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Wie es zum Staat Israel gekommen ist

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In den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde Wien gleichsam zu einer Werkstatt der modernen Politik. Der Zionismus war die letzte dieser erstaunlichen Schöpfungen Wiens und Theodor Herzl gewissermaßen die Verkörperung der theatralischen, expressionistischen Politik dieser Stadt. Aber wie Herzl selbst bemerkte: „Nur das Phantastische ergreift die Menschen.“

Es scheint auch so gut wie unmöglich, Herzl und sein Werk zu begreifen, ohne die Wiener Zusammenhänge genau zu kennen. Und hier sei auch die einzige Kritik an Walter Laquers blendender „Geschichte des Zionismus“ angebracht: der österreichische Hintergrund des Zionismus scheint ihm nicht sonderlich geläufig zu sein.

Ansonsten kann dieses Buch nur weiterempfohlen werden. Denn es ist ein klarer, ausgewogener und wohldurchdachter Beitrag zu den Ereignissen, die zur gegenwärtigen Krisensituation im Nahen Osten führten.

Das Buch geht der Geschichte des jüdischen Problems auf den

Grund - sowie dem zionistischen Ansatz, dieses zu lösen — und zwar von den Anfängen der jüdischen Emanzipation in Europa bis zur Gründung des Staates Israel 1948. Obwohl unmittelbarer Zeuge dieses letzten Ereignisses, zeichnet sich Laquers gesamtes Werk durch bewundernswerte Unparteilichkeit aus.

Objektivität und Unparteilichkeit bedeuten indes keineswegs gutgemeinte Gleichgültigkeit, und der Autor vertritt sehr wohl eigene Ansichten und ist auch bereit, diese zu diskutieren. Jede einzelne Seite des Buches enthält scharfe Einblicke und kernige Argumente.

Die abschließenden 13 Thesen sollten mit besonderer Auf

merksamkeit gelesen werden. Denn hier werden eine Fülle brillanter politischer Analysen geboten und Paradoxe aufgezeigt. So führt der Autor an, daß „die wütendste und mörderischste Form des Antisemitismus“ nicht in Osteuropa herrschte, „wo die .objektive Judenfrage am akutesten war“. Und treffend fügt er hinzu, daß dieses Paradoxon „allen Versuchen Hohn spricht, den Antisemitismus sozio-ökonomisch zu erklären“.

Laquer kommt in seinem Buch ohne die Krücken vorfabrizierter Kategorien aus und kann deshalb auch mit dem Zionismus selbst überaus kritisch ins Gericht gehen. Ein anderes Paradoxon, auf das er in dieser Hinsicht hinweist: Zwar verurteilt der Zionismus die Assimilation von Juden, die zionistische Ideologie selbst ist indes durch und durch ein Produkt der westlichen Kultur.

DER WEG ZUM STAAT ISRAEL. Geschichte des Zionismus. Von Walter Laquer. Europa-Verlag. Wien-ZUrich-Miin- chen 1981.672 Seiten, Ln., öS 208,-.

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