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Wie „grün“ kann der Fiskus sein?

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In die zweite Etappe der Steuerreform sollen ökologische Gesichtspunkte einfließen. Das sagen heute bereits übereinstimmend alle Parteien. Aber wie soll das geschehen ? Diese Frage hat Konfusionund Zank ausgelöst.

Eine gewisse Annäherung von Standpunkten ist zumindest noch vorstellbar, wenn es um die Möglichkeit von Abgaben auf diverse umweltschädigende Produkte und Tätigkeiten geht. Bei der Idee einer Energiesteuer scheiden sich aber bereits die Geister. Wahrend die einen um die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Produkte bei Einführung einer solchen „Primärenergieabgabe“ bangen, hat man im Finanznünisterium in diesem Zusammenhang überraschenderweise sogar die Einkommensverteilung aus ihrem ansonst absoluten Schattendasein geholt und führt ins Treffen, daß eine Energiesteuer „negative Verteilungswirkungen“ hätte.

Anderswo, zum Beispiel in der Bundesrepublik, aber auch in Schweden und anderen Ländern, ist die Diskussion um zumindest eine Runde weiter gediehen. Dort beißt man sich nicht mehr an punktuellen Einzelmaßnahmen fest, sondern studiert bereits umfassende Konzepte. Zum Beispiel dasjenige einer ökologischen oder Öko-sozialen Steuerreform.

Zu verstehen ist darunter eine Umgestaltung und Umstrukturierung des gesamten Steuersystems nach ökologischen Gesichtspunkten. Struktur und Ausmaß der Besteuerung diverser Einkommensund Verbrauchskategorien sollen anders als in der derzeit ziemlich pervertierten Verfahrensweise, bei welcher der Arbeitseinsatz kräftig besteuert wird, die Umweltbelastung hingegenfastkostenlos bleibt, neu konzipiert werden.

Sicherlich sind hiezu noch viele Untersuchungen über volkswirtschaftliche Effekte und ökologische Wirksamkeit erforderlich, wesentlich erscheint aber im derzeitigen Stadium die Vorlage konkreter Vorschläge. In Schweden etwa hat ein Ausschuß solche Steuerreformvorschläge ausgearbeitet und der Regierung vorgelegt

In der Bundesrepublik geht neben den Grünen nun auch die SPD mit einem ökologischen Steuerreformprogramm in den Wahlkampf, das vielen vielleicht - nicht zu Unrecht - noch etwas unausgegoren erscheint.

Laut stellvertretendem Parteivor-sitzendenOskar Lafontaine, der das Programm präsentierte, möchte die SPD der Bevölkerung über das Steuersystem preisliche Anreize geben, sich ökologisch vernünftig zu verhalten. Unter anderem würde sich diese Neugestaltung des Steuersystems in einer Erhöhung der Mineralölsteuer um 50 Pfennig pro Liter niederschlagen. Diese Mehreinnahmen sollen zur Unterstützung von Rentnern und Arbeitslosen, aber auch zur Entlastung der Lohnkosten bei den Unternehmen verwendet werden.

Das Rüstzeug zu diesen Reformen holt man sich bei einigen wissenschaftlichen Instituten, die sich schon lange mit derartigen Projekten beschäftigen, etwa beim Umwelt- und Prognoseinstitut in Hei-delberg oder beim Institut für Europäische Umweltpolitik in Bonn. Dort wird seit Jahr und Tag kritisiert, daß ein sehr großer und immer noch wachsender Teil der Steuereinnahmen der Industrieländer aus der Besteuerung von menschlicher Arbeitskraft resultiert. Der Verbrauch von Umwelt sei hingegen nach wie vor fast gratis.

Die Lösung des Problems über Abgaben wird eher als ungünstig betrachtet, weil diese eben Kostenfaktor sind und im internationalen Wettbewerb - sofern andere Länder nicht mitziehen - den Unternehmen tatsächlich nur in begrenztem Umfang aufgebürdet werden sollten. Deshalb wird es als sinnvoller angesehen, die Steuerpolitik in die Umweltpolitik einzubeziehen, und das ginge in einer „wirtschaftsverträglichen“ Form.

„Wirtechaftsverträglich“ heißt, daß die Erträge aus den Umwelt-steuem zur Entlastung anderer besteuerter Objekte verwendet werden. Im Prinzip kommt es dabei lediglich zu Umschichtungen zwischen den Steuerobjekten, wodurch die gesamte Steuerbelastung im wesentlichen unverändert bleibt. Netto belastet werden sollen eben nur energieintensive „Schmutzfin-ke“. Energiesparende und umweltbewußte Unternehmen und Verbraucher werden entlastet.

Die genannten Institute haben imposante Listen von Vorteilen eines ökologisch orientierten Steuersystems zusammengestellt:

• Ökosteuern stellen ein kräftiges Signal an Verbraucher und Wirtschaft dar, mit Umwelt und Ressourcen sparsam umzugehen.

• Werden aus denErträgen der Ökosteuern Lohnnebenkosten abgebaut, wird Arbeit im Vergleich zu Maschinen und Energie relativ billiger. Dadurch könnten Beschäftigungseffekte eintreten, die Arbeitslosigkeit und der Anreiz zu Schwarzarbeit sinken. Das entlastet das Sozialversicherungssystem.

• Eine unsoziale Belastung der Verbraucher kann insofern teilweise vermieden werden, als diese ja selbst entscheiden können, ob sie auf umweltfreundliche, daher unbe-steuerte und somit billigere Produkte umsteigenkönnen. Dies mag nicht in allen Fällen möglich sein (zum Beispiel bei Heizenergie); dann müßte bestimmten gefährdeten Gruppen (Pensionisten, kinderreichen Familien) mit gezielter Subjektförderung unter die Arme gegriffen werden.

• Die Konsequenzen dieser Maßnahmen auf die Verkehrspolitik werden dazu führen, daß die Bahn für den Güter- und Personentransport wieder konkurrenzfähiger wird. Weitere Zuschüsse können damit zumindest reduziert werden.

• Die Abhängigkeit von importierter Energie wird mit sinkendem Verbrauch zurückgehen, die langfristige Versorgung gesichert.

• Die Akzeptanz mancher Ökosteuern könnte in der Bevölkerung groß sein, weil man sich ihnen im Unterschied zu Lohn- und Mehrwertsteuern durch individuelle Kaufentscheidungen entziehen kann.

• Innovationen und Marktchancen für umweltfreundliche Produkte werdengefördert. Dadurch wird ein technologischer Vorsprung in einem zweifellos wichtiger werdenden Produktionszweig gesichert. • Auch das Handwerk wird in dem Maße aufgewertet, als es haltbare und reparierbare Produkte anstelle von Wegwerferzeugnissen herstellt.

Natürlich gibt es Probleme und Schwierigkeiten, wie die Harmonisierung solcher Maßnahmen zwischen möglichst vielen Ländern und beispielsweise die Tatsache, daß die mächtigen Autofahrerorganisationen etwa gegen eine Benzinpreiserhöhung Sturm laufen werden.Die Ausrede jedenfalls, daß es keine umfassenderen und tief ergehenden Reformkonzepte anstelle des Fortwursteins mit dem bestehenden Steuersystem gibt, gilt nicht mehr.

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