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Wie es so war...

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Es gab die k. u. k. Monarchie schon zehn Jahre nicht mehr, als Franz Molnär das Spiel „Olympia“ schrieb, in dem die allerhöchsten Herrschaften, die sozusagen ständig das Auge des Kaisers auf sich ruhen fühlten, noch einmal zu lebendigstem Leben erstanden. Geht das aber uns noch etwas an? Wieder wird das Stück als Neuinszenierung im Theater in der Josefstadt aufgeführt, und es wirkt.

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Es gab die k. u. k. Monarchie schon zehn Jahre nicht mehr, als Franz Molnär das Spiel „Olympia“ schrieb, in dem die allerhöchsten Herrschaften, die sozusagen ständig das Auge des Kaisers auf sich ruhen fühlten, noch einmal zu lebendigstem Leben erstanden. Geht das aber uns noch etwas an? Wieder wird das Stück als Neuinszenierung im Theater in der Josefstadt aufgeführt, und es wirkt.

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Die junge attraktive Fürstir Olympia, von Durchlaucht Mam; sorgsam beraten, glaubt mit selbstverständlicher Anmaßung an die biologische Ungleichheit der Menschen so, daß ein Husarenrittmeistei ohne „von“ und aus ungarischen Bauerngeschlecht abgrundtief untei den Hochadeligen rangiert. Nur, dii Liebe kümmert sich nicht darum Operettenvorwurf von einst? Odei ein k. u. k. „Alt-Heidelberg“ in femininer Ausgabe? Keineswegs.

Hier ging es Molnär darum, nachträglich den Adelsdünkel, wo er vorhanden war, in seiner Hohlhei durch einen Streich bloßzustellen, mi dem der in seiner Liebe tief verletzte Rittmeister wohlgezielte Revanche nimmt, den Hochmut aus dem Satte hebt. Dennoch zögert man, das Wor postume Gesellschaftskritik auszusprechen, denn selbst wenn Molnäi zeigt, mit welch gewinnendem Lä cheln die Damen aus dem Umkrei: Seiner Majestät einander bissigi Bosheiten servieren, geschieht die; mit solcher Noblesse, daß man nui selbst lächelnd einen allgemeii menschlichen Zug feststellt. Da: heißt: bietet Molnär die versunkene Zeit dar, wird Charme spürbar.

Unter der Regie von Peter Loo. kennzeichnet diese Noblesse, diese: Charme das Spiel. Ureigenste „Josef-stadf-Wirkung. Christine Hörbiger hat als Olympia, kühl-attraktiv, den zum Wanken gebrachten Hochmut, Vilma Degischer zeichnet besonders nuanciert ihre Mutter. Bert Forteü gibt dem Rittmeister richtige Haltung bei guter Figur, doch ist er wohl nicht der Typ, in den sich Olympia verlieben würde. Fritz Mu-liar müßte als Gendarmerieoberstleutnant die Komik beträchtlich dämpfen. Treffliche Gestalten: Erik Frey als General, Guido Wieland als Oberststallmeister, Marianne Schönauer als Lina. Inge Fiedler bietet ein Bühnenbild im Jugendstil, Eva Sturminger entwarf für die Damen besonders reizvolle Kostüme.

Eine wenig bekannte Posse von Nestroy, die bei der Uraufführung Anno 1844 durchfiel, vor Jahren von einer Wiener Kleinbühne wieder herausgebracht wurde, ist nun im Volkstheater zu sehen: „Das Gewürz -krämerkleeblatt“ oder „Die unschuldig Schuldigen“. Hier übernahm Nestroy aus einem deutsch uraufge-führten Vaudeville ein Kleeblatt von Ehemännern — bei ihm sind es Gewürzkrämer —, deren jeder sich voll Behagen in seinem vermeintlich ungestörten Eheglück wiegt, während er jeden der beiden Freunde für betrogen und unfaßbar blind gegenüber den Eskapaden der zugehörigen Gattin hält. Alle drei gewürzkräme-rischen Ehefrauen techtelmechteln nun tatsächlich, und zwar mit dem gleiiäien Kommis, woraus sich die Verwicklungen ergeben. Die Turbulenz der Szenen steht in drolligem Widerspruch zu der Harmlosigkeit des erregenden Anlasses.

Überlegene Possenroutine ist da am Werk, doch die Charaktere der Ehemänner und Gattinnen sind lediglich kurzerhand verdreifacht, offenbare Schnellarbeit. Aber Nestroyisch-Facettiertes blitzt auch hier im Wirbel scharf geschliffener Antithesen auf. Diese Spielvorlage nützt Regisseur Gustav Manker zu einer überaus wirksamen Aufführung, in der das gleichsam mechanische Spielwerk der Possensituationen durch ebenso witzig, wie behaglich eingesetzte Qualität des Schauspielerischen gelöst wird. Vorab sind es Peter Hey, Rudolf Strobl und Herbert Propst als Kleeblattler, die geradezu exzellieren. Die Ehegattinnen, Hilde Sochor besonders, Brigitte Swoboda und Renate Bernhard, stehen kaum nach. Franz MoraJc freilich glaubt man als Kommis nicht die Wirkung auf die Weiblichkeit, seine abstrakte Energie schafft das nicht. Unter den übrigen Mitwirkenden bietet Walter Langer als zweiter Kommis eine gut gezeichnete Gestalt. Die ansprechend biedermeierlichen Bühnenbilder schuf Heinz Ludwig, die dazu abgestimmten Kostüme Maxi Tschunko, Norbert Pawlicki richtete die reizvolle Musik von Adolf Müller ein und schrieb aktuelle Couplet-Strophen.

Unter den vielen Freunden, die Carl Sternheim in Berlin, auf seinem Schloß bei München, manche wohl auch später in dem bei Brüssel aufsuchten, gab es einen, den er als seinen Schüler bezeichnete: der Arztsohn aus Ostpreußen Ernst Kam-nitzer, der später zum Katholizismus übertrat. Nach Plänen von Sternheim schrieb er das Lustspiel „Die Nadel“, das nach sieben Jahren in einer Neuinszenierung abermals im Ateliertheater zu sehen ist. Höllriegel findet im Bett des bei ihm wohnenden Zimmerherrn Schatte eine Haarnadel und nützt dies, um vor allem ihn, den Bräutigam der einen, dann der anderen Tochter, lustvoll quälend zu tyrannisieren. Wechselnden, ja, sich widersprechenden Einwirkungen wird Schatte hilfloses, seiner Peiniger aber verheerendes Opfer. Eben das Widersprechende erweist den sadistischen Antrieb, für den jedes Argument Mittel ist. Damit wird das wilhelminische Verhältnis von Obrigkeit und Untertan, von Kommandiersucht und Knechtseligkeit aus dem Beispiel biederer Bürger herauspräpariert.

Das ist völlig die Art Sternheims, einschließlich des „Stechschritts der Worte“, wie Alfred Polgar diese Diktion bezeichnete. Nur wäre gegen Schluß manche Szene zu streichen. Regisseur Peter Janisch bietet eine flotte, vereinzelt preußisch akzentuierte Aufführung mit Karl Do-bravsky als ständig tobender Höllriegel und Hellmuth Hron als ihm wehrlos ausgelieferter Schatte in den Hauptrollen. Bühnenbildner Günther Tayrich umrahmte die Bühne mit Jugendstilmotiven und verfremdete mit den Tapeten das muffige Wohnzimmer.

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