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Wie man Kettenraucher wird

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„Rauchen ist schick", so heißt es in einem gar nicht so dummen Schlager, denn der Prestigefaktor spielt neben der Neugierde und der Bereitschaft zur Nachahmung eine unübersehbare Rolle, wenn es um das „Erlernen des Rauchverhaltens geht".

Aufgrund umfangreichen Literaturstudiums und der Erfahrungen in der Raucherberatungsstelle des Gesundheitsministeriums wurde vom Hygiene-Institut der Universität Wien ein Modell psychologischer Einflußfaktoren bezüglich Rauchverhaltens erstellt.

80 Prozent aller Raucher lassen den vorerst gelegentlichen Griff zur Zigarette spätestens mit 21 Jahren zur Gewohnheit werden. Und: Nur 14 Prozent der Raucher hatten nichtrauchende Eltern, während 23 Prozent jener, die noch nie zu rauchen versuchten, in einem Nichtrauchermilieu aufgewachsen sind.

Ist Rauchen oder Nicht-Rauchen also nur eine Frage der Vorbilder?

Nicht ausschließlich, da viele Leute, vor allem jugendlichen Alters, die Frage des „Dazugehörens" des Akzeptiert-Werdens eben mit der Zigarette lösen; oft ist Rauchen in seinem Anfangsstadium keine freie Entscheidung, kein Probieren, sondern eine durch Gruppendruck herbeigeführte Handlung:

Rauchen wird als Möglichkeit verwendet, sich die Gruppenmitgliedschaft zu erleichtern; außerdem wird oft von der Gruppe selbst ein gruppenadäquates Verhalten erwartet.

Wie sich das Rauchverhalten beim einzelnen entwickelt, hängt davon ab, ob sich im Anschluß an das Rauchen positive Konsequenzen ergeben, wie etwa das Akzeptiert-Werden von einer Gruppe; damit kann das Rauchverhalten zur Strategie werden - einer Strategie zur Konfliktlösung.

Neben der - positiven Konsequenz sind aber auch andere Faktoren ausschlaggebend, warum sich ein Noch-Nicht-Raucher entschließt, seine neue Angewohnheit aufrechtzuerhalten:

Ist die Familiensituation dem neuen Raucher neutral oder sogar positiv eingestellt, so ist es für diesen ein Leichtes, seih Rauchverhalten „auszubauen".

Der Faktor „Informationsstand über die Schädlichkeit des Rauchens" darf nicht unterschätzt werden: Wie die Raucherberatungsstelle erkennen mußte, sind die meisten Raucher über die toxische Wirkung des Tabaks nicht ausreichend informiert.

Wie vollzieht sich nun der Sprung zum Kettenraucher, den sich viele Raucher im nachhinein nicht mehr erklären können?

Es wird anfänglich ja nur mehr oder weniger zufällig Rauchverhalten in verschiedenen Situationen gezeigt: Wie Raucher selbst erkennen, sind das gesellige Zusammensein, Nervosität, Fernsehen, Arbeitspausen, persönliche • Schwierigkeiten, Langeweile, anstrengende Arbeit.und erhöhte Müdigkeit, Anlässe, um sich „eine anzuzünden". Wiederholen sich diese Situationen, die mit Rauchen bewältigt oder auch nur überbrückt wurden, so sind sie früher oder später im Sinne des respondenten Lernens an den Tabakkonsum gekoppelt: Der Raucher funktioniert nun wie ein gelehriger Pawlowscher Hund:

Wird beim Kaffeetrinken wiederholt geraucht, so entsteht zwischen dem Tabak- und dem Kaffeekonsum eine enge Gedankenverbindung, sodaß bei gewohnheitsmäßiger Koppelung dieser Genüsse sogar der Kaffeeduft genügen kann, um ein Rauchverhalten auszulösen; auch der Hund Pawlows reagierte ja bereits auf Klingelzeichen mit Speichelabsonderung, in der Erwartung etwas zu fressen zu bekommen.

Viele Raucher erkennen selbst ihre Abhängigkeit und sind von den Suchtmechanismen überzeugt, doch das Aufhören ist für die meisten ein Problem, für manche auch ein unüberwindliches.

Die Erfahrungen der Raucherberatungsstelle gehen dahin, daß viele Klienten ihre Abhängigkeit auf einen unsteuerbaren Faktor schieben wollen und sich von ihrem Therapeuten meist eine medikamentöse Behandlung erwarten, da diese vom Patienten wenig Engagement und Einsatzkraft erfordert. Viele machen es also vom „Zufall" abhängig, ob sie aufhören können oder nicht.

Bei der Entwöhnung ist es zur primären Aufgabe geworden, bei jedem einzelnen Raucher die für ihn persönlich dominanten Faktoren seines Rauchverhaltens herauszufinden. Es wäre falsch, so lange zu warten, bis der Raucher selbst die negativen Konsequenzen an sich selbst erfährt:

Bronchitis, Atembeschwerden, Hautschädigungen oder Endstation Lungenkrebs!

Eine neue Risikoformel, von Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze und Dr. Christian Vutuc im Rahmen einer gesamt-österreichischen Forschungsarbeit erstellt, lautet, daß Raucher, die neun Jahre lang täglich 20 filterlöse Zigaretten rauchen, am meisten gefährdet sind, an Lungenkrebs zu erkranken. Bei weniger starken Zigaretten erhöht sich diese „Frist" auf zwölf, beziehungsweise 25 Jahre.

Bei dieser Untersuchung wurden erstmals nicht nur die Zigarettenmengen berücksichtigt, sondern auch der Schadstoffgehalt.

Dazu Prof. Kunze: „Bedenkt man, daß der österreichische Raucher im Schnitt 36 Jahre lang zwischen 20 und 25 Zigaretten konsumiert, so ist er -auch wenn er die leichteste Sorte raucht - trotzdem gefährdet."

So liegt der „Weg des geringsten Engagements" für den starken Raucher vielleicht darin, daß er seinen Konsum an Zigaretten möglichst leichter Sorte so gering hält, daß er die laut Risikoformel errechnete Menge an krebsauslösenden Schadstoffen gar nicht erreicht.

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