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Wie kann der Hader da so tief gehen?

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Beim Ackern auf dem Zollfeld hat einst ein Bauer den Jüngling vom Magdalensberg aus der Erde gefurcht.

Kärnten ist uralter Kulturboden, das ist der eine Merksatz.

Auf dem Dreiländereck, hoch über Arnoldstein, wünschen Europäer sich, die nach vorne schauen, ein Europahaus.

Hier ist der zweite Merksatz anzufügen.

Kärnten liegt am Schnittpunkt dreier Kulturen.

Eine Festrednerformel, die Aufgeschlossenheit beschwören soll. Die vom Land herausgegebene Zeitschrift für Kultur heißt nun schon seit geraumer Zeit „Brücke“.

Mit Hans Simas Abgang hat man auch den „Schnittpunkt“, so hieß die Zeitschrift vorher, abgeschnitten.

Etwa zur selben Zeit, da dies geschah, haben andere, denen man - war man in Laune - gerne Brückenfunktion aufgebürdet hat, ihr „Amt“, den Lärm des Ortstafelturms noch im Gehör, zurückgelegt. Lange vor dem Einsturz der Wiener Reichsbrücke erkannten die Slowenen im Land, daß Brücke sein auch nicht das Leben ist.

Ohne viel an die Brücke zu denken, trampeln die Eiligen gerne gedankenlos über sie hinweg.

Uralter Kulturboden und Schnitt-

punkt - eine schwere Bürde für eine Gegenwart gewiß, die sich eine Zukunft suchen will. Die Politik im allgemeinen, die kann da wenig weiterhelfen. Das hat sie schon bewiesen.

Die Kulturpolitik im besonderen, falls es sie in diesem Lande gibt, spielt Vogel Strauß. Wie anders wäre es zu erklären, daß beispielsweise die Europa-Gemeinde Völkermarkt den größten Kultursaal des Jauntales für slowenische Kulturveranstaltungen nicht zur Verfügung stellt. Furcht vor Extremismus führt man an, wenn Slowenen den Saal dafür haben möchten, ihr Epos aus der Zeit der Türkenkriege, die „Miklova Zala“, aufzuführen.

Wohl aber ist Platz für flotte Musikkapellen, die mit Oberkrainer-Sound einheizen, den man hierzulande bestens beherrscht oder für die Volks-tumssendung des ORF „Ins Lond eine-losn“.

Was da als Echo zurückschlägt, wer möchte es beschreiben.

Tanzkapellen gehören hierzulande immer auch noch zu den Kirchtagen. Da spielen sie dann auf, die Griffner Buam oder wie immer sie heißen.

Ein Griffner Bua, Peter Handke, hat in seinem Roman von der Mutter „Das wunschlose Unglück“ sehr behutsam viel von diesen Zweispälten aufge-

zeigt. Ein Heimatroman ist das Buch in Kärnten nicht geworden.

In Laibach wird derzeit eine dramatisierte Fassung davon für die Bühne des Nationaltheaters vorbereitet.

Beim Theater geblieben. Als Herbert Wochinz Ende der sechziger Jahre nach Kärnten kam, um Hausherr am Klagenfurter Stadttheater zu werden, hat er einen «neuen Slogan geprägt. „Theater für alle Kärntner“ heißt seit damals seine Devise.

Die Praxis schaut nicht ganz danach aus. Nicht einmal im Vorjahr, da der hundertste Geburtstag des größten slowenischen Dramatikers, Ivan Can-kar, gefeiert wurde, gab es ein Stück von ihm in Klagenfurt.

Aber daß man in diesem Musentempel nicht aufgeschlossen wäre, das wage einer zu behaupten. Gleich wird man ihm um die Ohren wischen, daß man seit längerer Frist italienische Opern in Originalsprache zur Aufführung bringt. Basta!

Wer solchermaßen unkt, wer solch ein düsteres Gemälde malt, er kennt die Kärntner Maler nicht. Nicht die, die längst emigrierten wie Rainer, Lass-nig, Staudacher, Kogelnik, Wukounig etc. Sondern die, die hierzulande bunte Welten bauen oder gar den Landesfür-

sten porträtieren. Die große Schar derer, die den Ruf verteidigen, Kärnten sei ein Land der Maler. Mit Erfolg, Geschick und Können, kann man gern bescheinigen.

Daß es auch solche gibt, die im Lande Leistungen vollbringen, die Maßstab haben, die auch international mithalten können, man weiß es. Gegen Hokes Bahnhofsfresken flogen dazumal Eier, Cornelius Kolig ist drauf und dran mit seinen Tactiles ein Buhmann zu werden. Valentin Oman hat den modernen Bau des slowenischen Gymnasiums gültig ausgestaltet, Werner Berg schließlich hat sich selbst mit der Werner Berg-Galerie in Bleiburg ein Denkmal gesetzt und den Bewohnern dieses Raums ein Dokument von wahrem Spiegelwert als Argument in die Hand gegeben.

Das sind nur einige Spitzen, die fast feindselig aus dem uralten Kulturboden ragen. Andere, für andere Konsumenten gibt es auch. Den Carinthischen Sommer beispielsweise, dessen Renommee von Jahr zu Jahr zunimmt, der Leonard Bernstein ins Land geholt hat; der im Sommer das Kulturleben beherrscht. Dann die Komödienspiele, neuerdings auch Orgelmusikwochen in Millstatt, theaterbegeisterte Bürger der Stadt Friesach, die sich produzie-

ren una ein Kellertheater in Villach, das Unzufriedene gleichermaßen lockt, wie solche, die sich unterhalten möchten.

Das Angebot, das große, wer möchte es bestreiten. Doch hat es Wirkung auf die und in der Gesellschaft? Hat es bloß erhöhten Freizeitwert oder bewirkt es etwas?

Wo so vieles nebeneinander sich entfaltet, wo das Musische als Charakterdenkmal geführt wird, wie kann der Hader da so tief gehen, ist die Frage.

Eine Frage, die die Politik bislang nicht beantworten hat können. Eine Frage aber, auf die nicht nur schöpferische Minderheiten eine Antwort suchen sollten, ehe es zu spät ist und die Vielfalt aus Prinzip als Uniform der Anpassung den Keim zum Fortschritt jäh erstickt.

Denn Aufgabe der Kultur, deren Gipfel, wie es so schön heißt, die Kunst ist, ist es im Widerstreit der Meinungen, Zusammenleben zu fördern. Vielleicht braucht die Kunst in Kärnten mehr an Meinungen der Zeit. Vielleicht würde sie der Kulturpolitik dann helfen können, sich sinnfälliger zu gestalten.

Wenn nicht, was dann?

Dann bliebe alles, wie es ist. Und das alte Kärntner Sprichwort „Lei lossn, lei lossn“ wäre einmal mehr der Gewinner.

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