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Wider den Fremdenhaß
Von der Aktualität eingeholt wurde Polens Botschafter in Österreich, Wladyslaw Bartoszewski. Als er im Frühjahr eine Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Vernichtung der polnischen und europäischen Juden für den 21. September im Polnischen Institut in Wien plante, war der Haß in Deutschland auf Fremde noch nicht so sichtbar.
Von der Aktualität eingeholt wurde Polens Botschafter in Österreich, Wladyslaw Bartoszewski. Als er im Frühjahr eine Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Vernichtung der polnischen und europäischen Juden für den 21. September im Polnischen Institut in Wien plante, war der Haß in Deutschland auf Fremde noch nicht so sichtbar.
Das Jahr 1942 ist - wie Bartoszewski als Zeitzeuge betont - der Kulminationspunkt der Massenmorde an Juden aus Polen und ganz Europa. Damals wurden 310.000 Juden aus Warschau ermordet. Bartoszewski beteuert gegenüber der FURCHE, daß er keinerlei Anspielung auf bestimmte Ereignisse der Gegenwart im Sinne hatte: „Nur, was jetzt passiert, bestätigt die Aktualität, die übernationale Aktualität des Nachdenkens und Gedenkens."
Auch die planmäßige Judenverfolgung der Nazis habe mit Schmierereien, eingeschlagenen Scheiben, kleinen Prügeleien und Verachtung angefangen. Man solle jedoch Unvergleichbares nicht miteinander vergleichen, der damalige Terror sei staatlich organisiert gewesen.
Bartoszewski wörtlich: „Gott sei Dank sind wir an einem anderen historischen Punkt angelangt. Die Geschichte wiederholt sich wortwörtlich nie. Aber die menschliche Dummheit, die Tendenz zum Versagen sind nicht nur Eigenschaften eines Volkes und eines Landes."
Als dem Gedenken an die Opfer der Massenvernichtung nicht angemessen bezeichnet Bartoszewski Vergleiche von Internierungslagern im
ehemaligen Jugoslawien mit der Nazi-Maschinerie. „Jedoch muß man den Menschen näherbringen", so Bartoszewski zur FURCHE, „daß schon die Anfänge bedrohlich sein können. Beim Auftauchen von Fremdenfeindlichkeit, bei jeglicher feindlicher Gesinnung, bei Rachsucht muß man auf das jüdische Schicksal verweisen." Gleichzeitig sollte man beim Aufzeigen negativer Entwicklungen auch auf positive Dinge hinweisen. „Vor 50 Jahren waren dies Fälle der Nächstenliebe. Tausende Polen haben damals Juden geholfen. Natürlich war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber überall, wo es das Böse gibt, bleibt auch ein Schimmer der Hoffnung."
Auch hinsichtlich der „nationalen" Umgestaltung des ehemaligen kommunistischen Osteuropa gelte es über die Blindheit, das Versagen oder die Kurzsichtigkeit der Politiker zu reflektieren. Die VölkerOsteuropas können erst jetzt darüber nachdenken, welche bösen Erfahrungen sie mit Politik und Politikern in 40, 50 oder 70 Jahren machten.
Das Drängen nach Selbständigkeit möchte Bartoszewski nicht unbedingt als Nationalismus verstanden wissen: „Die seit dem Zweiten Weltkrieg geborenen Millionen Menschen im Osten wollen einen neuen Anfang wagen, die suchen ihren Weg." Natürlich gebe es Extremisten, die - wie Bartoszewski sagt - „ihre Suppe darauf kochen". „Aber meine These ist: Hätten die Völker Mittelosteuropas so zusammenleben dürfen, wie dies Belgien, Holland und Luxemburg konnten, dann wäre auch in dieser Region eine Art Benelux möglich gewesen. Durch die Geschichte ist das leider überholt." Deswegen sei heute auch jede Warnung gegen Haß und politische Blindheit so wichtig.
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