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Wie liberal ist die FPÖ?

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Immer wieder wird auch in der Tagespolitik die Frage gestellt: Wie liberal ist die FPÖ? In dem demnächst erscheinenden „österreichischen Jahrbuch 80 für Politik“ versuchen zwei A utoren darauf eine Antwort zu geben. Ein Beitrag stammt aus der Feder des FPÖ-Abgeordneten zum Nationalrat Friedhelm Frischenschlager, der auch Assistent für Politologie an der Salzburger Universität ist, der andere wurde von Karl A. Kubinzky verfaßt, Professor am Institut für Soziologie an der Universität Graz. Die FURCHE bringt im Vorabdruck Auszüge.

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Immer wieder wird auch in der Tagespolitik die Frage gestellt: Wie liberal ist die FPÖ? In dem demnächst erscheinenden „österreichischen Jahrbuch 80 für Politik“ versuchen zwei A utoren darauf eine Antwort zu geben. Ein Beitrag stammt aus der Feder des FPÖ-Abgeordneten zum Nationalrat Friedhelm Frischenschlager, der auch Assistent für Politologie an der Salzburger Universität ist, der andere wurde von Karl A. Kubinzky verfaßt, Professor am Institut für Soziologie an der Universität Graz. Die FURCHE bringt im Vorabdruck Auszüge.

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Am 5. Oktober 1979 wurde die Frei­heitliche Partei Österreichs (FPÖ) Mit­glied der „Liberalen Internationale“. Damit ist die Frage, ob die FPÖ eine li­berale Partei ist, formal mit „Ja“ zu be­antworten. Dennoch wird es weiterhin Zweifler geben ...

Die FPÖ hat lange Zeit aus histori­schen Gründen keine klare weltan­schaulich-programmatische Selbst­identifikation vorgenommen. Dieses ideologische Vakuum ersetzt die FPÖ durch einen stark regional gefärbten, eigenständigen Liberalismus, um eine innerparteiliche, innerösterreichische und internationale Identifikation der FPÖ aufzubauen ...

Offen liegen aber auch die program­matischen Schwachstellen der FPÖ:

Das Manifest ist in seinem grundsätz­lich-weltanschaulichen Kern ausführ­lich und läßt eine Zuordnung zu libera­len Grundpositionen zweifelsohne zu.

Vorzuwerfen ist der FPÖ, daß sie ihre Programm-Arbeit nach dem Ma­nifest nicht intensiv fortsetzte: So har­ren eine Reihe ganz essentieller libera­ler Programmpunkte einer genaueren Ausarbeitung: Vor allem die Wirt­schafts-, Finanz- und Bildungspolitik ist bestenfalls skizzenhaft formuliert.

Die Demokratie-, Verwaltungs- und Verfassungsperspektiven bleiben ein Fremdkörper im „gesellschaftspoliti­schen Manifest“. Ein „Demokratie- und staatspolitisches Manifest“, das sich mit dem politischen System der Gegenwart und den diesbezüglichen Zukunftsabsichten der FPÖ befaßt, müßte folgen.

Das gültige, formale Parteipro­gramm ist das Ischler Parteiprogramm aus dem Jahre 1968. Tatsächlich fun­giert heute aber in der politischen Pra­xis das gesellschaftspolitische Manifest als das Parteiprogramm. Darauf be­ruhen immer wieder Irrtümer über die Verbindlichkeit des Manifestes und Mißverständnisse über das Parteipro­gramm der FPÖ.

Das Ischler Programm ist sehr knapp gefaßt, allgemein gehalten und in etlichen Punkten inhaltlich und vor allem terminologisch überholt. Die qualitative Höherwertigkeit des Mani­festes steht völlig außer Zweifel.

Trotzdem muß die FPÖ die Frage nach ihrem offiziellen Parteiprogramm mit dem Ischler Programm beantwor­ten. Diesen Widerspruch müßte die FPÖ durch eine Überarbeitung und vor allem Ergänzung des gesellschaftspoli­tischen Manifestes und seiner Umbe­nennung bereinigen ...

In der politischen Auseinanderset­zung um ihren Standort muß sich die FPÖ immer wieder mit ihrer Einbezie­hung in den Rechtsradikalismus her­umschlagen.

