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Wie in der UNO

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Vor Jahren, als die UNO weniger Mitglieder hatte und noch etwas funktionstüchtiger war als heute, führte ein organisatorischer Reformvorschlag der Sowjetunion zu ernsten Auseinandersetzungen. Es handelte sich um den „Troika-Vor-schlag“, der darauf abzielte, statt einem Generalsekretär deren drei zu schaffen. Sein Ziel war es, die ohnehin nur bedingt schlagkräftige UNO vollends zu paralysieren.

Derlei Anregungen sind heute im kleinen Österreich zu vernehmen, wenn es um die sogenannte Rundfunkreform geht. Auf dem Umweg über organisatorische Korrekturen' soll die Funktion des Generalintendanten geschwächt und politischen Einflußnahmen ein Hintertürl geöffnet werden. Vor allem soll es drei autonome Direktoren geben. Die von Kreisky eilig zusammengerufene ORF-Kommission soll helfen, das gestörte Verhältnis der österreichischen Sozialisten zum ORF wieder ins Lot zu bringen. Der Bericht des Unterausschusses der ORF-Kommission vom 7. März 1973 enthält jedenfalls Bemerkenswertes, so den Vorschlag, daß die „Autonomie der Direktoren und Landesintemdanten gemäß Volksbegehren wieder hergestellt werden soll, was bedeutet: • selbständige Führung der wesentlichen Sach- und Gebietsbereiche;

•Aufhebung der Bindung der Direktoren und Landesintendanten an Weisungen des Generalintendanten^

•selbständige Bestimmungen im Rahmen längerfristiger Pläne über die Verwendung der zugeteilten Budgetmittel.“

In diesem Zusammenhang (aber auch an anderen Stellen der Reformvorschläge) beruft sich die „Expertenkommission“ auf das Volksbegehren und übersieht geflissentlich, daß mit der Direktoren-Troika der Sinn des Volksbegehrens eklatant verletzt wird.

Im Volksbegehren hieß es nämlich, daß „im Rahmen der langfristigen Pläne für Programm, Technik, Personal und Finanzen die Intendanten und Direktoren die laufenden Geschäfte ihres Bereiches selbständig führen. Sie sind dabei an keine anderen Weisungen und Aufträge gebunden als jene, die der Generalintendant in Erfüllung seiner Aufgabe gemäß Art. 10 Abs. 3 erteilt (Diese Bestimmung findet sich wörtlich im 11 Abs. 2 des Rundfunkgesetzes.)

Was der Reformkommission in diesem Zusammenhang ein Dorn im Auge sein muß, ist die Richlinien-kompetenz des Generalintendanten; diese soll gestrichen werden, obwohl es bereits eine entsprechende BeStimmung im Volksbegehren gab („um eine selbständige und initiative Leitung des Rundfunks sicherzustellen“). Auch im SPÖ-Initiativantrag von 1966 war ein Generalintendant vorgesehen, „dem insbesondere die Festlegung der Grundsätze für die Programmgestaltung in Hörfunk und Fernsehen obliegt“. Wie schnell sich doch die Zeiten ändern.

Abgesehen davon, daß es nirgends auf der Welt einen 13köpflgen Rundfunkvorstand gibt (Generalintendant — drei Direktoren — nun Intendanten), würde eine Aufsplitterung der obersten Kompetenzen eine Rückkehr in die Zeit des „funkischen Bauchladens“ bedeuten, wie er vor 1966 in Österreich bestanden hat.

Die ORF-Kommission fordert aber auch eine völlige Umkrempelung der Programmeinteilung und bedeutende Änderungen im Programmablauf selbst. Lokalsendungen müßten ebenso daran glauben wie die Informationssendungen in ö 3, wobei jedoch ö 3 durch Opperettenmusik seines Charakters verlustig gehen würde. Die vorgeschlagene scharfe Trennung der beiden Fernsehprogramme in ein nationales Unterhaltungsprogramm und ein Programm auf „höchstem Niveau“ würde hochwertige Sendungen einer erdrückenden Massenkonkurrenz aussetzen. „Das nationale Unterhaltungsprogramm soll unter der Leitung eines Direktors H 2/F 1, das nationale Programm mit höchstem Niveau soll unter der Leitung eines Direktors H 3/F 2 produziert werden.“

Diese Organisationsstruktur ist — mit Ausnahme des kleinen Senders Freies Berlin — in ganz Europa unbekannt. Diese Forderung widerspricht dem Trend zur Spezialisierung und würde auch auf dem Gebiet der Technik schwerwiegende Folgen haben.

' In ähnlicher Form sollen auch die Nachrichtenredaktionen für Hörfunk und Fernsehen organisatorisch zerrissen und wieder zusammengeflickt werden, die derzeit bestehende zentrale Chefredaktion, die in fast allen europäischen Rundfunkanstalten zu finden ist, soll aufgelöst werden.

Der Versuch, den ORF gefügiger zu machen, führt allerdings nur über die Leiche des Generalintendanten: das weiß die SPÖ und sie macht sich eine gewisse Unbeliebtheit Bachers zunutze, um über die Verteufelung seiner Person ihr eigenes politisches Süppchen kochen zu können. Allerdings muß die SPÖ auch wissen, daß die ORF-Reform a la ORF-Kommission für die FPÖ ein „casus belli“ ist. Die FPÖ aber ist voraussichtlich spätestens 1975 ein Partner, den die SPÖ braucht. Weshalb Auguren auch schon erkennen, daß Kreisky den Rückzug antritt. Was bleibt, könnte bestenfalls eine „kosmetische“ Reform des ORF sein — die aber von Bacher verkraftet werden könnte.

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