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Wie eine 1000-Mark-Sperre

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Von bösen Erfahrungen und bangen Erwartungen ist die Situation des österreichischen Fremdenverkehrs im letzten Zwölftel des Jahres 1973 gekennzeichnet: erstmals, jedenfalls in den letzten zehn Jahren, ist die Zahl der Ausländerübernachtungen in Österreich gesunken; erstmals seit dem Krisenjahr 1967 erreicht der Zuwachs der Deviseneinnahmen aus dem Fremdenverkehr nicht die Höhe der Inflationsrate. Kurz: das Fremdenverkehrsge-

schäft stagniert und es stagniert vor allem dort, wo man sich in den letzten Jahren einen Höhenflug versprochen hat. Solange es nur irgendwie ging, wurden leichte Rückgänge mit dem gewünschten Trend zum „qualitativen“ Tourismus erklärt; heute weiß man, daß daraus nichts wird: ausgeblieben sind in Österreich vor allem die Gäste aus den Vereinigten Staaten, aus Großbritannien, aus Skandinavien und aus Frankreich, also aus jenen Ländern, deren Besucher bereit sind, für höhere Ansprüche auch höhere Preise zu bezahlen.

Ehe diese bösen Erfahrungen von der österreichischen Fremdenver-feehrswirtschaft halb verdaut wurden, muß sie angesichts der weltweiten Erdölverknappung mit ban-

gen Erwartungen schwanger gehen. In den Nachbarstaaten Deutschland, Schweiz und Italien wurde bereits das Sonntagsfahrverbot ausgesprochen, eine Maßnahme, die nach Meinung eines Fremdenverkehrssprechers im Nationalrat „in ihren Auswirkungen für Österreich der berüchtigten 1000-Mark-Sperre gleichen wird“.

Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf den Fremdenverkehr in Österreich sind absehbar.

Zufolge einer Salzburger Studie über den Fremdenverkehr entfallen fünfzig Prozent des Fremdenverkehrsaufkommens auf den Tages- und Wochenendausflugsverkehr; in Tirol weiß man, daß 60 Prozent der Touristen aus der Bundesrepublik Deutschland nur für einen Tag, zumeist den Sonntag, nach Österreich kommen. Die Vorarlberger Liftkapazität kann gar nicht von den inländischen Skifahrern genutzt werden, dazu braucht man unbedingt die Wintersportler aus der Bundesrepublik und aus der Schweiz, und aus Oberösterreich mehren sich ebenfalls die Klagen über eine Winterfremdenverkehrskatastrophe.

Nun beteuern die kompetenten Stellen der Bundesregierung sehr überzeugend, daß Österreich ange-

sichts der für alle Staaten bedrohlichen Energiekrise keine Ausnahme sein kann, noch Ausnahmeregelun-gen für sich beanspruchen dürfe. Schon aus Gründen eines „good-will“-Aktes sei man daher gezwungen, über kurz oder lang ein Sonntagsfahrverbot zu verfügen. Dagegen ist schwer etwas einzuwenden, wenn sich auch die Frage stellt, warum seitens des Handelsministeriums die Frage der Benzinrationierung unter gar keinen Umständen gestellt wird. Die Behauptung, daß auf diese Weise ein „schwarzer“ Benzinmarkt entstehen könnte, kann einer Regierung, die doch sonst so schwärmerisch von Preisregelungen spricht,

ohne an ähnliche Folgen zu denken, abgenommen werden.

Dabei wäre es überdies denkbar, daß die heimischen Autofahrer solidarischen Aktionen recht aufgeschlossen gegenüberstehen würden. Deshalb scheint der Gedanke, die Autofahrer zu veranlassen, einen oder gar zwei Tage in der Woche ihr Auto stehen zu lassen und sich eines Massenverkehrsmittels zu bedienen, durchaus realisierbar. An der Auto-windschutzscheibe angebrachte Vignetten könnten bezeugen, daß der betreffende Autofahrer heute autoabstinent ist — wer an solche solidarische Aktionen denkt, dem werden in dieser Richtung genug Einfälle kommen.

Solche Maßnahmen würden bei entsprechend sinkendem Benzinverbrauch ein Sonntagsfahrverbot entbehrlich machen und könnten auch anderen Staaten als Vorbild dienen. Eine solche Sparsamkeit würde in

weiterer Folge wahrscheinlich auch die Monopolstellung mancher ölpro-duzierender Länder schwächen.

Es ist entbehrliches Prestigegedenken, das diese Bundesregierung davon abhält, an eine Rationierung des Benzins zu denken. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß sie — bedenkt man, daß erst im Februar 1974 die augenblickliche Durststrecke zu Ende sein kann — früher oder später das Problem der Rationierung wird angehen müssen. Der österreichische Fremdenverkehr, aber auch der Fremdenverkehr in anderen europäischen Staaten (Italien, Frankreich, Holland) steht vor einer Katastrophe, die, einigen guten Willen und Mut zum Notwendigen vorausgesetzt, in ihrem Ausmaß stark eingeschränkt werden könnte. Wären da nicht gerade vom Fremdenverkehrs-Hauptproflteur Österreich vernünftige Vorschläge zu erwarten?

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