Die Programmatik der FPÖ kann heute nur unter Verwendung bewußter Fehldeutungen als rechtsradikal be­zeichnet werden. Daß sie innerhalb des liberalen Spektrums weiter rechts steht als Z.B. die F.D.P., ist ihre erklärte Ab­sicht; das rechtfertigt jedoch kein Ab­qualifizieren als rechtsextrem oder rechtsradikal.

Auch das praktisch-politische Ver­halten der FPÖ gibt keine wesentlichen Einstiegsmöglichkeiten für eine rechts­extremistische Beurteilung: Die Partei arbeitet anstandslos auf allen politi­schen Ebenen unserer Demokratie auf verfassungsmäßige Weise mit, und das seit Jahrzehnten.

Auch Versuche, eine rechtsextreme Position der FPÖ über vereinzelte Ver­haltensweisen von FPÖ-Funktionären nachzuweisen, müssen entweder auf jahrelang zurückliegende Ereignisse zurückgreifen oder auf Politiker, die schon längst die politische Bühne ver­lassen haben.

Ob der FPÖ gerechtfertigt oder un­

gerechtfertigt vorgeworfen: In summa stellen derartige „rechtsextreme“ Er­eignisse im Vergleich zum politischen Gesamtverhalter* der FPÖ eine derart unbedeutende Größe dar, daß auch auf diesem Weg keine rechtsradikale FPÖ konstruiert werden kann.

Aber daß diese Klischeevorstellung von der rechtsradikalen FPÖ noch im­mer relativ erfolgreich verbreitet wer­den kann, wird von der FPÖ selbst mit­verursacht. In der FPÖ-Programmatik spielt die deutschnationale Kompo­nente nach wie vor eine Rolle ...

Wenn die FPÖ - und das will sie - an diesem Punkt festhält, kommt sie, um Mißdeutungen zu entgehen, um seine ausführliche Darstellung und Begrün­dung nicht herum. Das fehlt aber bis heute. Hierin liegt ein Hauptgrund für Schwierigkeiten der FPÖ, die liberale Position in Österreich zu besetzen.

Die FPÖ ist - soweit es das über­haupt gibt - nicht der Idealtypus einer liberalen Partei. Aber sie ist auf dem Wege zur liberalen Selbstidentifika­tion, das kann ihr selbst der kritischeste Beobachter nicht absprechen.

Letztlich wäre aber mit der Gewin­nung einer theoretischen oder gar bloß ideengeschichtlichen Position nur we­nig erreicht. Ausschlaggebend wird sein, ob der Liberalismus als gestal­tende Idee zur Bewältigung der politi­schen Gegenwarts- und Zukunftsfragen etwas leistet oder nicht...

w ürde man sich die Antwort auf die Fragen nach der Liberalität oder besser dem Liberalismus der FPÖ leicht machen, so könnte man behaup­ten, daß jene Partei liberal sei, die das

von sich behauptet und die beispiels­weise in die Liberale Weltunion aufge­nommen ist, wie dies seit 1979 - übri­gens erstaunlich spät - für die FPÖ zu­trifft.

Rückt man die Frage nach dem Libe­ralismus der FPÖ jedoch in den Mittel­punkt der Betrachtung, so empfiehlt es sich, eine etwas gründlichere Überprü­fung durchzuführen. Klar ist, daß durch die für die liberale Idee geradezu charakteristische Unklarheit über eine allgemein gültige Definition des „Libe­ralismus“ Interpretationsunterschiede auftreten können ...

• Betrachtet man die Parteienland­schaft Österreichs der letzten 100 Jah­re, so kann man drei große politische Lager identifizieren, an deren Randbe­reichen sich zeitweise kleinere Gruppen etablieren.

Daß im Laufe politischer Entwick­lungen und sozialen Wandels Definiti­onsänderungen jeweils notwendig sind und daß sich die politisch-ideologischen

Schwergewichte etwas verlagerten, ist klar.

