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Wider den Trend

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Allgemein kann man sicher sagen: das Prinzip der Partnerschaft ist „in“. Nur in der Politik und auf die ÖVP bezogen, ist sie bei Kreisky total out.

Konkret: Sollen Ehe, Freundschaft Exerzierboden des Geschlechterkampfes oder Orte partnerschaftlicher Lebensgestaltung sein? Keine Frage: Partnerschaft!

Auch das, was die Sozialisten gerne „Wirtschaftspartnerschaft“, andere „Sozialpartnerschaft“ nennen, wird von der SPÖ als Prinzip voll akzeptiert.

Gegen die Partnerschaft zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern würde kein gestandener Sozialist etwas sagen, für den Krieg als Instrument der Konfliktaustragung unter Staaten ganz gewiß keiner eintreten.

In allen Lebensbereichen, die einmal laut Bruno Kreisky „mit Demokratie durchflutet“ werden sollten, ist das Prinzip „Partnerschaft statt Krieg“ unbestritten. Es besagt keineswegs Konfliktlosigkeit, sondern geht davon aus, daß es neben vielen und wichtigen Interessenunterschieden höhere gemeinsame Interessen gibt, um deretwillen die Interessenkonflikte nach fairen Regeln der Gewaltfreiheit ausgetragen werden sollen.

Vernichtung des Partners schließt diese Theorie aus. Das gilt in der Regel auch vom Interessenkonflikt politischer Parteien in einer Demokratie. Jede Partei trachtet, die andere zu schwächen und selbst mehr Einfluß zu bekommen. Das ist legitim.

Nur im besonderen österreichischen Fall zielt die Politik Bruno Kreiskys seit 1970 auf ein zentrales Ziel hin: die ÖVP nicht nur zu schwächen, sondern zu spalten, in eine Wirtschafts-, eine Bauern- und eine Arbeitnehmerpartei aufzusplittern, sie als Volkspartei also zu vernichten.

Diese Interpretation klingt in dieser Kurzanalyse brutal, viel leicht ungerecht — aber sie ist belegbar. Oft genug hat der Bundeskanzler versucht, den Bauernbund oder wenigstens bei gewissen Abstimmungen ein paar Bauernbundabgeordnete aus der ÖVP herauszubrechen oder durch demonstrative Winke in Richtung Industriellenvereinigung und/ oder Wirtschaftsbund Unsicherheit zu stiften.

Alle diese Versuche sind gescheitert. Nun kommt die Brecheisenmethode: durch Einbezie-

hung der Freiheitlichen in eine sozialistisch geführte Koalition sollen der Volkspartei Klientel und Wähler abspenstig gemacht, die Partei zur Auflösung getrieben werden.

Auf diese Entwicklung hat Kreisky systematisch hingearbeitet: von der Wahlrechtsreform 1970 bis zu der im Wahlkampf 1983 wider alle Fakten aufgestellten Behauptung, die Programme von SPÖ und ÖVP seien unvereinbar, die Atmosphäre durch persönliche Beschimpfungen vergiftet.

Daran stimmt nur, daß die Atmosphäre vergiftet ist. Und zwar sehr. Und zwar deshalb, weil diese Art von politischer Vernichtungsstrategie zwar nicht allen bewußt, aber doch weithin spürbar geworden ist.

Die emotionale Polarisierung der großen politischen Gruppen ist in Österreich weit gediehen - viel weiter als in anderen westlichen Demokratien. Teilweise hat sie fanatische Züge angenommen.

Wenn die Wählerstromanalysen stimmen, dann hat es kaum eine Wählerwanderung von der SPÖ zur ÖVP gegeben, sondern Umwegwanderungen über Kleinparteien und bisherige Nichtwähler. Vor allem auch für die Gemeinde Wien dürfte dies zutreffen: Auch wer von der Rathaus- SPÖ bitter enttäuscht ist, bringt es nicht über sich, Volkspartei zu wählen.

Für die umgekehrt^ Stimmungslage gibt es nicht weniger Belege. Gab es nicht gleich wieder eine Richterbeschimpfung, weil ein unabhängiger (nichtsozialistischer) Gesetzeshüter harte WBO-Urteile noch vor dem Wahltag fällte? Hat nicht ein Inserat der SPÖ in der FURCHE manche Leser empört, weil diese schon den Anblick eines Papier-Kreisky nicht mehr ertragen können?

Das alles ist sehr bedauerlich, denn Demokratie lebt vom Wechsel und von der (auch psychologisch vollziehbaren) Fähigkeit des Wählers, diesen Wechsel vorzunehmen. Wenn eine Gruppe die andere nicht mehr ausstehen kann, muß ein solches Haßpotential zur Entladung drängen.

Auch wenn die Walze alt ist, muß sie immer wieder heruntergedreht werden: Die kaltschnäuzige Mißachtung Hunderttausender engagierter Christen in der Abtreibungsfrage durch die heutige Regierungspartei hat zu dieser Polarisierung entscheidend beigetragen.

Für die Rückkehr zur Bestrafung abtreibender Frauen ist vermutlich nur eine kleine Minderheit von Österreichern. Für positive Maßnahmen zur Eindämmung der Abtreibungsseuche sind wahrscheinlich Millionen. Hier könnte die SPÖ mit einer konstruktiven Geste entscheidend zum Abbau höchst emotional aufgeladener Feindbilder beitragen. Wird sie eine setzen?

Ein Plädoyer in diese Richtung sollte nicht als billiges Hineinraunzen der ÖVP in eine große Koalition oder Allparteienregierung mißdeutet werden. Eine kleine Koalition kann legitim sein, seriöse politische Partnerschaft kann auch ohne Großkoalition praktiziert werden.

Demokratiefeindlich ist eine Politik, die offen auf politische Gegnervernichtung zielt.

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