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Wie sollen die Universitäten die Hörer bewältigen?

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Kann der Bedarf an Akademikern für die Zukunft geschätzt werden? Wieso beginnen so viele Maturanten ein Hochschulstudium? Wieso gibt es so viele „drop outs”? Ist Bildung Prestige? Ist Bildung ein Produktivfaktor? Können die Universitäten den Studentenansturm bewältigen? Muß die Hochschulstruktur und/oder die Struktur der Wissenschaft geändert werden? Wie kann das Begabungspotential besser ausgeschöpft werden? Fragen über Fragen. Diese wurden genaugenommen als „Antworten” auf die Frage „Werden die von den Universitäten Ausgebildeten gebraucht?” gegeben. Diese Frage stellte kürzlich der österreichische Wirtschaftsbund Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft in einem Informationsgespräch in Wien.

Daß in den nächsten Jahren mehr Akademiker denn je die Universitäten in Österreich verlassen werden, daß mehr denn je Studenten ihre Studien vorzeitig abbrechen werden, steht trotz fehlender Bedarfsprognosen und Statistiken fest. Ob diese Personen auch einen ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz finden werden, steht nicht fest.

Ein eher pessimistisches Bild zeichnete der Bildungsökonom Prof. Werner Clement, Ordinarius an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Zahl der erwerbstätigen Personen wird sich bis 1985 sicherlich erhöhen, die Nachfrage nach Arbeitskräften aber wird zurückgehen.

Spätestens 1980 wird es in Österreich mehr als 100.000 Studierende geben. Im laufenden Wintersemester stieg die Zahl der Erstinskribenten an allen Hochschulen (ausgenommen der TU Graz). Besonders hohen Zuwachs (prozentuell) konnte aber die Universität für Bodenkultur verzeichnen; die Universität Wien überschritt erstmals die 30.000-Grenze, berichtete Rektor Franz Seitelberger. Der Zuwachs ist nicht gleichmäßig auf die einzelnen Studienrichtungen verteilt; die philosophischen Fächer rangierten an der Spitze, die Wirtschaftswissenschaften liegen im „Mittelfeld”, der Zuwachs bei den Medizinern ist ein wenig gesunken, die technischen Wissenschaften rangieren am Ende der Zuwachstabelle. An der Universität Wien erfreuten sich heuer die Rechtswissenschaften besonderer Beliebtheit bei den Erstinskribenten.

Für 1981 schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut, erläuterte Prof. Clement in dem Gespräch, 110.000 berufstätige Akademiker (1961 waren es noch 80.000); für 1986 erwartet man 126.000. Ein großer Teil der Absolventen trat in den letzten Jahren und Jahrzehnten stets in den öffentlichen Dienst. Da dieser aber seine Dienstposten eher verringert, stellte Prof. Clement die Frage: „Wohin gehen dann die Akademiker?”.

Fritz Paschke, Elektrotechniker der TU Wien, nannte Zahlen seiner Universität und zeigte auf, daß bei Fächern mit eher geringeren Berufschancen der Zuwachs an Studierenden weitaus größer ist, als bei Fächern mit guten Chancen im Berufsleben.

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, daß die Problematik „Akademikerbedarf” besser durchleuchtet werden muß. Das derzeitige „unerquickliche Bildungssystem” meinte Hans Tuppy, Präsident des Forschungsförderungsfonds und Biochemiker an der Universität Wien, sollte während des gesamten Bildungsganges ständig Eingangsqualifikationen an bestimmten Stellen, zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Lebensaltern aufweisön. So könnte der Zugang zu den Hochschulen besser geregelt und die hohe Ausfallsquote gesenkt werden. Das Studium dürfte keinesfalls, betonte Tuppy, zur „Arbeitslosenunterstützung” werden. Derzeit gebe es schon Anzeichen dafür, wie etwa die vielen Zweitstudien fertiger Akademiker zeigen.

ÖVP-Wissenschaftssprecher Erhard Busek trat für eine Diskussion der Problematik ein, die aber das gesamte Schulsystem, nicht nur die Universität, betreffen müßte.

Nur eine „geglückte Mischung” aus verschiedenen Vorschlägen könne erreichen, daß die Universitäten den Studentenansturm bewältigen, ohne zu Berufsschulen degradiert zu werden, wurde übereinstimmend erklärt.

Seitelberger forderte in diesem Zusammenhang die Intensivierung der Grundlagenforschung an den Hochschulen, daß die Zahl der „drop outs” sich verringert, und daß die Absolventen der Universitäten auch tatsächlich „gebraucht” werden. Das Informationsgespräch des Wirtschaftsbundes soll Ende März eine Fortsetzung finden.

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