: Das Urteil einer unabhängigen Richterentscheidung.

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Hin und her wogt die Diskussion rund um die gerichtlichen Vorerhebungen gegen Siegfried Ludwig. Nur eines kann helfen: Das Urteil einer unabhängigen Richterentscheidung.

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Am 20. April 1982 konferiert die Staatsanwaltschaft Eisenstadt mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Thema: Sollen gegen den burgenländischen ÖVP-Obmann und Landeshauptmannstellvertreter Franz Sauerzopf gerichtliche Vorerhebungen in Zusammenhang mit der WBO-Affäre eingeleitet werden? Die Oberstaatsanwaltschaft gibt grünes Licht.

Am Tag nach dem Bekanntwerden gerichtlicher Voruntersuchungen tritt Sauerzopf von seinen politischen Funktionen zurück.

Acht Monate später, knapp vor Weihnachten 1982, gibt die Justizbehörde die Einstellung der gerichtlichen Untersuchungen gegen Sauerzopf bekannt.

Nur ein Jahr später steht die Volkspartei wieder vor einem ähnlichen Problem: Soll sie aufgrund der gerichtlichen Erhebungen gegen den niederösterreichischen Landeshauptmann Siegfried Ludwig diesem nahelegen, auf seine Abgeordneten-Immuni- tät zu verzichten und sich dem Untersuchungsrichter zu stellen?

Vor allem VP-Generalsekretär Michael Graff, der noch im „Fall Sauerzopf“ die Einleitung gerichtlicher Schritte gegen einen schwarzen Politiker als Anlaßfall für persönliche Konsequenzen bezeichnete, traut heute den Justizbehörden nicht mehr so recht über den Weg — schon gar nicht dem Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft.

Gründe für sein Mißtrauen gegenüber der Justizbehörde wurden und werden dem schwarzen General vom roten Oberstaatsanwalt Otto F. Müller in der Sache Ludwig genug geliefert. In erster Linie fällt die Eile auf, mit der noch vor den niederösterreichischen Landtagswahlen die Staatsanwaltschaft gegen Ludwig tätig wurde.

Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft bei der Einleitung gerichtlicher Schritte gegen einen Verdächtigen den ersten Aufschlag — und sie bestimmt auch in der Folge Tempo und Dauer des Spiels.

Der Staatsanwalt beantragt die Einleitung gerichtlicher Voruntersuchungen. Wenn er mit dem Ergebnis der Erhebungen des Untersuchungsrichters nicht zufrieden ist, kann er die Vernehmung weiterer Zeugen verlangen.' Im Spiel mit dem weisungsgebundenen Staatsanwalt ist der unabhängige Richter immer der Rückschläger, muß also auf die Bälle des Staatsanwalts reagieren.

Daß Staatsanwälte den Weisungen des Justizministeriums und der Oberstaatsanwaltschaft nachkommen müssen, hat ja auch seinen guten Grund. Damit soll verhindert werden, daß für gleiche Delikte unterschiedliche Strafen verhängt werden. Das Weisungsrecht dient also in erster Linie der Vereinheitlichung der Rechtssprechung.

Gerade die extensive Auslegung des Weisungsrechts durch den früheren Justizminister Christian Broda und die Einleitung von gerichtlichen Voruntersuchungen gegen zwei ÖVP-Spit- zenpolitiker just vor Wahlgängen machen die Ängste der ÖVP vor einer „politischen Justiz“ zumindest verständlich. Und auch in der Öffentlichkeit, vornehmlich in den Medien, glauben heute immer weniger Menschen an das zufällige Zusammentreffen von gerichtlichen Untersuchungen gegen Politiker und Wahlterminen.

Aber die Justizaffäre rund um den niederösterreichischen Landeshauptmann eröffnet auch die Chance, die Rechtssprechung ein für alle Mal vom Verdacht der politischen Inanspruchnahme zu befreien.

Wer, so wie der Untersuchungsrichter in der Causa Ludwig und die zuständige Staatsanwaltschaft, im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, wird es sich mehr als einmal überlegen, etwa unbedacht eine Untersuchungshaft zu verhängen.

Daß gerichtliche Voruntersuchungen — sollten sie sich am Ende als unbegründet heraussteilen — auch schon das Ende der politischen Karriere des Siegfried Ludwig bedeuten, kann heute mit Sicherheit verneint werden. Nicht zuletzt schützen ihn auch die Erfahrungen, die seine Partei rund um das politische Schicksal Franz Sauerzopfs gewonnen hat.

Den besten Dienst an der Glaubwürdigkeit der Justiz kann im Moment nur die Volkspartei selbst leisten: indem sie dem unabhängigen Richter keine Sperrangeln vor die Beine wirft und alles dazu beiträgt, die Verdachtsmomente gegen Siegfried Ludwig so rasch wie möglich einer restlosen Aufklärung zuzuführen.

Daß die Staatsanwaltschaft an einer raschen Klärung des Sachverhalts interessiert ist, darf gleichfalls angenommen werden.

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