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Wie die Bundesrepublik?

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Noch während der Chef der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO), Jassir Arafat, nach seinen mehrtägigen Verhandlungen mit der sowjetischen Führung in Moskau durch andere Hauptstädte der Ostblockländer reiste, begann in der Dachorganisation und in den Zweiggruppen der Palästinabewegung die Diskussion über die künftige Politik. Der Umstand, daß das Führungstrio Breschnjew-Podgorny-Kossyigdn die Verhandlungen mit den palästinensischen Gästen verhältnismäßig untergeordneten Funktionären überließ, der PLO die Eröffnung eines Büros in Moskau als Vorstufe zur Einrichtung einer eigenen Botschaft

noch immer verwehrte und eher vage Hilfsversprechungen von sehr konkreten Voraussetzungen abhängig gemacht zu haben scheint, stößt bei den Palästinensern verständlicherweise auf Enttäuschung. Doch selbst die militanten Linksgruppen sind sich darüber klar, daß ohne sowjetische Unterstützung auf diplomatischem, politischem, militärischem und wirtschaftlichem Gebiet keines der palästinensischen Ziele erreichbar ist.

Kenner der Guerillaszene beobachten in letzter Zeit einen deutlichen Rückgang des Einflusses der Radikalen. Sie konstatieren in den Führungsgremien der Dachorganisa-

tion, beim Gros der einzelnen Freischärlergruppen und bei den Massen in den Flüchtlingslagern den Beginn eines Umdenkprozesses, der von zwei Prämissen ausgeht: erstens scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß eine Teilnahme an den geplanten Genfer Friedensverhandlungen unvermeidlich ist. Zweitens wächst die Bereitschaft zum Sichabfinden mit den historischen Tatsachen. Im Klartext heißt das, daß die PLO darauf hinarbeitet, mit einer selbständigen Delegation über ihre Forderungen in Genf verhandeln zu können, und daß sie sich im Endeffekt mit einem Rumpfstaat abfinden würde.

Gemäßigte Guerrillerosprecher geben der Opposition der radikalen Randgruppen auf der Linken jetzt etwa den Stellenwert der westdeutschen Flüchtlinigsverbände nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch die

Bundesrepublik habe fast dreißig Jahre lang offiziell an dem Ziel der nationalen Wiedervereinigung festgehalten und betrachte sie selbst nach dem Zustandekommen der Öst-verträge als formellen Verfassungsauftrag. Den Palästinaguerrilleros dürfe man es daher nicht verdenken, wenn sie auch nach einer friedlichen Beilegung des Nahostkonfliktes an dem Fernziel einer Wiederherstellung ganz Palästinas festhielten. Man könne ja wirklich nicht wissen, ob in Israel und in dem zu gründenden neuen arabischen Staat Palästina nicht eines Tages eine Entwicklung zustande komme, die eine Verwirklichung dieses Zieles ermögliche. Es bedürfe internationaler Garantien für die territoriale Unversehrtheit aller Staaten des Nahen Ostens, die eines Tages durch einen bilateralen Gewaltverzicht zwischen Palästina und Israel abgelöst werden könnten.

Diese zunächst noch theoretischen Überlegungen gemäßigter Kreise der Guerrillabewegung stoßen sich gegenwärtig noch nicht nur an der Kritik der Militanten. Selbst die Verständigungswillilgen sehen auf dem langen Weg zum Frieden noch ein unüberwindlich scheinendes Hindernis: Jerusalem. Kein Araber, so sagen sie, könne auf den Besitz Jerusalems verzichten. Es sei der drittheiligste Platz des Islam und der natürliche nationale Mittelpunkt des Volkes von Palästina. Aus allen Gesprächen über die Zukunft ganz Palästinas gewinnt man den Eindruck, daß der Konflikt nur lösbar ist, wenn Israel in dieser Stadt das substantielle Zugeständnis eines Verzichtes auf den arabischen Teil macht. Ein solcher Verzicht wäre, wie manche palästinensischen Stimmen begütigend durchblicken lassen, durchaus nicht gleichbedeutend mit der Wiedererrichtung der bis zum Juni 1967 bestehenden Teilung. Einstweilen noch wenige, aber gewichtige palästinensische Funktionäre sehen in einem offenen Jerusalem als Hauptstadt zweier Völker sogar die beste Garantie für eine allmähliche Aussöhnung zweier verfeinde-ter Nationen.

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