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Wie die „Fußmaroden“

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Österreich ist als rohstoffarmes Land extrem importabhängig. Sein Wohlstand und seine Lebensfähigkeit hängt von einem hohen Export an Finalprodukten ab, mit dessen Hilfe der Import bezahlt werden kann. Das österreichische „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit, weniger beachtet als das deutsche, aber — angesichts der ungünstigeren Voraussetzungen — eigentlich das imposantere, bestand darin, daß Österreich international konkurrenzfähig wurde und auch ohne Zollbarrieren und Importhindernisse seine Zahlungsbilanz ausgeglichen halten, ja sogar einen beträchtlichen Devisenpolster anlegen konnte.

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Österreich ist als rohstoffarmes Land extrem importabhängig. Sein Wohlstand und seine Lebensfähigkeit hängt von einem hohen Export an Finalprodukten ab, mit dessen Hilfe der Import bezahlt werden kann. Das österreichische „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit, weniger beachtet als das deutsche, aber — angesichts der ungünstigeren Voraussetzungen — eigentlich das imposantere, bestand darin, daß Österreich international konkurrenzfähig wurde und auch ohne Zollbarrieren und Importhindernisse seine Zahlungsbilanz ausgeglichen halten, ja sogar einen beträchtlichen Devisenpolster anlegen konnte.

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Die Handelsbilanz allein — also das Resultat von Exporten und Importen — war zwar immer leicht defizitär, aber das Fassivum hielt sich in angemessenen Grenzen, so daß Tourismus, Transitverkehr und andere Dienstleistungen den Ausgleich schaffen konnten.

Seit 1971 hat sich diese Situation gründlich gewandelt. Das Außenhandelsdefizit ist explodiert, die Dienstleistungen sind immer weniger imstande, das Passivum abzudecken, der Zahlungsbilanzausgleich wird durch Kapitalimporte bewerkstelligt, d. h. Österreich verschuldet sich gegenüber dem Ausland immer mehr.

Die Zahlungsbilanz bestätigt das, was Kritiker immer wieder der Regierung Kreisky vorwerfen: Diese verbraucht in kurzer Zeit immer mehr von der Substanz, welche in einem Vierteljahrhundert mühsam geschaffen worden ist. Die Super-konjunktur zu Anfang der siebziger Jahre und die gegenwärtige relativ geringe Arbeitslosigkeit sind nicht das Resultat einer soliden Wirtschaftspolitik, sondern eines Ausverkaufs, einer internen und internationalen Verschuldung, welche auf längere Sicht die schwer erkämpfte internationale Konkurrenzfähigkeit und damit die Existenzsicherung Österreichs in Frage stellen muß. Die aktuelle Schuldenpolitik muß Österreich letzten Endes ins Lager der „Fußmaroden“ wie Italien und Großbritannien führen.

Allein von 1970 bis 1973 hat sich das österreichische Außenhandelsdefizit mehr als verdoppelt. Infolge der verschlechterten Konjunktursituation und des dadurch sinkenden Importbedarfs ist das Passivum seither — trotz gleichfalls rückläufiger Exporte — etwas geringer geworden, lag aber auch 1975 noch um mehr als 90 Prozent über dem Niveau von 1970.

Unter diesen Voraussetzungen ist jeder Versuch einer autonomen Konjunkturbelebung außerordentlich problematisch: Eine Konjunktur, welche durch höhere Staatsausgaben und verstärkten inländischen Konsum in Gang gesetzt wird, bringt zwangsläufig vermehrte Importe mit sich, ohne daß diese durch entsprechende Exporte kompensiert würden.

Hätten wir die Hochkonjunktur richtig genutzt und im Außenhandel „Speck angesetzt“, d. h. mehr exportiert als importiert und auf diese Weise ein Handelsbilanzaktivum geschaffen, wir könnten uns heute eine autonome Konjunkturankurbelung leisten. Infolge des gerade in dieser Zeit explodierten Außenhandelspas-sivums ist jedoch gegenwärtig die Ausgangsposition dafür denkbar ungünstig. Wir sind auf dem besten Weg, zum Monsterbudgetdefizit auch noch ein Monsteraußenhandelspas-sivum zu erwirtschaften.

Im ersten Moment sieht freilich die Situation nicht so ungünstig aus: Das Außenhandelspassivum war 1975

gegenüber 1974 rückläufig. Dies ist aber nur auf eine Kontraktion des gesamten Außenhandelsvolumens zurückzuführen; Import und Export sind nämlich ziemlich gleich um zirka vier Prozent zurückgegangen. Damit hat sich zwangsläufig auch die absolute — nicht relative — Höhe des Passivums verringert. Wird aber dieser Gleichschritt durch verstärkten Importbedarf aus dem Takt gebracht, so muß das Defizit sogar bei weiterer Kontraktion des Außenhandels steigen.

Wie sehr diese Befürchtung zu Recht besteht, zeigt ein Blick auf das letzte Quartal 1975 — also auf die Periode der ersten schüchternen Konjunkturankurbelungsexperimente: Prompt waren die Importe nur noch in unbedeutendem Maß gegenüber der gleichen Vorjahresperiode rückläufig, während sich die Exporte gegenüber dem Vergleichszeitraum um kräftige fünf Prozent verringerten. Im Gegensatz zum Ganzjahrestrend war also das Defizit im letzten Quartal 1975 gegenüber dem Vorjahr schon wieder steigend.

Eine Analyse der einzelnen Außenhandelspositionen im Gesamtjahr 1975 bringt keine positiveren Aspekte: Während alle übrigen Importpositionen rückläufig waren, verzeichneten ausgerechnet Ernährung, Brennstoffe und Energie sowie Maschinen und Verkehrsmittel einen steigenden Trend. Im Anstieg der drei ersten Positionen kommt einerseits die internationale Verteuerung von Energie und Nahrungsmitteln, anderseits die steigende Importabhängigkeit Österreichs gerade beim Primärbedarf zum Ausdruck.

Der Anstieg der Position Maschinen und Verkehrsmittel ließe zunächst auf eine beginnende Investitionskonjunktur in Österreich und damit auf den Beginn eines selbsttragenden Aufschwungs schließen. Eine detailliertere Analyse zerstört allerdings diese Hoffnungen: Der Anstieg war lediglich auf die über-

dimensionierten Importe von Kraftfahrzeugen zurückzuführen.

Die Prophezeiung vieler Wirtschaftsexperten, daß der zu Beginn des Vorjahres inszenierte „Konjunkturstoß“ der ausländischen Wirtschaft — speziell der Autoindustrie — und nicht der inländischen zugute kommen werde, hat sich voll bewahrheitet.

Exportseitlg sind die Einbußen vor allem bei Finalprodukten — speziell

bei Papier und Papierwaren sowie bei Eisen und Stahl — zu registrieren, also gerade in den für den österreichischen Außenhandel wichtigen Ausfuhrpositionen. Die Situation auf dem Außenhandelssektor sieht also nicht gerade günstig aus. Wenn uns nicht bald eine echte und nachhaltige Trendumkehr gelingt, werden wir mit der internen Konjunktur-ankubelung nicht sehr weit kommen.

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