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Wie leben Christen heute ihre Ehe?

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Die Salzburger Studientagung 1982 des Katholischen Familienverbandes „Wie Ehe heute leben?” stellte christliche Lebenspraxis in den Mittelpunkt. Im folgenden ein stark gekürzter Referatsauszug.

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Die Salzburger Studientagung 1982 des Katholischen Familienverbandes „Wie Ehe heute leben?” stellte christliche Lebenspraxis in den Mittelpunkt. Im folgenden ein stark gekürzter Referatsauszug.

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Die Entscheidung zur Ehe — und zwar zur lebenslangen Ehe — hat angesichts konkurrierender Modelle des Zusammenlebens von Mann und Frau an Selbstverständlichkeit verloren. In der lebenspraktischen Entscheidung zur Ehe oder einem anderen Modell wird zugleich entschieden, welche Erwartungen mit der Gemeinschaft von Mann und Frau verbunden und welche Gründe für das Gelingen der Gemeinschaft als gegeben erhofft werden.

Meistens wird ersehnt, daß die Beziehung zwischen Mann und Frau erfüllt ist von einer umfassenden personalen gegenseitigen Annahme. Die sexuelle Gemeinschaft soll ausdrücken und bewirken, daß man nicht allein und einsam ist, sondern einen Menschen hat, mit dem man Freude und Not teilen kann. Und meist wird auch ersehnt, daß die Beziehung von Dauer sein möge. An ein mögliches Ende der Beziehung wird nicht gedacht wie an ein schmerzloses Auseinandergehen, sondern wie an ein Scheitern, mit dem auch Trauer über das Mißlingen einer gesuchten Gemeinschaft verbunden wäre.

Zugleich aber werden Gründe der Sorge oder gar des Zweifels oder der Angst gesehen, ob die mit der Gemeinschaft von Mann und Frau verbundenen Sehnsüchte realistisch und erfüllbar sind. Es wird erfahren, wie jede Beziehung auch davon bedroht ist, daß sie nicht menschlich erfüllt gelebt wird und nicht hält. Es gibt den begründeten Verdacht, daß das, wonach der Mensch sich sehnt — eine heile Welt — auch in der Ehe nicht zu finden ist.

Die Entscheidung des gläubigen Menschen zur Ehe ist das Glaubensbekenntnis in einer konkreten Lebenssituation, die gläubig gelebte Entschiedenheit in der Ehe ist gelebtes Glaubensbekenntnis. Dies schließt eine Ver-änderungs- und Leidensbereitschaft angesichts des auch noch wirksamen UnheilsN im eigenen

Leben, in dem des Partners und im Umfeld der Ehe ein.

Der christliche Ehewille ist auch Annahme der Grenzen des Menschen. Menschen sind nicht so'reich, daß sie einander alles sein können. Christen wollen in der Ehe für einander Anzeichen und Anbruch von Glück und Trost sein, bleiben aber offen für das letzte Glück und den letzten Trost Gottes.

Die Lebensweisungen des Evangeliums gewinnen an Bedeutung, wenn es um die gelebte Praxis christlicher Ehe geht. Dabei werden zwei zusammengehörende Perspektiven christlichen Ehelebens konkretisiert: die Ehe als Lebensraum der Nachfolge und als Berufung, die in Jesus Christus leibhaftig gewordene Liebe Gottes leibhaftig in die alltägliche Nähe gemeinsamen Lebens zu bringen.

• Lebensgemeinschaft in der Ehe meint nicht nur, einander glücklich zu machen. Menschliches Leben ist zumindest zeitweise auch belastetes Leben, und in der Lebensgemeinschaft mit einem anderen Menschen bekommt man es auch mit dessen Last und mit gemeinsam zu tragender Last zu tun. Lebensgemeinschaft in der Ehe gelingt dann, wenn die Partner einander auch in dem ertragen, was sie an Verletzungen und Schwächen mit in die Gemeinschaft einbringen. Zum Verlangen, einander glücklich zu machen, gehört auch dazu, sich voneinander belasten zu lassen und dadurch einander zu tragen.