Die „Dritte politische Kraft“ Öster­reichs war jedoch - anders als beispiels­weise in Großbritannien - traditionell nie eine primär liberale, sondern im Sinne einer vereinfachten Darstellung politischer Systeme eine deutschnatio­nale bis nationalliberale. Dies geht in der Gegenwart auch auš Selbstein­schätzung und Geschichte der FPÖ und ihres Vorfahren, dem VdU (Verband der Unabhängigen), klar hervor.

Es kann zwar das so gut wie völlige Fehlen des Wortes „liberal“ in den FPÖ-Grundsatzprogrammen durch die umso häufigere Verwendung des Wor­tes „freiheitlich“ zu erklären sein, es dürfte dieser Umstand jedoch sympto­matisch sein. Ein offenes Bekenntnis zum Liberalismus als Weltanschauung entspricht auch nicht den Parteierwar­tungen der Mehrheit der FPÖ-Funktio- näre.

In diesem Sinne lassen sich die Selbstdeklarationen von vielen FPÖ- Funktionären und die Presseberichter­stattung von Parteiveranstaltungen in­terpretieren. Sogar der eher dem libera­len Flügel der FPÖ zuzurechnende Ab­geordnete F. Frischenschlager stellt im Verhältnis der FPÖ zum Liberalismus eine Fülle von Unklarheiten fest.

Das FPÖ-Manifest als bisher deutli­cher Ansatz zu einer liberalen Ideologie hätte konservativ-liberale Ansätze und die Übernahme traditioneller Wertvorstellungen sei festzustellen.

Ein geradezu klassischer Anwen­dungsbereich liberaler Grundhaltungen fehlt völlig in Programmen und Aussa­gen der FPÖ: der Schutz von Minder­heiten im soziologischen Sinne.

Als Beispiele hierfür kann die re­striktive Haltung der FPÖ in der Volksgruppenfrage gelten und auch ihre weitgehende Abstinenz im Engage­ment um die Rechte der Frauen.

In seiner vergleichenden Darstellung der Grundsatzprogramme der österrei­chischen Parteien kommt Albert Ka- dan zum Schluß, daß die früheren Pro­gramme der FPÖ im Spannungsfeld zwischen liberalen, die Freiheit in allen Lebensbereichen herausstreichenden Werthaltungen und deutschnationalem, auch völkischem Gedankengut mit illi­beralen Bestrebungen liegen.

Erst im „Freiheitlichen Manifest zur Gesellschaftspolitik“ sieht Kadan ei­nen liberalen Vorrang, muß aber ande­rerseits - obwohl hier nun inhaltlich ge­kürzt - auch in diesem Programm das Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft feststellen.

Dieser Vorwurf, im Wählerpotential einen überdurchschnittlich hohen An­teil von Personen zu haben, die nach ei­ner Faschismusskala ins rechtsextreme politische Lager einzuordnen sind, läßt sich etwa auf Grund einer Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studienge­sellschaft (1976) empirisch unter­mauern ...

Bei der Frage nach der Parlaments­feindlichkeit wird der Prozentsatz bei den FPÖ-Wählern nur von jenem bei den KPÖ-Wählern übertroffen. Bei ei­ner 1973 im „Profil“ veröffentlichten Umfrage des Instituts für Markt- und Sozialanalyse sind unter den FPÖ-An- hängern die höchsten Anteile jener Per­sonen zu finden, die antisemitische Grundhaltungen haben.

Wenn man als Interpret dieser Zah­len auch feststellen muß, daß in der Frage des Antisemitismus auch für die anderen Parteien nicht gerade schmei­chelhafte Ergebnisse erfragt wurden, so ist doch für die FPÖ der Prozentsatz von rund 85 zumindest leicht antisemi­tischer Einstellung mit Abstand der größte und es ist dies im Hinblick auf die Frage nach der liberalen Grundhal­tung dieser Partei ein sehr deutliches Argument...

Vorabdruck aus ÖSTERREICHISCHES JAHR­BUCH 80 FÜR POLITIK. Analysen und Kom­mentare zur österreichischen Politik. Andreas Khol/Alfred Stirnemann (Hrsg.); Verlag Tür Ge­schichte und Politik Wien, R. Oldenbourg Verlag München, 1981, ca. 500 Seiten, öS 590,-

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