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Wider die Platitüden der Zeit

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Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (TU Dresden) analysierte jüngst in Kärnten „Spannungsfelder zwischen Mann und Frau"

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Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (TU Dresden) analysierte jüngst in Kärnten „Spannungsfelder zwischen Mann und Frau"

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DIEFURCHE: Wie kann es gelingen, zu einem Gottes- und Menschenbild für Frauen und Männer zu gelangen? Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: Ich beschäftige mich seit Jahren mit der sogenannten Frauenfrage, die gleichzeitig eine Frage nach dem Mann ist. Für mich sind viele Antworten nicht so überzeugend, weil sie von einem zu kurzen Beschreibungsraum ausgehen. Ich denke, das was über 2.000 bis 4.000 Jahre biblisch fundiert ist, hat eine schon lange Bewährungsprobe hinter sich. Es ist so etwas wie geronnenes Leben. Als Christin, die ich sein möchte, kommen mir Entwürfe entgegen, in denen ich über meine subjektiven Neigungen hinauskomme.

UIEFURCHE: Die Gegenwart in ihrem postmodernen Veitstanz meint, alles sei nebeneinander möglich. Für Sie ist wichtig, hinter den beliebigen Verhal-tensweisen zwischen Mann und Frau eine Grundstruktur herauszuarbeiten. Wie sieht diese aus? Gerl-Falkovitz: Die Strukturen, von denen ich ausgehe, beruhen auf einer natürlichen Mitgift. Die Mitgift ist zum einen bei der Frau eine ganz andere Leiblichkeit als beim Mann. Dies ist nicht als simpler Biologismus gemeint. Der liegt mir nicht. Die Frau hat durch ihre biologische Grundausstattung eine andere Beziehung zum Leben als der Mann. Dazu kommt eine andere Vorgabe in der seelischen Anlage. Geschichtlich betrachtet sind Frauen für schwächeres Leben eingestanden. Durchlässig gesagt: Es ist dies die Fähigkeit der Frau, sehr intensiv Ja zu sagen zu Anforderungen.

DIEFURCHE- Sie sprechen statt von Differenzen zwischen Mann und Frau mehr von Asymmetrien.. Gerl-Falkovitz: Ich gehe aus von einer gemeinsamen Menschlichkeit, denn das ist es auch, was ich biblisch fundiert finde. Ich kenne keine andere Hochreligion, die diesen abstrakten Gedanken der Gleichheit der beiden Geschlechter so deutlich ausspricht wie es im Christentum geschieht. Was wir sehen, ist die Ungleichheit zwischen Mann und Frau.

Die Geschlechter sind zueinander nicht symmetrisch. Das Spannende in der Partnerschaft ist, daß keiner um die Fragen und Antworten im voraus weiß.

DIEFURCHE: Was hält Sie als Frau in der Kirche?

Gerl-Falkovitz: Ich denke, daß Frauen eine natürliche Affinität zur Religion haben und einen natürlichen Bezug zu organisierter Religion, also Kirche. Das wesentliche ist dabei die Berührung mit dem Heiligen zu haben, unabhängig ob eine Frau dies vollzieht oder ein Mann.

DIEFURCHE- Das Diakonat sehen Sie fiir die Frau als Möglichkeit Und das Priesteramt?

Gerl-Falkovitz: Ich glaube, daß sich dazu die Diskussion festgefressen hat. Die Alternativfrage, morgen Priesterin oder ich bin weg aus dem Ganzen, ist eine falsch angesetzte Direktheit. Meine Frage lautet: Kann man die Frau an der Sakra-mentenspendung beteiligen? Ist es möglich, daß Frauen in die Verwaltung des Heiligen miteinbezogen werden? Es gehört ja auch eine Erfahrung über mehrere Generationen dazu, um Einsichten zu gewinnen, wie eine solche Gestaltung aussehen muß. Mit der Brechstange vorzugehen, halte ich für die falsche Problemlösung.

UIEFURCHE- Ihr neuestes Buch trägt den Titel „Wider das Geistlose im Zeitgeist". Was reizt Sie so am Zeitgeist?

Gerl-Falkovitz: Seine Platitüden. Die ärgern mich um so mehr als ich behaupte, daß wir aus einer Denktradition kommen, die sehr viel mehr Biß und Pfeffer hat.

Das Gespräch führte Siegmund Kastner

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