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Wie gewinnt man die Zukunft?

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Zum 34. Mal fand im Auditorium maximum der Universität Wien die Evangelische Woche statt. Ein Generalthema hat es offiziell nicht gegeben, und doch könnte man die wäh-_ rend dieser Tage gehaltenen Vorträge unter das Thema „Die Zukunft gewinnen“ zusammenfassen.

Was war das Besondere der diesjährigen Evangelischen Woche? Univ.-Professor Hans-Christoph Schmidt-Lauber forderte eine spezifisch evangelische Frömmigkeit als einen notwendigen Beitrag zur Ökumene. „Weil“, wie er sagte, „die evangelische Kirche in den Augen vieler Zeitgenossen nicht mehr unbedingt die moderne, offenere und dem Evangelium nähere Kirche ist.“ Um so nötiger sei daher auch die Profilierung der Evangelischen von der Mitte der Reformation her. Die Zielvorstellung der ökumenischen Bewegung, der jetzt auch die Majoritätskirche dieses Landes angehöre, sei nicht die uniforme Kirche, sondern das Miteinander, vielleicht sogar sehr unterschiedlicher Frömmigkeitsformen, die sich jedoch nicht mehr gegenseitig ausschließen.

Der Dialog zwischen den Religionen ist nach Ansicht von Univ.-Prof. Heinrich Ott aus Basel eine Aufgabe unserer Zeit Die Menschen seien einander auf diesem Erdball nähergerückt wie nie zuvor, die großen Weltreligionen Nachbarn geworden. Die Menschheitsfamilie habe ein einziges gemeinsames Schicksal und damit stelle sich für die christliche Theologie in sämtlichen Konfessionen mit unerhörter Dringlichkeit die Frage, wie man anderen Religionen zu begegnen habe.

Ob und inwieweit die Kirchen der Dritten Welt eine Herausforderung für uns bedeuten, behandelte Pfarrer Karl-Heinz Rathke aus Linz. Er meinte, es sei nicht zu übersehen, daß gewisse Aspekte und Verhaltensweisen der Kirchen in der Dritten Welt viele beunruhigen. Die Dialogfreudigkeit der Kirche in Asien, die Aggressivität der „Schwarzen Theologie“ und der Synkretismus der afrikanischen Theologie sowie die Theologie der Befreiung in Lateinamerika scheinen ein Abgleiten ins Nachchristliche und Heidnische zu signalisieren. Dazu komme für unser Empfinden eine gewisse Unbedenklichkeit gegenüber marxistischen Theorien. Pfarrer Rathke forderte, daß das europäische Christentum sich diesen Problemen stellen und einen Lernprozeß durchmachen müsse.

Wenn man die Zukunft gewinnen will, darf man die Vergangenheit nicht verlieren. Und daß über all diesen auf das europäische Christentum zukommenden Problemen Kirchen unserer Nachbarländer, vor allem jener Länder, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zur ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie gehört haben, nicht vergessen werden dürfen, war das Anliegen des steirischen Superintendenten Dieter Knall. Er stellte fest, daß, wer den Kirchen in Osteuropa keine Zukunftschancen mehr einräume, wer also die Prognose stelle, daß die Kirchen unter dem marxistischen Atheismus keine Zukunft mehr haben, selbst zum Atheisten werden, da Gott auch die Christen im Ostblock ruft und beruft

Die Fragen der Versorgung, des Wachstums und der Entwicklung auf der Welt in den nächsten fünfzig Jahren standen im Mittelpunkt des Vortrages von Prof. Wolf Häfele, Laxen-burg. Obwohl keine exakten Voraussagen gemacht werden könnten, sei anzunehmen, daß man nur bis zum Jahr 2000 so weiterleben könne wie bisher. Ab diesem Zeitpunkt werde man mit geänderten Verhältnissen zurechtkommen müssen. Wenn der Mensch sich den kommenden Problemen verantwortlich stellt, so Häfele, und das Seine dazu beiträgt, um die Zukunft zu bewältigen, könne er sich getrost auch in diesen Fragen Gott anvertrauen.

Es wird sicher auch im nächsten Jahr eine Evangelische Woche geben. Das Wertvolle an dieser Woche ist die Tatsache, daß hier Wissenschaftler, Pfarrer und Praktiker aus dem Bereich der evangelischen Kirche ihren Beitrag leisten, der nur in der Konfrontation mit anderen jenen Erfolg bringen kann, der den Menschen unserer Zeit die Bewältigung der Alltagsfragen ermöglicht und so dieser Welt Hoffnung geben kann, die Zukunft zu gewinnen.

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