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Wider die guten Sitten

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Retortenbaby, Mietmütter, Samenbank (FURCHE 3/ 85): Die geltenden Bestimmungen ziehen einen engen Rahmen. Dennoch wird der Gesetzgeber Klarstellungen treffen müssen.

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Retortenbaby, Mietmütter, Samenbank (FURCHE 3/ 85): Die geltenden Bestimmungen ziehen einen engen Rahmen. Dennoch wird der Gesetzgeber Klarstellungen treffen müssen.

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Künstliche Befruchtung im Mutterleib:

• Mit dem Samen des Ehepartners oder Lebenspartners: daraus ergeben sich keine rechtlichen Probleme.

# Mit Fremdsamen: Als Vater gut dabei kraft gesetzlicher Vermutung der Ehemann oder -wenn die Frau unverheiratet ist -derjenige, der ihr „beigewohnt hat”. Beide können die Vaterschaft bestreiten (Ehelichkeits-bestreitungs- bzw. Vaterschaftsklage) und ihre Nicht-Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen; dies auch dann, wenn sie vorher der künstlichen Befruchtung ihrer Frau mit Fremdsamen zugestimmt haben (dieser Punkt ist allerdings — mangels klarer rechtlicher Grundlagen — strittig). Im Endeffekt könnte auch der Samenspender unterhaltsrechtiich belangt werden.

Für den Fall, daß sich eine verheiratete oder in gesetzlich anerkannter Lebensgemeinschaft lebende Frau mit Fremdsamen künstlich befruchten läßt, wäre — sofern man diese Möglichkeit nicht von vornherein gesetzlich ausschließen möchte—bei künftigen gesetzlichen Regelungen im Interesse des Kindes daran zu denken, die familienrechtlichen Grundlagen für eine Art unwiderruflicher „pränataler (vorgeburtlicher) Adoption” des Kindes durch den Ehemann oder Lebenspartner der Mutter zu schaffen.

Künstliche Befruchtung außerhalb des Mutterleibes („Retortenzeugung”):

Dabei ergibt sich zunächst das strafrechtliche Problem, daß die damit verbundenen Eingriffe — und hier insbesondere der relativ schwere Eingriff der Eizellenentnahme durch Laparoskopie

(Punktion durch Bauchdecke und Harnblase) — nicht durch den Rechtfertigungsgrund ärztlicher Heilbehandlung gedeckt sind, weil dabei der Rahmen ärztlicher Heilbehandlung überschritten wird.

Es werden nämlich — im Unterschied zur herkömmlichen Sterilitätsbehandlung — kranke Körperfunktionen nicht geheilt, sondern nur künstlich überbrückt. Am Beispiel der häufigsten Sterilitätsursache: die Eileiter bleiben blockiert, es ändert sich am Organstatus der Frau gar nichts.

Als Rechtfertigungsgrund für die mit derartigen Eingriffen verbundenen Verletzungen kommt daher nur die „Einwilligung des Verletzten” (Paragraph 90 Strafgesetzbuch) in Betracht, die jedoch nur bis zur Grenze der „Sittenwidrigkeit der Verletzung als solcher” zulässig ist.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1978 festgestellt:

„Doppelmutterschaft”

„Diese Frage des Verstoßes gegen die guten Sitten läßt sich nur jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der Ziele und Beweggründe der Beteiligten, der Art der angewendeten Mittel und der Schwere der Verletzung entscheiden, ... denn die Körperintegrität stellt nur ein beschränkt disponibles Rechtsgut des einzelnen dar, bei dem sich die Rechtsgemeinschaft eine Mitsprache durch die Beurteilung der Verletzung als sittenwidrig trotz vorliegender Einwilligung vorbehält.”

Es ist nicht auszuschließen, daß ein Strafgericht — einmal damit befaßt — zu dem Schluß gelangt, daß eine künstliche Befruchtung — insbesondere bei Heranziehung von Fremdsamen - als „Ziel und Beweggrund der Beteiligten” den guten Sitten widerspricht, mit der Konsequenz, daß die damit verbundene Eizellenentnahme -mangels Rechtfertigungsmöglichkeit durch Einwilligung — als Körperverletzungsdelikt strafbar wäre.

Bei der Verwendung von Fremdsamen ergeben sich bei der „Retortenzeugung” die gleichen Probleme der „Doppelvater-

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