Jesus Christus hat uns dadurch geliebt, daß er unsere Last auf sich genommen hat. Er ist unter uns, wo wir einander die Lasten tragen. Dort trägt er uns. Sein Weg gibt uns die Hoffnung, daß die Last, die wir annehmen und miteinander tragen, unser Leben gelingen läßt. Diese Hoffnung verbindet auch in der Ehe und verhindert, daß Eheleute einander Fremde werden, wo sie einander auch Last zumuten müssen. • Das Miteinander von Menschen wird davon bedroht, daß einer sich über den anderen zu stellen und ihm seinem Willen dienstbar zu machen sucht. Auch die Ehe ist davon bedroht. Auch in der Ehe kann es zur Herrschaft von Menschen über Menschen kommen.

Lebensgemeinschaft in der Ehe gelingt dann, wenn Mann und Frau einander die Erfahrung schenken, daß jeder dem anderen dient und keiner die Dienstbereitschaft des anderen mißbraucht. Diese Lebenspraxis läßt einen Raum der Freiheit und des Vertrauens entstehen, der gerade den Ehealltag wohltuend prägen kann und Erfahrung mit Erlöstheit vermittelt.

Das Vermächtnis Jesu Christi ist die Zusage, daß menschliches Miteinander dort geheilt wird, wo Menschen einander „die Füße waschen”. Dort wird Erlösung und Befreiung praktisch und konkret. Gegenseitiger Dienst ist Nachfolge Jesu und der Weg, dem die Verheißung endgültiger Befreiung von jeder Form der Herrschaft gilt.

• DieEhezusage.einanderzulie-ben und zu achten, können Menschen wohl nie ganz ohne Schuld einlösen. Es muß nicht immer schwere Schuld sein, die die Ehe bedroht. Auch alltägliche Schuld kann trennend zwischen Menschen treten: Gleichgültigkeit, Unaufmerksamkeit, kleine Verletzungen, Vorrang der eigenen Bedürfnisse. Schuld trennt vor allem dann, wenn sie als Vorwurf gegen den anderen hochgehalten wird. Lebensgemeinschaft in der Ehe gelingt dann, wenn Partner einander unermüdbar das Geschenk der Vergebung machen. Solange ihnen ihre Verbundenheit immer wichtiger bleibt als die Anklage des anderen und sie einander darum vergeben, kommt die Schuld mit ihrer trennenden Macht nicht zur Wirkung.

Jesus Christus macht den Menschen neu durch Vergebung. Er bezeugt und lebt Gottes Bereitschaft und Macht zur Vergebung. Christliche Ehe ist einer der Orte, wo die erneuernde Kraft in der Vergebung ihre Wirksamkeit zeigen kann und soll — alltäglich und in besonderen Situationen.

Das Spezifische der christlichen Ehe liegt darin, daß sie eine Ehe von Christen ist, also eine Ehe von Menschen, die in die Gemeinschaft mit Jesus Christus hineingerufen sind und sich dauernd aus seinem Geist erneuern lassen. Die erneuernde Begegnung mit Jesus Christus sucht der Christ in der Ehe also nicht mehr nur für sich, sondern auch um des ehelichen Nächsten willen: um ihn in Wahrheit lieben zu können und für ihn Hilfe zum Leben zu sein.

Zur Aufgabe, Ehe zu gestalten, gehört dann auch die Aufgabe, Gemeinschaft des Glaubens zu gestalten. Wie diese Aufgabe in einer christlichen Ehekultur wahrgenommen wird, entscheidet meistens auch über die christliche Famüienkultur.

Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die Gestaltung des Sonntags als christliches Wochenfest. Vor allem bei der Herausbildung einer christlichen Ehekultur wird die Bedeutung der Gemeinde als Ort gegenseitiger Anregung und Stärkung christlicher Ehen deutlich.

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