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Wie hohe Defizite halten wir aus?

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Was schadet schon ein Budgetdefizit, was ein Außenhandelspassivum? Hauptsache, wir haben Vollbeschäftigung und Massenwohlstand. Wem eine ausgeglichene Handelsbilanz wichtiger ist als Vollbeschäftigung, ist unsozial. Mit solchen falschen Alternativen wird gegenwärtig vom Fiasko unserer Wirtschaftspolitik abgelenkt.

Sicherlich, Arbeitslosigkeit und sinkenden Lebensstandard bekommt die Bevölkerung direkt zu spüren, ein Außenhandelsdefizit ist etwas Abstraktes, über das sich niemand alte- riert, solange die Regale in den Geschäften voll sind und bei jedem von uns persönlich die Kassa stimmt. Politiker, denen es nur um den nächsten Wahlsieg der eigenen Partei und nicht um das Wohl des Ganzen geht, werden daher immer versucht sein, eine Po- temkinsche Wohlstandsfassade aufrechtzuerhalten - auch um den Preis, daß die schließlich doch unvermeidlichen Sanierungsmaßnahmen bei weitem härter ausfallen werden.

Das gigantische Außenhandelsdefizit von 52 Milliarden Schilling im abgelaufenen Jahr ist aber ein alarmierendes Krankheitssymptom unserer Wirtschaft, über das die noch vorhandene Prosperität nicht hinwegtäuschen sollte. In allen Staaten, die heute in der Krise stecken - man denke nur an Großbritannien und Italien -, hat es damit begonnen, daß man die natioden Rechtsanspruch auf Scheidung erwirbt.

Auch nach erfolgter Neuregelung des Familien rechtes sowie nach erfolgter Adaptierung der sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten sollte es bei einer Reform des Paragraphen 55 in erster Linie darum gehen, der Fallgerechtigkeit zu dienen. Dazu müßte es den Gerichten ünbe- dingt Vorbehalten bleiben Zu prüfen, ob die Gründe jenes Gatten, der die Ehescheidung wünscht, schwerwiegender sind als die Gründe des Gatten, der die Ehe aufrecht erhalten möchte.

Auch bei der überraschenderweise vorgeschlagenen „einvemehmlichen” Scheidung ist nach Meinung des Laienrates die „vorgesehene” Belehrung durch den Richter über die Scheidungsfolgen zur Vermeidung übereüter Schritte völlig unzureichend. Eine solche Scheidung dürfte vielmehr nur ausgesprochen werden nach einer Einigung der Ehegatten über die Scheidungsfolgen (Schicksal der Kinder, Unterhaltsfragen, Krankenversicherung, Ehewohnung, Hausrat).

Wir appellieren daher an die Bundesregierung und an die Abgeordneten zum National- und Bundesrat in richtiger Würdigung der Bedeutung der Famüie für den einzelnen und die Gemeinschaft, keine weitere Demontage der Familie zu betreiben, sondern ihr vielmehr einen ihrer Aufgabe entsprechenden und wirkungsvollen Rechtsschutz angedeihen zu lassen.”

nalökonomischen Krankheitssymptome bagatellisierte, daß man der Bevölkerung einzureden versuchte, Außenhandels- oder Budgetdefizite und Inflation seien Alternativen zu Wohlstandsverlust und Arbeitslosigkeit.

Nun steht es außerhalb jeder Diskussion, daß das primäre Ziel der Wirtschaftspolitik die Vollbeschäftigung ist. Dies heißt aber nicht, daß man bei den Mitteln, die der Vollbeschäftigung dienen, völlig wahllos sein dürfe, daß man bedenkenlos solche einsetzen darf, die unter Garantie gerade jenes Übel langfristig herbeiführen, das man kurzfristig zu vermeiden trachtete. Es ist daher schlechterdings unverantwortlich, Alternativen wie „Arbeitslosigkeit oder Außenhandelspassivum, Budgetdefizit, Inflation usw.” aufzustellen und auch noch mit sozialen Emotionen aufzuheizen.

Ein häufig vorgebrachter Einwand lautet: Handelsbilanzdefizite hat es in der Zweiten Republik immer gegeben, dies sei nichts Neues. Dies ist prinzipiell richtig, nur darf man nicht vergessen, hinzuzufügen, daß das rasante Wachstum des Außenhandelsdefizits und die Tatsache, daß das Passivum der Handelsbilanz nunmehr durch die Aktiva der Dienstleistungsbilanz - Fremdenverkehr, Warentransit usw. - nicht mehr kompensiert, der in den letzten Jahren praktizierte Zahlungsbilanzausgleich durch immer neue staatliche Auslandsschulden auf die Dauer nicht fortgesetzt werden kann, und daß Österreich bereits jetzt der Zinsen- und Rückzahlungsdienst über den Kopf zu wachsen droht.

Wenn wir so weiter tim, wird uns in •einigen Jahren der Canossagang zur Weltbank - wie ihn gegenwärtig Italien und Großbritannien antreten müssen - nicht erspart bleiben. Die damit verbundenen wirtschafts- und sozialpolitischen Auflagen werden für Österreich bestimmt nicht weniger schmerzhaft ausfallen.U! .’*1 .

Allein von 1975 auf 1976 ist das Äu- ßenhandelspassivum von 32 auf 52 Milliarden Schilling angestiegen, 1971 hatte es überhaupt erst 25 Milliarden betragen. Nun reden sich die Wirtschaftspolitiker wegen der Defizitexplosion, speziell im letzten Jahr, auf „Sonderfaktoren” aus.

Es würde zu weit führen, diese Sonderfaktoren im Detail zu behandeln. Fest steht jedenfalls, daß das Wirtschaftsforschungsinstitut in einer sehr optimistischen Prognose für 1977 mit einem weiteren Anstieg dieses Defizits auf 55 Milliarden rechnet. Es geht dabei von der Annahme aus, daß die Exporte um 16,5 Prozent wachsen und damit stärker zunehmen werden als die Importe (plus 12,5 Prozent).

Im Voijahr stiegen hingegen die Importe um 26 Prozent, die Exporte nur um 16 Prozent. Nichts deutet bisher darauf hin, daß die vom Wirtschaftsforschungsinstitut in seiner Prognose bereits vorweggenommene Tendenzwende auch wirklich eintritt: Auch in diesem Jahr - soweit es bis dato zu überblicken ist - steigen die Importe stärker als die Exporte.

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